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Die von Bund und Kantonen vorgelegten Entwürfe für eine Revision des öffentlichen Beschaffungsrechts bieten eine gute Grundlage für eine Gesetzgebung, die sich einer klaren, modernen Entwicklung nicht verschliesst. Ausschreibungen müssen aber nach fairen Richtlinien verlaufen.
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Heinrich Bütikofer, Vizedirektor des Schweizerischen Baumeisterverbandes SBV

Das schweizerische Bauhauptgewerbe beschäftigt rund 100‘000 Mitarbeitende in über 5000 Firmen und erarbeitet einen jährlichen Umsatz von über 20 Milliarden Franken. Gut die Hälfte davon stammt von der öffentlichen Hand. Der grösste Teil der Bauunternehmungen – mit rund vier Fünfteln der Arbeitnehmenden – ist im Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) zusammengeschlossen.

Harmonisierung des Beschaffungsrechts nötig

Das schweizerische Beschaffungswesen erweist sich heute trotz WTO-Abkommen als uneinheitlich, stark föderalistisch und wenig transparent. Der SBV begrüsst deshalb die Bemühungen von Bund und Kantonen, ein einheitliches Beschaffungsrecht zu erarbeiten. Die Baumeister unterstützen die vorliegenden Entwürfe des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen sowie den weitgehend gleichen Entwurf einer Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen.

Sie sind logisch aufgebaut, öffnen Möglichkeiten für neue Lösungen wie das Dialogverfahren und stecken einen vernünftigen Rechtsrahmen ab. Doch bereitet der Bauwirtschaft nicht in erster Linie die Gesetzgebung, sondern die Menschen, welche sie anwenden, Schwierigkeiten. Zum Teil sind erhebliche Schwächen bei der Projektierung, der Ausschreibung, der Vergabe und in der Ausführung auszumachen. Dies führt zwangsläufig zu Zeit- und Preisdruck, zu Mängeln, Nachtragsforderungen, Rechtsstreitigkeiten und letztlich zu teureren Bauwerken.

Faire Ausschreibungen zentral

Die Bauunternehmungen verlangen von der öffentlichen Bauherrschaft die Einhaltung von Transparenz, Wettbewerb, Wirtschaftlichkeit, Gleichbehandlung und Effektivität.[1] Zwar ist es für die Vergabestelle bequem, den Auftrag an die Anbieterin mit dem tiefsten Preis zu vergeben. Doch damit ist die Aufgabe in der Regel nicht gelöst.

Im Rahmen einer durchdachten, fairen Ausschreibung ist der Zuschlag der Anbieterin mit dem günstigsten (vorteilhaftesten) Angebot zu erteilen. Verhandlungsrunden zur Ermittlung des tiefsten Angebotspreises haben deshalb keine Berechtigung und werden konsequenterweise abgelehnt.

In den Entwürfen aber sehen sowohl der Bund als neu auch die Kantone solche Verhandlungen vor. Dies verleitet öffentliche Bauherren, ihre Nachfragemacht auszunützen. Eine besondere Verantwortung kommt der öffentlichen Bauherrschaft bei der Durchsetzung der Arbeits- und Arbeitsschutzbedingungen zu. Indem Anbieterinnen sorgfältig und verantwortungsvoll ausgewählt werden, lassen sich Lohndumping oder Verstösse gegen die Arbeitssicherheitsbestimmungen vermeiden. Der Kanton Thurgau beispielsweise tut dies mit sogenannten Ständigen Listen seit Jahren erfolgreich. Für die Baufirmen ist die vorgesehene Regelung der Angebotsöffnungen[2] inakzeptabel. Sie verlangen, dass Offerten rasch nach deren Eingang geöffnet und die Anbietenden informiert werden. So werden die Ressourcen der wenig aussichtsreichen Anbieterinnen nicht unnötig blockiert.

Zusammenfassend bedarf das schweizerische Beschaffungswesen im Wesentlichen keiner neuen Vorschriften, die bestehenden müssten nur konsequent umgesetzt werden. Die neue, von Bund und Kantonen vorgeschlagene harmonisierte Lösung ist in diesem Sinn grundsätzlich zu begrüssen.

  1. Das öffentliche Beschaffungswesen sollte sich an den zehn Postulaten des SBV orientieren; siehe Positionspapier 2010 Zielführende Ausschreibungen und faire Vergaben unter www.baumeister.ch []
  2. Art. 41 VE-BöB. []

Zitiervorschlag: Bütikofer, Heinrich (2015). Ja zu einer fairen Harmonisierung. Die Volkswirtschaft, 24. Juni.