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Ältere im Arbeitsmarkt – wie gut sind sie integriert?

Die Arbeitsmarktbeteiligung von älteren Personen ist in der Schweiz im internationalen Vergleich hoch und konnte in den letzten Jahren sogar noch ausgebaut werden. Trotzdem bekunden ältere Stellensuchende häufig Mühe, wieder eine Stelle zu finden. Hier besteht noch ein Potenzial für Verbesserungen.
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Ein Arbeiter montiert Bauteile in einer Fabrik. Die Erwerbslosenquote der 55- bis 64-Jährigen liegt in der Schweiz bei rund 3 Prozent. (Bild: Fotolia)

Punkto Integration von älteren Personen im Arbeitsmarkt befindet sich die Schweiz im internationalen Vergleich in einer guten Ausgangslage. In einem Quervergleich mit OECD-Staaten weist die Schweiz bei den 55- bis 64-Jährigen mit 71% eine der höchsten Erwerbstätigenquoten auf. Nur Norwegen und Schweden erreichen leicht höhere Werte. Die Erwerbsbeteiligung von älteren Personen konnte in den letzten beiden Jahrzehnten in der Schweiz stark ausgebaut werden. Vor 20 Jahren lag die Erwerbstätigenquote in dieser Altersgruppe noch bei 62%.

Frauen arbeiten vermehrt


Praktisch der gesamte Anstieg der letzten 20 Jahre ging auf das Konto der Frauen: Deren Erwerbstätigenquote stieg zwischen 1994 und 2014 von 47% auf 63%. Ausschlaggebend für die steigende Erwerbsbeteiligung war einerseits die schrittweise Erhöhung des ordentlichen Pensionsalters. Zusätzlich ist die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen in allen Altersgruppen – etwa als Folge eines höheren Qualifikationsniveaus – angestiegen. Anders bei den Männern: In den 1990er-Jahren setzte dort – unter anderem aufgrund der langen wirtschaftlichen Stagnationsphase – ein deutlicher Trend zu mehr Frühpensionierungen ein. Dieser konnte in den letzten Jahren gestoppt und sogar leicht gedreht werden, sodass die Erwerbstätigenquote von 55- bis 64-jährigen Männern 2014 mit 79% wieder um einen Prozentpunkt höher zu liegen kam als 1994.

Mehrere Faktoren sind für die Abnahme der Frühpensionierungen und für den Anstieg der Erwerbsbeteiligung von 55- bis 64-Jährigen verantwortlich. Einerseits wurden staatliche Anreize zum vorzeitigen Verlassen des Arbeitsmarktes in den Vorsorgewerken abgebaut.[1] Gleichzeitig wurde der Spielraum zur Finanzierung von Frühpensionierungen in der zweiten Säule über die letzten Jahre stetig enger. Auch versteckte Frühpensionierungen über die Invaliden- oder die Arbeitslosenversicherung wurden tendenziell eingeschränkt. Darüber hinaus haben das steigende Qualifikationsniveau und die wachsende Abhängigkeit der Unternehmen von Fachkräften zu einer höheren Erwerbsbeteiligung beigetragen.

Ähnliche Entwicklungen sind auch in anderen Ländern zu beobachten. Besonders bemerkenswert ist etwa auch, dass – im Unterschied zu früheren Rezessionen – ältere Arbeitnehmende in der grossen Wirtschaftskrise von 2009 in den meisten Ländern nicht überdurchschnittlich vom Stellenabbau betroffen waren.[2]

Jeder Fünfte im Alter von 65 bis 69 Jahren ist noch erwerbstätig


Das Reformprojekt des Bundesrates zur Altersvorsorge 2020 zielt mit der Einführung des Referenzalters auch darauf ab, die Anreize für einen Verbleib im Arbeitsmarkt ab 65 zu stärken. Wo steht die Schweiz diesbezüglich heute?

Die Erwerbstätigenquote von Personen im Alter von 65 bis 69 Jahren lag in der Schweiz 2013 bei 21% und damit leicht unter dem OECD-Durchschnitt von 24%. Innerhalb Europas wies die Schweiz hinter Norwegen jedoch die zweithöchste Arbeitsmarktbeteiligung der OECD-Staaten auf. Ausserhalb Europas waren die Quoten in dieser Alterskategorie etwa in Neuseeland, in Japan, in den USA, in Australien und in Kanada höher.

Die bevorzugte Form der Arbeit nach der Pensionierung ist – sowohl für Frauen wie auch für Männer – die Teilzeitarbeit. Der Beschäftigungsgrad sinkt mit Erreichen des Pensionsalters bei jenen, die erwerbstätig bleiben, deutlich auf unter 50%.

