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Staat profitiert von gemeinnützigem Wohnungsbau

Die steigenden Mieten haben in der Schweiz eine Debatte über bezahlbaren Wohnraum ausgelöst. Um diese Preisspirale nachhaltig zu brechen, muss der Staat den gemeinnützigen Wohnungsbau stärker unterstützen.
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Wohnungen gemeinnütziger Bauträger sind im Durchschnitt günstiger als die übrigen Mietwohnungen. Genossenschaftssiedlung Kalkbreite in Zürich. (Bild: Keystone)

Die Schweiz gehört laut dem Bundesamt für Wohnungswesen zu den Ländern mit einer sehr guten Versorgung mit Wohnraum.[1] Dafür sorgt in erster Linie die Privatwirtschaft. Unterstützend tragen Bund, Kantone und Gemeinden dazu bei, dass qualitativ guter und bezahlbarer Wohnraum für die ganze Bevölkerung geschaffen werden kann.

Diese Selbstverständlichkeit ist gefährdet. Seit der Jahrtausendwende sind die Mieten in der Schweiz konstant gestiegen. Die Angebotsmieten, welche das Preisniveau der aktuell auf dem Markt angebotenen Mietwohnungen widerspiegeln, haben sich gemäss dem Immobilienberatungsbüro Wüest & Partner in den letzten 15 Jahren durchschnittlich mehr als verdoppelt.

Der Trend hat eine öffentliche Diskussion zur finanziellen Tragbarkeit von Wohnraum ausgelöst – nicht nur für Haushalte mit geringem Einkommen, sondern auch für den Mittelstand. Einerseits haben politische Vorstösse vielerorts zum Ziel, mehr preisgünstigen Wohnraum zu schaffen. Andererseits fordern bürgerliche Politiker oder etwa der Hauseigentümerverband in letzter Zeit vermehrt einen «Systemwechsel» von der sogenannten Objekt- zur Subjekthilfe.[2] Mit anderen Worten: Statt beim preisgünstigen Wohnungsbau soll die staatliche Hilfe bei den Mieten ansetzen (siehe Kasten).

Von einem Systemwechsel kann allerdings keineswegs gesprochen werden. Im Gegenteil: Im Jahr 2013 überstiegen die Ausgaben für Subjekthilfen jene für Objekthilfen um mehr als das Zwanzigfache. Angesichts dieser Diskrepanz wird im Folgenden dargelegt, warum Objekthilfen aus ökonomischer Sicht gestärkt werden müssen.

Mietzinszuschüsse treiben Preise hoch


Die Vorteile der Subjekthilfe sind ihre Treffsicherheit und der allgemeine Rechtsanspruch: Die finanziellen Zuschüsse können gezielt all jenen Haushalten ausbezahlt werden, die anspruchsberechtigt sind. Zudem kann die Subjekthilfe – bei regelmässiger Überprüfung – an sich verändernde Einkommen oder Haushaltsgrössen angepasst werden.

Doch die Subjekthilfe hat unerwünschte Wirkungen. Insbesondere steigert die höhere Zahlungsbereitschaft der Empfänger die Nachfrage nach Wohnraum. Da das Wohnungsangebot in der Schweiz jedoch relativ fix ist, führen Subjekthilfen primär zu Preissteigerungen. Mittel- und langfristig müsste man zwar davon ausgehen, dass sich das Wohnungsangebot wegen der besseren Renditeaussichten ausweitet und die Preise wieder sinken. Doch fehlendes Bauland und strenge Bauvorschriften machen es zumindest in den Städten schwierig, das Angebot zu vergrössern. In Genf, Lausanne, Zürich, Basel oder Bern bewegt sich die Leerwohnungsziffer seit Jahren deutlich unter einem Prozent. Diese Zahlen illustrieren: Auch bei guten Renditeaussichten werden relativ wenige Wohnungen gebaut.

