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Das Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China war in der Gewerkschaftswelt im Vorfeld umstritten. Mit der Integration gewisser Sozialstandards als Minimalerfordernis hat das Vertragswerk seither eine breitere Akzeptanz gefunden. Nun fangen diese Mechanismen an, in der Praxis zu greifen.
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Luca Cirigliano, Dr. iur., Zentralsekretär, Schweizerischer Gewerkschaftsbund (SGB), Bern

Die langjährige Forderung der internationalen Arbeitsorganisation (ILO), Sozialstandards in Freihandelsabkommen zu integrieren, findet zusehends Gehör. Während vor 25 Jahren weltweit noch in keinem einzigen Freihandelsabkommen solche Sozialstandards enthalten waren, fanden sich solche Klauseln im Jahr 2014 immerhin in 69 Verträgen.[1] Damit verpflichten sich die Vertragspartner, völkerrechtliche Arbeitsrechtsnormen einzuhalten, wie sie vorrangig in den einschlägigen ILO-Übereinkommen und Empfehlungen vereinbart worden sind.

Voraussetzung für diese erfreuliche Entwicklung war die Definition verbindlicher Parameter für eine «faire Globalisierung», wie sie die ILO 2004 mit der Einsetzung der Weltkommission für die soziale Dimension der Globalisierung gesetzt hat.[2]

Im Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und China konnten die ILO-Kernarbeitsnormen verankert werden, indem auf ein Memorandum of Understanding zur Zusammenarbeit in Arbeits- und Beschäftigungsfragen von 2011 verwiesen wird. Ziel ist es, durch den Austausch von Informationen menschenwürdige Arbeit zu fördern. Instrumente dafür sind etwa Arbeitsinspektionen, Massnahmen zur Förderung von Arbeitssicherheit und Gesundheit sowie Prävention am Arbeitsplatz. Als Mittel für diesen Austausch sieht das Abkommen insbesondere Projekte der technischen Zusammenarbeit und den Erfahrungsaustausch vor – etwa im Rahmen gegenseitiger Besuche.

Ein Beispiel ist das sogenannte Score-Projekt[3], welches von der ILO – unter Mitwirkung der Schweiz – entwickelt wurde: Mithilfe von speziellen Schulungen sollen chinesische KMU in Schulungen dazu gebracht werden, fundamentale Arbeitsnormen zu respektieren und menschenwürdige Arbeitsbedingungen anzubieten.

Mitwirkung der Arbeiter noch ungenügend

Der Besuch dieser von der ILO durchgeführten Projekte vor Ort in China durch eine tripartite Delegation[4], in der auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) vertreten war, zeigt die Chancen und Grenzen eines solchen Instrumentariums: Während die Unfallverhütung und der Gesundheitsschutz dadurch eindeutig optimiert wurden, konnte die Mitwirkung der Arbeitnehmenden in den Betrieben nicht immer verbessert werden.

Dies ist sowohl konzeptionellen Schwächen der einschlägigen Score-Module wie auch der allgemeinen politischen Situation in China geschuldet. Hier wäre deshalb von der ILO zu erwarten, dass die entsprechenden Schulungen verbessert werden. Dies muss primär erreicht werden, indem die demokratische Mitwirkung der Arbeitnehmenden in allen Modulen gestärkt wird. Erst diese Mitwirkung ist nämlich Voraussetzung und Garantin für eine nachhaltige Verbesserung des Qualitätsmanagements in der Produktion und somit auch für Fortschritte in der Unfallverhütung, bei der Arbeitssicherheit und dem Gesundheitsschutz.

Der diesjährige, vom Seco organisierte, tripartite Besuch stellt eine begrüssenswerte Form dar, das Freihandelsabkommen möglichst sinnvoll zu konkretisieren und zu einer Verbesserung der Bedingungen der chinesischen Arbeitnehmenden beizutragen. Es ist zu hoffen, dass ein Austausch in dieser Form auch in Zukunft regelmässig stattfinden wird. Der SGB jedenfalls wird weiterhin seinen Beitrag dazu leisten und dieses und andere Abkommen kritisch beobachten und begleiten.

  1. Franz Ebert et al., Social Dimensions of Free Trade Agreements, Genf 2015. []
  2. Vgl. dazu ILO, Eine Faire Globalisierung – Chancen für alle schaffen, Genf 2004. []
  3. Sustaining Competitive and Responsible Enterprises (Score). Vgl. Artikel von Valérie Berset Bircher und Karin Federer in dieser Ausgabe. []
  4. Bestehend aus den Sozialpartnern und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). []

Zitiervorschlag: Cirigliano, Luca (2015). Faire Globalisierung braucht arbeitsrechtliche Mindeststandards. Die Volkswirtschaft, 24. September.