Altersvorsorge ermöglicht Rückzug vom Arbeitsmarkt


Wie ist dieser markante Abfall der Erwerbsbeteiligung nach Erreichen des offiziellen Pensionsalters zu deuten und zu bewerten? Nach unserer Auffassung dürfte er am ehesten Ausdruck des gut ausgebauten Systems der Altersvorsorge sein, welche heute breiten Schichten eine vollständige Aufgabe der Erwerbstätigkeit im Pensionsalter finanziell ermöglicht.

Die vergleichsweise hohe und in den letzten Jahren wieder steigende Arbeitsmarktbeteiligung bis ins Pensionsalter spricht eher gegen die These, wonach der Altersrücktritt im offiziellen Rentenalter durch gesundheitliche Probleme oder eine fehlende Arbeitsmarktfähigkeit quasi erzwungen werde. Natürlich sollte man sich diesbezüglich vor zu allgemeinen Aussagen hüten, da sich die Situation individuell oder etwa auch je nach Berufsgruppe deutlich unterscheidet.

Positiv ausgedrückt dürfte jedoch bei einem bedeutenden Teil der älteren Personen auch nach Erreichen des Pensionsalters noch ein Arbeitskräftepotenzial liegen, das sich mit geeigneten Anreizen und angepassten Arbeitsbedingungen unter Umständen noch besser nutzen liesse. Trotz relativ tiefer Erwerbsbeteiligung und niedrigem Beschäftigungsgrad gewinnt die Erwerbstätigkeit von Personen im Pensionsalter zudem über die Zeit an Bedeutung, da die betreffende Altersgruppe noch weiterwachsen wird.

Erwerbslosenquoten von Älteren liegen unter dem Durchschnitt


Die Erwerbslosigkeit von älteren Personen ist in den letzten Jahren vermehrt zu einem öffentlichen Thema geworden. Vermutlich dürfte dabei auch die wachsende Konkurrenz durch jüngere, gut qualifizierte Zuwanderer die Diskussion befeuert haben.

Unter diesen Vorzeichen mag es erstaunen, dass die Erwerbslosenquote von Personen im Alter von 55 bis 64 Jahren in der Schweiz mit 3,0 Prozent sowohl relativ zur Gruppe der 25- bis 54-Jährigen (4,1%) als auch im internationalen Quervergleich sehr tief liegt.[3] In der OECD weist nur Norwegen einen noch tieferen Wert aus. Auch über die Zeit ist keine relative Verschlechterung der Situation von älteren Personen bei der Erwerbslosigkeit festzustellen: Lag die Erwerbslosenquote der 55- bis 64-Jährigen über die Jahre 1991 bis 2002 noch um 0,5 Prozentpunkte unter dem Gesamtwert, so lag sie zwischen 2003 und 2014 im Durchschnitt um 1,0 Prozentpunkte darunter (siehe Abbildung 1).

Abb.1: Erwerbslosenquote 55- bis 64-Jährige und Total (1991 bis 2014)

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Quelle: BFS, SAKE (jeweils 2. Quartal); Quoten gemäss ILO / Die Volkswirtschaft

Tatsächlich dürfte die Sorge der älteren Erwerbslosen also eher damit zusammenhängen, dass die Chancen zur Wiedereingliederung für ältere Stellensuchende deutlich schlechter sind als für jüngere. 2014 lag der Anteil an Langzeiterwerbslosen bei den 55- bis 64-jährigen Personen bei 54%, gegenüber 43% bei den 40- bis 54- und 33% bei den 25- bis 39-Jährigen.

Wachsende Zahl älterer Stellensuchender


Trotz konstant unterdurchschnittlicher Erwerbslosenquoten[4] gewinnen die älteren Stellensuchenden bei den Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) zahlenmässig an Bedeutung. Zum einen hängt dies damit zusammen, dass die Bevölkerungsgruppe der über 50-Jährigen demografiebedingt wächst. Zum Zweiten bleiben ältere Stellensuchende im Durchschnitt auch länger bei den RAV eingeschrieben. Dies wiederum hat einerseits mit den grösseren Schwierigkeiten der Reintegration und andererseits mit einer höheren maximalen Bezugsdauer für Arbeitslosenentschädigung zu tun.

Beide Faktoren implizieren, dass die älteren Stellensuchenden für die RAV eine Gruppe von besonderem Interesse darstellen. Die Fokussierung der RAV auf die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit ist ein weiterer Grund, warum die älteren Stellensuchenden für die Vermittlungszentren eine besonders wichtige Zielgruppe darstellen. Dies hat auch dazu geführt, dass einzelne Kantone wie etwa der Aargau oder St. Gallen besondere Programme und Massnahmen zugunsten älterer Stellensuchender initiiert haben.

