Ein Beispiel für eine Grossausschreibung auf Simap.ch: Die elektronische Geschäftsverwaltung (Gever) des Bundes. (Bild: Die Volkswirtschaft)
Der primäre Anspruch eines Unternehmens ist es, zu wissen, wo mögliche Abnehmer respektive Käufer für die angebotenen Produkte oder Dienstleistungen zu finden sind. Ein wichtiges Kundensegment ist dabei vielfach die öffentliche Hand: Bund, Kantone und Gemeinden kaufen jährlich insgesamt für schätzungsweise 30 bis 40 Milliarden Franken bei der Privatwirtschaft ein.
Die internationalen Verpflichtungen[1] der Schweiz geben im öffentlichen Beschaffungswesen vor, dass Beschaffungen, welche bestimmte Schwellenwerte überschreiten, öffentlich bekannt gemacht werden. Je nach Art der Beschaffung (Lieferungen, Dienstleistungen oder Baudienstleistungen) sind diese Werte unterschiedlich definiert. Zudem gelten für Bund und Kantone unterschiedliche Werte (siehe Tabelle). Der Bund und die Kantone haben mit der Inbetriebnahme der neuen gesamtschweizerischen Beschaffungsplattform Simap.ch im Jahre 2009 die technischen Grundlagen geschaffen, die Beschaffungen, welche über den Schwellenwerten liegen, zentral publik zu machen.
Schwellenwerte im öffentlichen Beschaffungswesen (in Franken)
Bund | Kantone | Gemeinden | Sektor-Unternehmen (öffentliches und privates Recht)[2]
|
Schienenverkehr und Vergabestellen im Energiebereich mit Ausnahme des Elektrizitätssektors | |
Rechtsgrundlage | GPA | GPA | Bilaterales Abkommen | GPA/Bilaterales Abkommen | Bilaterales Abkommen |
Güter | 230’000 | 350’000 | 350’000 | 700’000 | 640’000 |
Dienstleistungen | 230’000 | 350’000 | 350’000 | 700’000 | 640’000 |
Baudienstleistungen | 8’700’000 | 8’700’000 | 8’700’000 | 8’700’000 | 8’000’000 |
Quelle: Bund: Verordnung des WBF über die Anpassung der Schwellenwerte im öffentlichen Beschaffungswesen für die Jahre 2014 und 2015; Kantone und Gemeinden: Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen vom 15. März 2001 (IVöB).
Anmerkung: Die internationale Rechtsgrundlage ist bei Bund und Kantonen das WTO-Abkommen GPA. Die Rechtsgrundlage für Gemeinden bietet das bilaterale Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union über das öffentliche Beschaffungswesen. Während für Sektorunternehmen des öffentlichen Rechts das GPA gilt, ist es bei den Sektorunternehmen des privaten Rechts sowie im Schienenverkehr und Energiebereich (ohne Elektrizität) das bilaterale Abkommen.
Der Bund hat sich bereits 2010 verpflichtet, alle Ausschreibungen und die damit verbundenen Zuschläge ausschliesslich auf Simap.ch zu veröffentlichen. Auch in den Kantonen werden mittlerweile – trotz uneinheitlichen Regelungen – praktisch alle Ausschreibungen auf Simap.ch publiziert. Insgesamt wurden im Jahr 2014 Beschaffungen im Umfang von rund 13 Milliarden Franken über die Plattform veröffentlicht (siehe Abbildung 1).
Abb. 1: Beschaffungsvolumen auf Simap.ch
Quelle: Simap.ch / Die Volkswirtschaft
Obschon gewisse Kantone auch die Gemeinden dazu verpflichten, ihre Beschaffungen auf Simap.ch zu publizieren, verbleibt bei kommunalen Beschaffungen nach wie vor ein grosses Potenzial. Denn diese werden in einigen Kantonen lediglich dezentral, in kantonalen oder regionalen Publikationsorganen bekannt gemacht.
Im Rahmen der laufenden Gesetzesrevisionen[3] bei Bund und Kantonen wird dem Umstand der zentralisierten Veröffentlichung von Beschaffungen Rechnung getragen und die Basis einer flächendeckenden Transparenz über alle föderalen Ebenen geschaffen.
Die Palette der öffentlichen Beschaffungen ist breit. So wird für ein komplexes Informatikprojekt nebst einer Softwarefirma oft auch ein Beratungsunternehmen mandatiert. Für eine neue Autobahnbrücke wird eine spezialisierte Baufirma beauftragt, für die Gestaltung eines Schulgeländes ein Wettbewerb ausgeschrieben und für den Grosseinkauf von Büromaterial der günstigste Lieferant gesucht. Dies sind nur einige Beispiele von grösseren Beschaffungen, welche täglich auf Simap.ch ausgeschrieben werden.
Abb. 2: Anzahl Besucher pro Monat auf Simap.ch
Quelle: Simap.ch / Die Volkswirtschaft
Anmerkung: Durchschnittswerte; 2015: Angaben für Januar bis Mai.
