Suche

Abo

Bauverfahren können effizienter gestaltet werden

Eine im Auftrag des Seco durchgeführte Studie zeigt anhand von 13 Handlungsempfehlungen auf, wie Bau- und Planungsverfahren effizienter gestaltet werden können.
Schriftgrösse
100%

Eine steigende Regulierungsdichte in der Schweiz erschwert die Bauplanung. (Bild: Keystone)

Regulierungskosten bei Bauprojekten stehen regelmässig in der Kritik. Der Ruf nach effizienteren Verfahren und damit einer Senkung der Kosten hat in den vergangenen 20 Jahren zur Umsetzung zahlreicher Massnahmen beim Bund und in den Kantonen geführt, die eine Steigerung der Effizienz zum Ziel hatten. So wurden etwa Koordinations- und Konzentrationsmodelle erstellt und Ordnungsfristen erlassen. Trotzdem: Die Komplexität von 26 kantonalen Baugesetzgebungen und die Befürchtung, Bauprojekte würden durch Verfahren und Rekursmöglichkeiten unnötig behindert, sind nach wie vor Antrieb für zahlreiche politische Vorstösse und intensive Debatten.

Eine zunehmende Verdichtung sowie neue raumplanerische und bautechnische Rahmenbedingungen dürften die Zielkonflikte im Baubereich in Zukunft verstärken. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) beauftragte deshalb das Forschungs- und Beratungsunternehmen Econcept, dazu eine Studie durchzuführen. Das Ziel war es, die Effizienz der Verfahren zu untersuchen, Vergleiche zu ziehen und Handlungsempfehlungen zu formulieren.

Checkliste und Befragung


Mittels Literaturstudien und Expertengesprächen wurden in einem ersten Schritt Elemente identifiziert, welche ein effizientes Verfahren garantieren sollten. Aus diesen Elementen wurde anschliessend eine Good-Practice-Checkliste («Referenzmodell») erarbeitet und angewendet, um daraus Schlüsse zur Optimierung der Effizienz zu ziehen.

Aufgrund der Heterogenität der rechtlichen Rahmenbedingungen war es im Projektrahmen nicht möglich, eine schweizweit repräsentative Untersuchung der Verfahren durchzuführen. Um trotzdem ein möglichst breites Spektrum abdecken zu können, wurden 20 Gemeinden in 10 Kantonen[1] untersucht. In der Regel betraf dies die grösste Gemeinde eines Kantons sowie eine weitere Gemeinde mit rund 10‘000 Einwohnern. Nebst Recherchen in im Internet verfügbaren Dokumenten wurden mit allen Verwaltungseinheiten Telefoninterviews durchgeführt, um die Verfahren anhand der Good-Practice-Checkliste zu analysieren. Parallel dazu hat das Projektteam mit weiteren Experten gesprochen, um Möglichkeiten zur Optimierung der Verfahren zu erörtern.

Die Good-Practice-Checkliste enthält 36 Punkte. Tabelle 1 zeigt die untersuchten Themenbereiche sowie beispielhaft einige Fragen aus dem entsprechenden Themenbereich und den jeweiligen Anteil der befragten Verwaltungseinheiten, in welchen das Element bereits heute umgesetzt wird (Frage wurde mit «Ja» beantwortet).

Tabelle 1: Untersuchte Themenbereiche, Beispiele von überprüften Elementen sowie jeweiliger Anteil der positiven Antworten.
















Themenbereiche Fragestellungen (beispielhafte Auswahl) Umgesetzt in %
Baubewilligungsverfahren Gesetz sieht bewilligungsfreies Verfahren für Vorhaben vor, welche von untergeordneter Bedeutung sind. 70%
Gesetz sieht umgehende Vorprüfung der eingereichten Baugesuchunterlagen zu Beginn des Baubewilligungsverfahrens vor. 40%
Die Baubewilligungen sind mindestens drei Jahre gültig. 20%
Planungsverfahren im Zusammenhang mit Bauprojekten Es findet eine kantonale Vorprüfung statt, damit am Ende des Verfahrens keine wesentlichen Differenzen zu erwarten sind. 63%
Das Gesetz enthält Ordnungsfristen betreffend die Bearbeitung der Einwendungen und Einsprachen durch die Behörden. 50%
Kombination von Verfahren Es besteht die Möglichkeit, das Bauvorhaben bereits im Planungsverfahren so weit zu konkretisieren, dass alle relevanten Aspekte des Bauvorhabens behandelt werden. 90%
Rechtsmittelverfahren Es bestehen maximal zwei kantonale Instanzen. 90%
Organisation der Verfahren Die Unterlagen werden innerhalb der Behörden vollständig elektronisch verarbeitet. 20%
Regelmässige Information der Gesuchstellenden über den Stand der Arbeiten sowie über Einwendungen und Einsprachen. 80%
Information und Kommunikation Alle nötigen Formulare können im Internet heruntergeladen werden. 84%
Bereitstellung eines niederschwelligen Auskunfts- und Beratungsangebots für Baubewilligungen. 100%
Zusammenarbeit und Statistik Aktive Förderung der Zusammenarbeit zwischen Gemeinden durch den Kanton (z. B. finanzielle Anreize). 50%


Anmerkung: Wird ein Element überall umgesetzt, entspricht dies 100%.

