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Swissmem beurteilt den Vorschlag für eine Totalrevision des Bundesgesetzes sowie der Verordnung über das öffentliche Beschaffungswesen insgesamt als positiv. Dies gilt vor allem für die beabsichtigte Angleichung des Beschaffungsrechts von Bund und Kantonen. Dennoch gibt es Verbesserungspotenzial.
Peter Dietrich, Der Direktor des Branchenverbands der schweizerischen Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem

Standpunkt

Für viele Mitgliedfirmen des Dachverbands der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem gehört die Bewerbung um öffentliche Aufträge zum täglichen Geschäft. Sie offerieren schweizweit bei Ausschreibungen von Spitalausrüstungen, Rollmaterial des öffentlichen Verkehrs, Flughafeninfrastruktur, Energieerzeugungsanlagen und vielem mehr. Nebst der Anpassung der Vorlagen an das revidierte WTO-Abkommen begrüsst die Industrie deshalb, dass das Beschaffungsrecht von Bund und Kantonen angeglichen werden soll. Damit wird eine langjährige Forderung der Industrie zu einem wesentlichen Teil aufgenommen.

Diese Angleichung schafft mehr Rechtssicherheit und reduziert für die Anbieter Kosten sowie Zeitaufwand. Dies dürfte die Unternehmen motivieren, künftig vermehrt an Beschaffungsverfahren ausserhalb ihres Ursprungskantons teilzunehmen. Die Kantone erhalten dadurch mehr Angebote, was letztlich den Wettbewerb fördert. Leider hat die Schweiz bisher den Mut nicht aufgebracht, das Beschaffungsrecht komplett zu vereinheitlichen.

Möglichst wenig freihändige Beschaffungen

Die Missstände im Informatikprojekt «Insieme» der Eidgenössischen Steuerverwaltung zeigen deutlich: Es dürfen zugunsten der öffentlichen Hand nicht nur kompetitive – durch den harten Wettbewerb zwischen den Anbietern bestimmte – Konditionen eine Rolle spielen. Auch Transparenz, Gleichbehandlung und Fairness zugunsten der anbietenden Unternehmen sollten unabdingbare Voraussetzungen für Beschaffungsvorhaben darstellen.

Swissmem bedauert insbesondere, dass in der Vorlage die Lehren aus «Insieme» nicht gezogen worden sind: So ist der Katalog der Ausnahmen besonders lang, bei welchen eine freihändige Vergabe auch über dem Schwellenwert stattfinden kann. Ins Auge stechen die Folgebeschaffungen[1], welche Tür und Tor für die Umgehung der grundsätzlichen Ausschreibungspflicht öffnen können. Swissmem plädiert deshalb dafür, dass öffentliche Ausschreibungen möglichst ausnahmslos angewendet werden. Die genannten Ausnahmen müssen dringend gekürzt und an einschränkende Voraussetzungen geknüpft werden. Auch die zwingende Veröffentlichung der Schlussrechnung der Beschaffung könnte als Kontrollelement dienen.

Der Entwurf trägt zudem der Beschaffung von komplexen technischen Systemen und Produkten zu wenig Rechnung. Zwar werden die Verfahren durch Instrumente, wie etwa Verhandlungen über Leistungen oder Varianten, flexibilisiert. Weil diese Instrumente aber als Kann-Vorschriften ausgestaltet sind beziehungsweise durch die Beschaffungsstellen ausgeschlossen werden können, dürften sie in der Praxis kaum an Bedeutung gewinnen. Für die Beschaffung von komplexen Techniksystemen wäre es daher zweckmässig, wie in der EU den sogenannten Dialog als eigenständiges Verfahren einzuführen, welches grundsätzlich kostenpflichtig ist.

Begegnung «auf Augenhöhe» nötig

In Zusammenhang mit dem Beschaffungswesen wird zu Recht der Wettbewerb unter den Anbietern betont. In Vergessenheit gerät jeweils, dass ein fairer Wettbewerb auch die Begegnung von Beschaffungsstellen und Anbietern «auf Augenhöhe» voraussetzt. Dies ist aber bei einem sogenannten Nachfragemonopol nicht der Fall: Die Anbieter sind in solchen Situationen von einem Abnehmer abhängig, weil sie nicht auf andere Kunden ausweichen können.

Die Nachfragemacht der öffentlichen Hand zeigt sich vor allem in erzwungenen und unangemessenen Einkaufsbedingungen. Die anbietenden Unternehmen sind oft mit der Situation konfrontiert, dass Beschaffungsverträge nur in sehr geringem Masse verhandelt werden können – wenn überhaupt. Eine mögliche Lösung sehen wir in einer grundsätzlichen und gesetzlich festgehaltenen Verhandelbarkeit vorgeschlagener Geschäftsbedingungen, wie dies in einem Markt mit funktionierendem Nachfragewettbewerb üblich ist.

  1. Art. 23 Abs. 2 lit. 3 VE-BöB. []

Zitiervorschlag: Peter Dietrich (2015). Standpunkt: Ein grosser Schritt in die richtige Richtung. Die Volkswirtschaft, 24. Juni.