Die Auswirkungen von Subjekthilfen auf das allgemeine Mietpreisniveau sind wissenschaftlich mehrfach untersucht worden. In einer aktuellen Literaturauswertung kommt das Australian Housing and Urban Research Institute zum Schluss[3]: In den meisten Fälle führen Wohnzuschüsse zu einem generellen Mietzinsanstieg. Folglich geht ein Teil der Subventionen direkt an die Hauseigentümer («landlord capture»). Die Höhe dieses Anteils wird in den untersuchten Studien auf zwischen 30 und 78 Prozent der Erhöhung des Wohngeldes geschätzt. Letztlich profitieren also auch Immobilienbesitzer von den Zuschüssen – was einer Umverteilung von Steuergeldern an Gutsituierte gleichkommt.

In der Schweiz wird jährlich über 1 Milliarde Franken als Wohnkostenbeiträge ausgegeben. Diese Summe setzt sich aus den Beiträgen an die Wohnkosten im Rahmen der Ergänzungsleistungen zur AHV/IV (rund 500 Millionen Franken)[4] und Mietzahlungen der Sozialhilfe (rund 820 Millionen Franken im Jahr 2013 gemäss Bundesamt für Statistik) zusammen. Die Verwaltungskosten sind in diesen Beträgen noch nicht eingerechnet.

Diese staatlichen Ausgaben führen zu einem Teufelskreis: Bei steigenden Mieten müssen immer mehr Haushalte unterstützt und die Wohngelder immer höher angesetzt werden, was wiederum zu höherer Kaufkraft der Mieter und so zu weiter steigenden Mietpreisen führt.

Die Wohnraumversorgung einseitig auf einen Mechanismus abzustützen, welcher tendenziell zu einer Eskalation der Förderkosten führt, scheint deshalb problematisch. Dass diese Preisspirale nicht nur Theorie ist, zeigte sich in der Herbstsession 2015, als der Nationalrat entschied, die anrechenbaren Mietzinsmaxima bei den Ergänzungsleistungen zur AHV/IV zu erhöhen. Denn die bisherigen Höchstbeträge deckten den Mietzins für viele Haushalte nur noch teilweise ab.

Objekthilfe dämpft Preisanstieg


Im Gegensatz zur Subjekthilfe hat die Objekthilfe einen preisdämpfenden Effekt auf den Wohnungsmarkt. Wohnungen gemeinnütziger Bauträger – also etwa von Wohnbaugenossenschaften oder Stiftungen – sind im Durchschnitt rund ein Fünftel günstiger als die übrigen Mietwohnungen.

Dafür sind in erster Linie nicht die staatlichen Hilfen wie zum Beispiel zinsgünstige Darlehen verantwortlich. Der Grund für die abschwächende Wirkung liegt vielmehr darin, dass die Bauträger auf Gewinnstreben verzichten und ihre Wohnungen zu den Selbstkosten (sogenannte Kostenmiete) vermieten.

Für die Objekthilfe spricht ferner, dass sie nachhaltig wirkt. Eine preisgünstig erstellte Wohnung bleibt dank der Kostenmiete auf Dauer bezahlbar. Ein weiterer Vorteil ist, dass die öffentliche Hand Einfluss auf die Qualität des geförderten Wohnraums nehmen und Auflagen etwa hinsichtlich Behindertengerechtigkeit oder Energieeffizienz machen kann. Die Objekthilfe garantiert ferner einen haushälterischen Umgang mit Steuergeldern. Denn sofern zinsgünstige Darlehen zum Einsatz gelangen, zahlen die Bauträger diese wieder zurück.

Die Frage der Verteilgerechtigkeit


Die Objekthilfe hat aber auch Nachteile, allen voran ihre beschränkte Breitenwirkung. Mit der Objekthilfe können nur so viele Haushalte mit günstigem Wohnraum versorgt werden, wie Wohnungen gefördert werden. Damit stellt sich die Frage, wie diese Wohnungen gerecht verteilt werden sollen. Denn während im restlichen Wohnungsmarkt die Verteilung über den Preis erfolgt, fällt hier dieser Mechanismus weg.