Die Auswertung der Resultate ergibt ein heterogenes Bild. Viele Elemente eines guten Verfahrens sind bereits ganz oder teilweise umgesetzt – insbesondere in den Bereichen Information und Kommunikation sowie Kombination der Verfahren. Bei den Planungsverfahren sowie bei der Zusammenarbeit und der Statistik gibt es aber noch Optimierungsmöglichkeiten. Das gilt auch – weniger stark ausgeprägt – für die Baubewilligungsverfahren, die Rechtsmittel und die Organisation der Verfahren. Auch zeigten sich die Grenzen des Ansatzes: Aufgrund der Heterogenität der rechtlichen und organisatorischen Grundlagen lassen sich nur wenige allgemeingültige Elemente formulieren, welche ein gutes Verfahren ausmachen.

Neben der Analyse der Verfahren mit der Good-Practice-Checkliste wurden in einem zweiten Teil der Studie bei den Gemeindebehörden und Rekursinstanzen Daten zur Anzahl und Dauer der Baubewilligungs-, Planungs- und Rechtsmittelverfahren erhoben.[2] Im Projektverlauf hat sich jedoch klar gezeigt, dass Verfahrensdaten nicht systematisch ermittelt und aufbereitet werden und eine nachträgliche Aufarbeitung der Daten kaum möglich ist. Daher muss festgestellt werden: Die verfügbare Datengrundlage ist zurzeit nicht ausreichend, um auf Basis von statistisch fundierten Vergleichen Optimierungen der Verfahren initiieren zu können. Hier besteht klar Nachholbedarf.

Zusammenarbeit mit Behörden kann Effizienz stark beeinflussen


Im dritten Teil der Studie standen Grossprojekte (siehe Kasten) im Vordergrund. Mit der durchgeführten Befragung der Projektleiter von Grossprojekten (Baugesuchsteller) wurden mögliche Hindernisse auf dem Weg zur Baubewilligung identifiziert und gleichzeitig die wichtigsten Anliegen der Bauenden abgefragt. Ein besonderes Augenmerk lag dabei auf den finanziellen und zeitlichen Folgen von Einsprache-, Rekurs- und Beschwerdeverfahren

Dauer des Bewilligungsverfahrens bei Grossprojekten nach Kanton (2011 bis 2013, in %)




N=684 (AG=75, BE=111, GE=74, LU=60, SG=31, SO=7, UR=2; VD=89, ZG=26, ZH=209)

Quelle: Bauinfo-Center / Die Volkswirtschaft

Die Qualität und die Art der Zusammenarbeit mit den Behörden können die Effizienz der Bauverfahren stark beeinflussen. Davon ist die Hälfte der befragten Projektleiter überzeugt. Gemäss der Befragung hätte insbesondere der Kontakt mit den Behörden in vielen Fällen früher erfolgen sollen, und die Koordination zwischen den Ämtern hätte besser sein müssen. Ein grosser Teil der ausgewerteten Projekte musste bereits in der Vorprüfungsphase ergänzt oder überarbeitet werden. Auch wenn nur wenige der Befragten ein Verbesserungspotenzial bei den von ihnen eingereichten Unterlagen sehen, ist dies ein Hinweis dafür, dass Baugesuche teilweise nicht ausreichend vorbereitet waren.

Der Einbezug von betroffenen Dritten erfolgte bei den meisten Projekten, und zwar in einer frühen Phase des Bauvorhabens. Trotzdem kam es bei 43% der Projekte zu Einsprachen. Diese erfolgten in der überwiegenden Mehrheit durch einzelne Dritte. Die Einsprachen wurden jedoch in der Hälfte aller Fälle zurückgezogen, wohl teilweise auch aufgrund finanzieller oder materieller Abgeltungen.

Nur bei relativ wenigen (17%) Grossprojekten wurde ein Rechtsmittel ergriffen. Diese wirkten sich sehr unterschiedlich auf die Dauer der Verfahren aus (Verzögerung um wenige Wochen bis hin zu drei Jahren). Dem Bauverfahren vorgelagerte Planverfahren mussten bei knapp der Hälfte der Projekte durchgeführt werden. Bei etwas mehr als einem Drittel führte dies zu Projektverzögerungen, wobei die Verzögerung meist durch die Erarbeitung des Plans an sich und nur sehr selten durch Einsprachen, Einwendungen und Rechtsmittelverfahren zustande kam.

