Valentin Vogt, Präsident Schweizerischer Arbeitgeberverband, Zürich
Kennen Sie persönlich ältere Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt Mühe bekunden?
Ich bin zurzeit selbst mit fünf Personen in Kontakt, welche mich um Unterstützung gebeten haben. Rund zehn Personen konnte ich in den letzten zwölf Monaten im Rahmen solcher Bemühungen bereits selber erfolgreich vermitteln. Ich kenne daher aus diesen Kontakten die Situation dieser Altersgruppe sehr gut.
Wie schätzen Sie / der Arbeitgeberverband die aktuelle Situation für die älteren Personen auf dem Arbeitsmarkt ein?
Der Schweizerische Arbeitgeberverband teilt die Einschätzungen des Seco und der Kantone, welche an der Nationalen Konferenz zum Thema «Ältere Arbeitnehmende» vorgenommen wurde:
Die Erwerbsquote von 74% bei den 55- bis 64-Jährigen zählt im internationalen Vergleich zu den höchsten. Die Arbeitslosenquote der über 50-Jährigen lag im Jahr 2014 bei 2,8 Prozent. Das sind 0,4 Prozentpunkte weniger als der schweizerische Durchschnitt. Werden ältere Personen aber arbeitslos, brauchen sie länger als andere, um wieder eine Stelle zu finden. Zudem gibt es aufgrund des Geschlechts, des Bildungsstandes, der Branchen und der Regionen deutliche Unterschiede.
Wo liegen Ihres Erachtens die Hauptprobleme?
Das Hauptproblem liegt in der Heterogenität dieser Arbeitnehmerkategorie: Jeder Fall ist anders. Dies erschwert die Problemanalyse und die Lösungsfindung gleichermassen. Eine Rolle spielen sicherlich die hohen Lohnerwartungen (Thema der «Senioritätsentlohnung») sowie nicht mit den Stellenprofilen übereinstimmende Qualifikationen («Mismatch»). Zudem müssen die im Verlauf des Berufslebens erworbenen Fähigkeiten stets dem gesellschaftlichen Wandel und der technischen Entwicklung angepasst werden.
Welche Lösungen sehen Sie?
Für eine gezielte Problembehandlung braucht es eine gute Datengrundlage. Darum könnte eine bessere Datenerfassung weiterhelfen. Auf dieser Basis könnten zielführendere Massnahmen erarbeitet werden, um die Situation der älteren Arbeitskräfte zu verbessern. Wichtig ist aber in jedem Fall, dass das «Matching» zwischen offenen Arbeitsstellen und Stellensuchenden ab 50+ weiter verbessert werden kann.
Was ist der konkrete Beitrag des Arbeitgeberverbands bzw. der Arbeitgeber, damit die Situation sich ändert?
Die Arbeitgeber anerkennen den wichtigen Beitrag, den die älteren Arbeitnehmenden für die Wirtschaft leisten, und sind im Rahmen des Fachkräftemangels und auch der sich abzeichnenden Zuwanderungsbegrenzung auf sie angewiesen. Gleichzeitig sollen Arbeitnehmende für Veränderungen offen sein: Es liegt auch an ihnen, ihre fachlichen und persönlichen Qualifikationen eigenverantwortlich weiterzuentwickeln und damit ihre Arbeitsmarktfähigkeit zu erhalten. Im Gegenzug unterstützen Arbeitgeber und öffentliche Hand ältere Arbeitskräfte im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten bei der Aus- und Weiterbildung. Ein anderer Ansatz ist die betriebsinterne «Standortbestimmung». Als weitere Massnahme setzen wir uns dafür ein, bei Stelleninseraten überall dort auf die Erwähnung des Lebensalters als Kriterium zu verzichten, wo dieses sachlich für die Stelle nicht notwendig ist.
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Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.
Zitiervorschlag: Vogt, Valentin (2015). «Ältere Arbeitnehmende sollten für Veränderungen offen sein». Die Volkswirtschaft, 24. Juni.