Hannes Germann, Präsident Schweizerischer Gemeindeverband SGV, Ständerat (SVP/SH).
Die aktuell bestehenden Differenzen im Beschaffungsrecht zwischen Bundes- und Kantons- sowie Gemeindeebene erhöhen die Komplexität des Beschaffungswesens und führten in der Vergangenheit immer wieder zu Verunsicherung bei den Beteiligten.[1] Gerade die mittleren und kleineren Gemeinden sind wie die KMU vor rechtlich komplexe Fragestellungen gestellt, die einen hohen administrativen und finanziellen Aufwand mit sich bringen können. Die angestrebte Vereinheitlichung ist deshalb für alle Beteiligten ein Gewinn.
Die Gesetzesentwürfe sind allerdings nach wie vor von der Verankerung des öffentlichen Beschaffungsrechts im Bausektor geprägt. Dementsprechend tragen sie den Anforderungen an ICT-Beschaffungen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen, noch zu wenig Rechnung. ICT-Beschaffungen sind im Vergleich zu Bauvorhaben oftmals weniger standardisiert und können ein schrittweises statt eines linearen Vorgehens vorsehen. Die gegenwärtigen Regeln des öffentlichen Beschaffungsrechts können im ICT-Bereich daher zu unbefriedigenden Abläufen oder wenig wirtschaftlichen Ergebnissen führen.
Wettbewerb vs. Einsatz von öffentlichen Geldern
Dies betrifft insbesondere befristete Verträge, für die eine Maximaldauer vorgesehen ist und die danach gekündigt werden müssen. Nach Ablauf der Frist sind dabei die entsprechenden Leistungen neu zu beschaffen. Der Grund für diese – wirtschaftlich oftmals fragwürdigen – wiederkehrenden Beschaffungen liegt unter anderem darin, dass keine Priorisierung der verschiedenen Zwecke im öffentlichen Beschaffungswesen besteht. Solche Zwecke sind etwa das Schaffen von Wettbewerb oder der wirtschaftliche Einsatz der öffentlichen Mittel (Wirtschaftlichkeitsgebot).
Es wäre deshalb zu prüfen, ob eine differenzierte Behandlung von zeitlich befristeten ICT-Verträgen mit dem übergeordneten Recht in Einklang zu bringen wäre und damit dem wirtschaftlichen Einsatz der öffentlichen Mittel auch in diesem Bereich besser Rechnung getragen werden könnte. Das Wettbewerbsgebot an sich sollte nämlich nur ein Mittel zum Zweck und kein Selbstzweck sein. Mit anderen Worten: Wettbewerb macht nur dann Sinn, wenn damit öffentliche Mittel wirtschaftlich eingesetzt werden können. Wettbewerb ist jedoch nicht angezeigt, wenn von vornherein mit grosser Wahrscheinlichkeit feststeht, dass durch den Wettbewerb nicht nur keine öffentlichen Mittel eingespart werden können, sondern im Gegenteil zusätzliche Kosten generiert werden.
Dabei soll hier nicht der Anschein erweckt werden, Wettbewerb sei bei der Frage nach der zulässigen Dauer von befristeten Verträgen nie geeignet, dem Wirtschaftlichkeitsgebot zu dienen. Dort, wo beispielsweise die Kosten für neue Beschaffungen gering sind und wo es nur geringe einmalige Ablösungskosten gibt, macht es im Lichte des Wirtschaftlichkeitsgebots durchaus Sinn, den Markt in bestimmten zeitlichen Abständen wieder zu befragen.
- Das Vergaberecht ist – mit Ausnahme der Beschaffungen des Bundes – seit je weitgehend in der Kompetenz der Kantone. Hier stützt es sich auf die kantonalen Gesetze und diese ihrerseits wiederum auf die Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) und deren Vergaberichtlinien. Der vorliegende Entwurf des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen und der Entwurf der revidierten Ivöb, welche Ende 2014 in die Vernehmlassung geschickt wurde, sind bezüglich der harmonisierten Bereiche inhaltlich weitgehend identisch. Der hier vertretene Standpunkt bezieht sich deshalb in erster Linie auf die für die Gemeinden massgebliche IVöB. []
Zitiervorschlag: Germann, Hannes (2015). Kein Wettbewerb um des Wettbewerbs willen. Die Volkswirtschaft, 24. Juni.