13 Handlungsempfehlungen zur Erhöhung der Effizienz


Bei der Beurteilung der Kosten der Verfahren lassen sich die indirekten und direkten Kosten relativ klar benennen. Dies ist beim Nutzen der Verfahren ungleich schwieriger und stärker von den gesellschaftlichen und persönlichen Präferenzen abhängig. Der Nutzen der Verfahren besteht in erster Line darin, dass die gesetzlich vorgegebenen und durch demokratische Prozesse legitimierten Gestaltungs- und Schutzziele eingehalten werden können. Die Frage nach der Effizienz der Verfahren (Vergleich von Kosten und Nutzen) ist somit nicht gleichzusetzen mit der Frage nach dem absolut kostengünstigsten Verfahren, sondern muss immer im Zusammenhang mit der Einhaltung der geltenden Gestaltungs- und Schutzziele beurteilt werden. Ein schnelles Verfahren kann nicht automatisch als effizient bezeichnet werden, da der Nutzen des Verfahrens gegebenenfalls ebenfalls kleiner wird.

Die durchgeführten Arbeiten haben Hinweise gegeben, wo im Bau- und Planungsverfahren punktuelle Verbesserungen möglich sind. Daraus konnten 13 konkrete Handlungsempfehlungen formuliert werden (siehe Tabelle 2).

Die erarbeitete Good-Practice-Checkliste kann den Verwaltungseinheiten als Leitfaden dienen, um die internen Abläufe zu verbessern. Ein systematisches Controlling der Verfahrensdauern, insbesondere über ein rigides und transparentes Reporting bezüglich der Einhaltung von zweckmässigen Ordnungsfristen, ist sehr wichtig, da so Effizienzprozesse in Gang gesetzt werden.

Elektronische Plattformen und Harmonisierung gefordert


Hinsichtlich der Bewilligungsverfahren lassen sich zwei grosse Baustellen identifizieren: die Harmonisierung der Verfahren und die Modernisierung der Verfahren durch Nutzung von elektronischen Plattformen. Mit Blick auf die steigenden Anforderungen durch die höhere Regelungsdichte und -komplexität stellt darüber hinaus die Sicherstellung der fachlichen Kompetenz in den sehr kleinen Gemeinden eine grosse Herausforderung dar, für die neue Strategien entwickelt werden müssen.

Im Gegensatz zu den Baubewilligungsverfahren sind die Planungsverfahren kein Massengeschäft. Nebst punktuellen Verbesserungen sind im Bereich der Planungsverfahren vor allem eine aktivere und kooperative Zusammenarbeit sowie die bessere gegenseitige Information von Bauenden, Behörden und Betroffenen zielführend.

Rechtsmittelverfahren verlängern die Zeit zwischen Gesucheingabe und Baubeginn stark und sind deshalb für die Betroffenen kostspielig.

Oft wird daher die Einschränkung der Legitimation zur Nutzung von Rechtsmitteln gefordert. Diese ist jedoch bundesrechtlich geregelt und durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung näher konkretisiert, was als Mindestvorgabe auch für die Kantone und Gemeinden gilt. Somit ist der aktuelle Handlungsspielraum auf kantonaler Ebene stark eingeschränkt. Schnelle Rechtsmittelverfahren sind wahrscheinlich das beste Mittel, um die Attraktivität von «mutwilligen» Rekursen zu reduzieren, ohne die durch die Verfassung geschützten Rechte einzuschränken.

Tabelle 2: Handlungsempfehlungen (Kurzversion)




















Handlungsfeld rechtliche Grundlagen

Klare Kriterien und Beispiele für vereinfachte Verfahren definieren

Die Kriterien, wann ein vereinfachtes Verfahren möglich ist, sind oft zu generell formuliert, sodass die Einordnung der Gesuche für Gesuchstellende und teilweise auch für die Verwaltung schwierig ist.

Überprüfung der Ordnungsfristen und Stärkung des Controllings

Ordnungsfristen unterscheiden sich stark in ihrer Länge. Ein systematisches Controlling der Einhaltung der Ordnungsfristen sowie die periodische Überprüfung der Länge der Ordnungsfristen sind notwendig.

Ordnungsfristen im Bereich der Planungsverfahren prüfen

Die Zweckmässigkeit von Ordnungsfristen im nicht durch politische Prozesse geprägten Teil der Planverfahren ist vertieft zu untersuchen, und die Einführung entsprechender Fristen ist zu prüfen.

