Belinda Walther, Leiterin Public Affairs, Schweizerischer Versicherungsverband (SVV), Zürich
Ausgelöst durch die Finanzkrise, scheinen Regulierungen einem Zeitgeist zu entsprechen. Diese stark wachsenden, teilweise unkoordinierten Vorschriften beeinträchtigen die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Somit erstaunt es nicht: Weltweit steht die Regulierung zuoberst auf dem Sorgenbarometer der Unternehmen. Auch nach der Finanzkrise ist nicht mehr, sondern wirksamere Regulierung gefragt.
Der Versicherungssektor gehört zu den am stärksten regulierten Wirtschaftsbereichen. Der Schutz der Kunden sowie die Sicherstellung eines funktionierenden Versicherungsmarkts stehen dabei im Zentrum. Das ist unbestritten. Regulierung soll aber nicht einzig maximale Sicherheit bezwecken, sondern muss auch sorgfältig zwischen Nutzen und Kosten abwägen.
Weniger ist oft mehr
Der Versicherungsverband unterstützt sinnvolle Regulierung. Der Nutzen der Regulierung wird von den befragten Versicherern durchaus anerkannt, wie eine Studie der Universität St. Gallen zeigt, welche im Auftrag des Schweizerischen Versicherungsverbandes (SVV) Auswirkungen von Regulierungen im deutschsprachigen Raum untersuchte[1]. Allerdings kritisieren die Versicherer eine Zunahme des Umfangs, der Komplexität und der Kosten seit der Finanzkrise. So sei der Kunde zwar gut geschützt, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie aber häufig infrage gestellt.
Die Studie benennt drei Handlungsoptionen für eine sachgerechte Regulierung:
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- Komplexität reduzieren. Je einfacher die Regulierung, desto verständlicher, transparenter und effektiver ist sie. Dabei ist eine prinzipienbasierte Regulierung die wirksamste Form.
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- Wettbewerbsfähigkeit beachten. Die Regulierung beeinflusst die Funktionsfähigkeit der Märkte. Hier gilt: «Same business, same risk, same regulation».
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- Effizienz fördern. Kosten und Nutzen einer möglichen Regulierung sollten frühzeitig unter Einbezug von Marktteilnehmern und Wissenschaft thematisiert werden. Zudem muss eine standardisierte Regulierungsfolgenabschätzung konsequent angewendet werden.
«Quality-Check» der Versicherer
Die rechtlichen Grundlagen der Regulierungsfolgeabschätzung (RFA) in der Schweiz finden sich zwar sowohl auf Verfassungs- als auch auf Gesetzesebene und stützen sich auf Empfehlungen der OECD. Trotzdem erfolgt die RFA erst spät im Regulierungsprozess, und meistens liegt der entsprechende Gesetzesentwurf bereits vor. Auch sind Methode, Umfang und Qualität häufig unterschiedlich. Es braucht deshalb einen institutionalisierten Dialog zwischen Behörden, Marktteilnehmern und Wissenschaft. In diesen Gesprächen muss der Regulierungsbedarf geklärt werden – wobei eine mögliche Selbstregulierung sowie die Folgen bei einem Verzicht auf weitere Eingriffe berücksichtigt werden müssen.
Die Versicherungsbranche hat in diesem Sinne eine Checkliste zur Regulierung entwickelt. Mit gezielten Fragen können Versicherer – oder andere Branchen – mit dem sogenannten Regulierungs-Quality-Check eine erste Kosten-Nutzen-Analyse erstellen.[2] So werden etwa der administrative Aufwand oder mögliche Alternativen erhoben. Die gewichteten Antworten erlauben die Einordnung eines neuen Regulierungsvorhabens und die Beurteilung aus Sicht der Wirtschaft. Das ermöglicht objektive Aussagen, die in den weiteren Regulierungsprozess einfliessen können.
- Martin Eling und Simone Kilgus, Wirksamkeit und Effizienz der Regulierung in der deutschsprachigen Assekuranz – Eine juristische und ökonomische Analyse; Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen, 2014. []
- Die Checkliste basiert auf dem OECD-Anforderungskatalog an Regulierung «The OECD Reference Checklist for Regulatory Decision-Making». []
Zitiervorschlag: Walther Weger, Belinda (2015). Einfache Vorschriften erhöhen die Wettbewerbsfähigkeit. Die Volkswirtschaft, 24. September.