Kein erhöhtes Entlassungsrisiko


Häufig wird auch befürchtet, ältere Arbeitnehmende könnten – etwa aufgrund der höheren Lohnkosten – besonders häufig von Entlassungen betroffen sein. Wie eine Sonderauswertung der jährlichen Arbeitskräfteerhebung (Sake) des Bundesamtes für Statistik zeigt, lässt sich die Befürchtung einer erhöhten Entlassungswahrscheinlichkeit statistisch für die letzten Jahre nicht erhärten.

Wie in Abbildung 2 ersichtlich ist, waren von 2010 bis 2013 pro Jahr durchschnittlich rund 1,9% der 55- bis 64-jährigen Erwerbstätigen von einer Entlassung betroffen. Bei den 40- bis 54-Jährigen waren es 2,5% und bei den 25- bis 39-Jährigen 2,9%. Bei älteren Erwerbstätigen liefen befristete Arbeitsverträge zudem seltener aus. Hingegen schieden sie häufiger als die jüngeren Personen infolge Krankheit, Unfall oder Invalidität aus einem Arbeitsverhältnis aus.

Abb. 2: Gründe für unfreiwilligen Abgang aus der Erwerbstätigkeit in den zwölf Monaten vor der Befragung nach Altersklassen

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Quelle: BFS, SAKE, Berechnungen Weber / Die Volkswirtschaft

Anmerkung: in Prozent der Erwerbstätigen; Durchschnitt der Jahre 2010 bis 2013.

Über alles gesehen waren ältere Erwerbstätige seltener von unfreiwilligen Auflösungen des Erwerbsverhältnisses betroffen als jüngere Erwerbstätige. Angesichts dieser Befunde scheint es nicht zielführend, die Situation dieser Gruppe durch altersspezifische Kündigungsschutzbestimmungen verbessern zu wollen. Solche Bestimmungen könnten im Gegenteil zu einer zusätzlichen Hürde bei der Einstellung von älteren Personen werden.

  1. Vgl. Aeberhardt, Werner (2008). Massnahmen zugunsten älterer Arbeitnehmender – Stand der Umsetzung, in: Die Volkswirtschaft, 1/2-2008, S. 58–60. []
  2. Vgl. OECD (2013). All in It Together? The Experience of Different Labour Market Groups Following the Crisis, Employment Outlook 2013 – Chapter 1, OECD, Paris. []
  3. Zur Einschätzung der Arbeitsmarktsituation verschiedener Altersgruppen ist es sinnvoll, die Erwerbslosenzahlen nach der Definition der ILO zu verwenden. Sie beinhalten alle erwerbslosen Personen – unabhängig davon, ob sie beim RAV eingeschrieben sind und/oder ob sie Leistungen von der ALV beziehen. []
  4. Anhand der Zahlen des Seco zu den registrierten Arbeitslosen kommt man für die relative Entwicklung der älteren Personen zu kongruenten Einschätzungen. []

Zitiervorschlag: Weber, Bernhard (2015). Ältere im Arbeitsmarkt – wie gut sind sie integriert? Die Volkswirtschaft, 24. Juni.

Studien zu Alterung und Beschäftigungspolitik

Der vorliegende Artikel baut auf einer Studie auf, welche die OECD im Auftrag des Staatssekretariats für Wirtschaft (Seco) und des Bundesamts für Sozialversicherungen (BSV) 2014 verfasst und veröffentlicht hat.a Die wichtigsten Erkenntnisse der OECD werden im vorliegenden Beitrag nochmals kurz aufgenommen und um zusätzliche Auswertungen ergänzt.b Vertieft behandelt werden einerseits Stand und Entwicklung der Arbeitsmarktbeteiligung von älteren Personen und andererseits deren Situation bezogen auf unfreiwillige Erwerbslosigkeit. Die Analysen wurden an der ersten Nationalen Konferenz zum Thema «Ältere Arbeitnehmende» am 27. April 2015 präsentiert. a Vgl. OECD (2014). Alterung und Beschäftigungspolitik: Schweiz – Bessere Arbeit im Alter, OECD, Paris. Deutsche Fassung BSV (Hrsg.), Bern. Für eine Zusammenfassung vgl. Düll, Nicola & Anne Sonnet (2014). Erwerbstätigkeit ab 55 Jahren: Die Schweiz könnte es besser machen, in: Die Volkswirtschaft, 11-2014, S. 49–52. b Für vollständige Auswertungen vgl. Seco (2015). Indikatoren zur Situation älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf dem Schweizer Arbeitsmarkt, Grundlagen für die nationale Konferenz vom 27. April 2015, Bern.