Dauer der Gültigkeit von Baubewilligungen auf drei Jahre erhöhen

Eine generelle Erhöhung der Gültigkeitsdauer von Baubewilligungen auf drei Jahre würde Verlängerungsgesuche erübrigen und die Rechtssicherheit für Bauende erhöhen.

Harmonisierungsanstrengungen verstärken

Bezüglich der Harmonisierung ist zu prüfen, wie der eingeschlagene Weg über interkantonale Vereinbarungen durch zusätzliche Massnahmen unterstützt werden kann.

Handlungsfeld Rechtsmittel

Begrenzung auf maximal zwei kantonale Rekursinstanzen

Die meisten Kantone haben in den letzten Jahren die Anzahl kantonaler Rekursinstanzen auf maximal zwei reduziert und damit gute Erfahrungen gemacht.

Voraussetzungen für mehr Mündlichkeit in Rechtsmittelverfahren schaffen

Eine zweckmässigere Kombination von schriftlichen und mündlichen Elementen birgt Beschleunigungspotenzial.

Handlungsfeld Organisation und operative Umsetzung

Strategien für kleine und sehr kleine Verwaltungseinheiten entwickeln

Die Sicherstellung der fachlichen Kompetenz in sehr kleinen Gemeinden wird als grosse Herausforderung anerkannt. Mögliche Strategien sind: Auslagerung der Bauverwaltung, Zusammenschluss zu regionalen/überregionalen Bauverwaltungen, Delegation von Aufgaben an Private sowie die Fusion von Gemeinden.

E-Government-Plattformen einführen

E-Government-Plattformen können gleichzeitig verschiedene kritische Aspekte bei den Verfahren verbessern und Datengrundlagen schaffen. Bei der Einführung ist auf eine schweizweite Kompatibilität der Systeme zu achten.

Datengrundlagen und Transparenz verbessern

Um die Grundlagen für eine Optimierung der Verfahren zu schaffen und zugleich die Transparenz zwischen und innerhalb der Kantone zu erhöhen, muss die Datengrundlage systematisch verbessert werden, beispielsweise mit der Einführung von E-Government-Plattformen.

Handlungsfeld Kommunikation und Beratung

Beratungsleistungen verstärken

Die umfassende Beratung der Bauenden durch Behörden im Vorfeld der Verfahren sollte verstärkt werden, da diese entscheidend für die Qualität der Eingaben und damit letztlich für die Dauer der Verfahren ist.

Planungsverfahren aktiver und kooperativer gestalten

Bauende und Gemeinden müssen bemüht sein, Planverfahren aktiver und kooperativer zu gestalten, um so die gegenseitige Information aller Involvierten zu verbessern (z.B. mittels partizipativer Prozesse).

Mediations- und Einigungsverfahren besser verankern

Den Behörden soll durch Verankerung von Mediations- und Einigungsverfahren eine formellere Mittlerrolle zwischen Bauenden und Dritten zukommen.

Herausforderungen sollten breiter angegangen werden


Aufgrund der durchgeführten Untersuchungen hat sich letztlich auch gezeigt, dass eine auf Effizienzsteigerung bei den Verfahren reduzierte Optik nur von beschränkter Wirkung ist. Materielle Aspekte, insbesondere die steigende Regulierungsdichte und -komplexität sowie die Frage nach der optimalen Bearbeitungstiefe und der klareren Ausgestaltung der Rechtsgrundlagen, müssen in Zukunft verstärkt angegangen werden. Instrumente zur Ausgestaltung einer guten Regulierung (Regulierungsfolgeabschätzungen, risikobasierte Regulierung und standardisierte Evaluationen) sind deshalb im baurechtlichen Bereich noch besser zu verankern. So können Regelungen mit negativen Kosten-Nutzen-Verhältnissen mindestens teilweise verhindert werden.

  1. AG, BE, GE, LU, SG, SO, UR, VD, ZG, ZH []
  2. Vgl. Seco / Econcept (2015), Studie ist unter www.seco.admin.ch abrufbar. []

Zitiervorschlag: von Grünigen, Stefan; Ott, Walter; Schlegel, Tobias (2015). Bauverfahren können effizienter gestaltet werden. Die Volkswirtschaft, 24. Juni.

Befragung und Grossprojekte

Als Grossprojekte gelten im Rahmen dieser Studie alle Hochbauprojekte mit Baukosten von mindestens 20 Millionen Franken. Der Betrachtungszeitraum umfasst die Jahre 2011 bis 2013 und insgesamt 684 Projekte. Es gingen Antworten zu 108 Projekten ein. (Für Detailresultate siehe Seco / Econcept 2015.)