Vereinsstruktur als Erfolgsfaktor
Simap.ch besteht seit 2002 als Verein, in welchem Bund und Kantone freiwillig zusammengeschlossen sind (siehe Kasten). Es ist als Erfolg zu werten, dass seit 2011 alle Kantone mitmachen. Im Verein wurde in den letzten Jahren der Wille zum Betrieb einer zentralen Informationsplattform immer stärker. Damit verbunden war auch eine technische Harmonisierung bei den Publikationstexten und Ausschreibungsprozessen.
Dies ist mitunter ein Grund, dass eine stetig zunehmende Anzahl an Ausschreibungen über Simap.ch veröffentlicht wird. Diese neu geschaffene Transparenz wird auch bei den Anbietern positiv aufgenommen. Nicht zuletzt, weil das gesamte Angebot – Suche und Download von Ausschreibungsunterlagen, Fragen- und Antwortforum und elektronische Abonnemente – kostenlos zur Verfügung steht. In den letzten zwei bis drei Jahren erlangte die Plattform Simap.ch einen hohen Bekanntheitsgrad in der Privatwirtschaft und hat sich als «Marke» etabliert.
Dieser Erfolg bewog den Verein vor rund zwei Jahren – in Zusammenarbeit mit verschiedenen Interessenvertretern der Wirtschaft –, es ins Auge zu fassen, die Beschaffungsprozesse auf der Plattform um die Möglichkeit einer elektronischen Angebotseingabe zu ergänzen.
Damit verbunden ist die Auflage, den Betrieb so sicher und effizient auszubauen, dass in Zukunft Angebote auf einer hochverfügbaren Infrastruktur rund um die Uhr eingereicht werden können. Diese Voraussetzungen konnten mit der Vergabe des IT-Betriebs an eines der modernsten Rechencenter in der Schweiz (Green Datacenter) geschaffen werden, was jedoch auch mit höheren Betriebskosten verbunden ist.
Ausbau zur elektronischen Angebotseingabe in zwei Etappen
Der Ausbau der Plattform für die elektronische Angebotseingabe erfolgt in zwei Schritten. Die erste Etappe wurde vor gut einem Jahr abgeschlossen. Sie ermöglicht den Unternehmen eine qualifizierte Registrierung: Nebst dem Namen und dem Sitz können die Firmen auch Informationen wie Rechtsform, Geschäftszweck, Angebotspalette, Zertifikate, Anzahl Beschäftigte, Umsatz oder die Zugehörigkeit zu Gesamtarbeitsverträgen auf Simap.ch publik machen. Dieses Angebot nutzen seither bereits über 30‘000 Unternehmen. Die zweite Phase des Projekts betrifft nun die elektronische Angebotseingabe.
Die Gesamtkosten der ersten Prozessphase waren höher als geplant, was die Vereinsfinanzen arg strapazierte. Kostspielig war insbesondere die Verpflichtung eines externen Projektleiters. Dieser Schritt war wegen der Komplexität des Unterfangens und der relativ heterogenen Ansprüche der Beteiligten nötig geworden. Dem Vorstand wurde dadurch bewusst, dass die organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen des Vereins für die nächste Etappe zu überdenken sind.
Aufgrund eines extern beauftragten Gutachtens konnten bereits erste Massnahmen umgesetzt werden. So wurde an der letzten Generalversammlung des Vereins Simap.ch beschlossen, die Mitgliederbeiträge per Anfang 2016 zu verdoppeln. Zudem konnte per Anfang Juni 2015 ein neuer Geschäftsführer, im Rahmen einer Vollzeitstelle, angestellt werden. Die übrigen organisatorischen Massnahmen werden nun unverzüglich an die Hand genommen. So wird ein neues Geschäftsreglement geschaffen, und gleichzeitig werden die Vereinsstatuten überarbeitet.
Problematische Vielfalt bei den Vergabeplattformen in der EU
In der Europäischen Union werden derzeit rund 10% aller Beschaffungen sogenannt vollelektronisch abgewickelt – das heisst, nebst den Angeboten werden auch die Offerten über eine digitale Plattform abgewickelt. Erschwerend wirkt, dass die einzelnen in der EU vorhandenen elektronischen Vergabeplattformen untereinander nicht kompatibel sind. Die Anbieter sind deshalb gezwungen, mit unterschiedlichen Systemen zu arbeiten.
Während allein in Deutschland geschätzte 40 Systeme im Einsatz sind, geht die EU-Kommission von europaweit über 300 Systemen aus. Aufgrund der nicht vorhandenen Standardisierung und der Notwendigkeit für Unternehmen, verschiedenste Lösungen zu erlernen, entstehen für alle Beteiligten hohe Prozesskosten.
Mit den neuen Richtlinien[4] will die EU die elektronische Vergabe in Zukunft stärker fördern. Daraus erhofft man sich niedrige Kosten für Vergabeverfahren. Laut den Richtlinien sollen die Übermittlung von Bekanntmachungen in elektronischer Form, die elektronische Verfügbarkeit der Auftragsunterlagen sowie eine ausschliessliche elektronische Kommunikation in allen Verfahrensstufen, einschliesslich der Übermittlung von Teilnahmeanträgen und insbesondere der Übermittlung der Angebote, verbindlich vorgeschrieben werden.
Die elektronische Verarbeitung sowie die Prüfung und Wertung (Evaluation) sind von den Vorschriften jedoch ausgenommen.
Die elektronische Vergabe wird in der EU bis im Frühjahr 2016 obligatorisch
Ab dem Frühjahr 2016 sind alle öffentlichen Auftraggeber der EU verpflichtet, die Richtlinien umzusetzen.[5] Ausnahmeregelungen sind bis spätestens Herbst 2018 vorgesehen.[6]Die für die elektronische Vergabe zu verwendenden Instrumente und Vorrichtungen sowie ihre technischen Merkmale müssen dabei nicht diskriminierend und allgemein verfügbar sein. Ein öffentlicher Auftraggeber darf die Beteiligung von Unternehmen an einem Vergabeverfahren nicht beschränken, indem er etwa verlangt, dass diese sich für die Einreichung der Angebote ein bestimmtes, nicht allgemein verfügbares Computerprogramm anschaffen. Idealerweise werden dafür öffentlich zugängliche Webplattformen eingesetzt.
Für die Übermittlung der Angebote ist die Möglichkeit des Einsatzes von elektronischen Signaturen vorgesehen. Die neuen Richtlinien stellen die Nutzung elektronischer Signaturen ins Ermessen der EU-Mitgliedstaaten. Damit Beschaffungsstellen in anderen EU-Mitgliedstaaten ausgestellte elektronische Signaturen leichter validieren können, sehen die neuen Richtlinien die obligatorische gegenseitige Anerkennung der auf einer Vertrauensliste registrierten Zertifikate vor. Die Validierungsmöglichkeiten müssen es den öffentlichen Auftraggebern erlauben, erhaltene elektronische Signaturen online, kostenlos und in einer verständlichen Weise zu validieren.
- Gatt- und WTO-Abkommen sowie das bilaterale Abkommen mit der EU. []
- Öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Organisationen, die in der Schweiz Tätigkeiten in den Bereichen der Wasser-, der Energie- und der Verkehrsversorgung sowie der Telekommunikation ausüben. []
- BöB, VöB und IVöB. []
- Richtlinien 2014/24/EU und 2014/25/EU, am 28. 3. 2014 im EU-Amtsblatt veröffentlicht. []
- Stichdatum ist der 18. 4. 2016. []
- EU-Mitgliedstaaten, die diese Richtlinien bis am 18. 4. 2016 in ihr jeweiliges Rechtssystem umsetzen müssen, können die Verpflichtung zur ausschliesslichen elektronischen Kommunikation mit Teilnehmern und Anbietern einschliesslich der elektronischen Übermittlung von Teilnahmeanträgen und Angeboten für zentrale Beschaffungsstellen bis zu ein Jahr (18. 4. 2017) und für alle übrigen Beschaffungsstellen bis zu weitere 18 Monate (18. 10. 2018) hinausschieben. []
Zitiervorschlag: Tanner, Markus (2015). Die Beschaffungsplattform Simap.ch hat sich etabliert. Die Volkswirtschaft, 24. Juni.
Mitglieder: Bund und sämtliche Kantone
Ziel des Vereins: Mit der Plattform Simap.ch sollen die Geschäftsbeziehungen zwischen den Vergabestellen, den Anbietern und der Öffentlichkeit gefördert werden und so die damit verbundenen Dienstleistungen wie Auskünfte, Beratung und Ausbildung sichergestellt werden.
Sitz: Bern
Anzahl Publikationen pro Jahr: 13‘000 (Ausschreibungen und Zuschläge)
Registrierte Anbieter: 31‘000
Registrierte Beschaffungsstellen: 3300
Online-Abonnenten: 6800
Stand Mai 2015
Die Datenbank E-Certis ist ein Informationssystem für Bescheinigungen und sonstige Nachweise, die bei Ausschreibungsverfahren in den 28 Mitgliedstaaten der EU sowie in weiteren Staaten (wie etwa den drei EWR-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen sowie der EU-Beitritts-Kandidatin Türkei) häufig verlangt werden. Die Schweiz wurde Mitte Mai von der EU-Kommission eingeladen, sich ebenfalls zu beteiligen. Europäische Unternehmen, die bei einer Ausschreibung im Ausland ein Angebot einreichen möchten, oder öffentliche Auftraggeber, die ein ausländisches Angebot prüfen müssen, können mithilfe von E-Certis besser nachvollziehen, welche Informationen im jeweiligen Ausland verlangt werden. Zudem ist durch E-Certis eine leichtere Vergleichbarkeit von Bescheinigungen und Nachweisen zwischen den Mitgliedstaaten möglich. Unterlagen können mithilfe des Systems auf ihre Gleichwertigkeit überprüft werden.