Ein probates Mittel sind Belegungsvorschriften etwa zur Anzahl Zimmer, die einem Haushalt zur Verfügung stehen. So steht in den meisten Genossenschaften einem Haushalt maximal ein Zimmer mehr zur Verfügung, als Personen in der Wohnung leben. Eine Mehrheit der gemeinnützigen Bauträger hat sich zudem statutarisch verpflichtet, ihre Wohnungen an bestimmte Zielgruppen wie Familien, wirtschaftlich schwächere Haushalte oder ältere Menschen zu vermieten.

Wer die Verteilung von Wohnungen über den Preis dennoch als am gerechtesten erachtet, nimmt aber in Kauf, dass junge Familien, ältere Menschen oder Haushalte mit geringem Einkommen zunehmend aus den Zentren verdrängt werden. Es sei denn, sie bekommen Mietzinszuschüsse – mit all den oben erwähnten Nachteilen.

Mehr Geld für Objekthilfe


Für die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus gaben Bund, Kantone und Gemeinden zusammen gemäss Finanzstatistik[5] im Jahr 2013 ungefähr 50 Millionen Franken aus (inklusive Verwaltungs- bzw. Personalkosten).

Dazu kamen knapp 200 Millionen Franken Investitionsausgaben in Form von Darlehen oder Beteiligungen. Diese Gelder erhält die öffentliche Hand jedoch wieder zurück. In aller Regel werden sie auch verzinst: So haben Bund, Kantone und Gemeinden im Jahr 2013 Einnahmen von 130 Millionen Franken auf den Posten «Sozialer Wohnungsbau» buchen können. Die Investitionsausgaben und die daraus resultierenden Einnahmen sind zeitlich verschoben und können deshalb nicht eins zu eins verglichen werden.

Die Ausgaben für Objekthilfen machen mit ungefähr 50 Millionen Franken also weniger als ein Zwanzigstel der Ausgaben für Subjekthilfen aus. Angesichts dieses Missverhältnisses braucht es dringend einen Ausbau der Objekthilfe. Nur wenn mehr preisgünstiger Wohnraum entsteht, kann die öffentliche Hand die wachsenden Kosten bei den Wohnbeihilfen in den Griff bekommen.

  1. Webseite des Bundesamts für Wohnungswesen, Rubrik Wohnungspolitik. []
  2. Siehe dazu etwa Bürgerliche fordern einen Systemwechsel, Der Bund, 25. Februar 2014. []
  3. Brackertz, Nicola; de Silva, Ashton and Fotheringham, Michael (2015). A literature review on the impact of demand-side housing subsidies on the housing market, Australian Housing and Urban Research Institute, Melbourne. []
  4. Gemäss Angaben des Bundesamts für Sozialversicherungen. Siehe dazu den Bericht der Arbeitsgruppe zum wohnungspolitischen Dialog Bund, Kantone und Städte vom 2. Dezember 2014. []
  5. Die Finanzstatistik weist die bereinigten Haushaltsdaten (Ausgaben, Einnahmen, Rechnungsabschlüsse) der drei staatlichen Ebenen der Schweiz (Bund, Kantone, Gemeinden) aus. Die hier präsentierten Zahlen beziehen sich auf den Posten 560 Sozialer Wohnungsbau. []

Zitiervorschlag: Gerber, Lea (2015). Staat profitiert von gemeinnützigem Wohnungsbau. Die Volkswirtschaft, 24. November.

Objekt- und Subjekthilfe

Die öffentliche Hand hat verschiedene Mittel, um bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Sie kann selber günstige Wohnungen anbieten – beziehungsweise gemeinnützige Bauträger dabei unterstützen, preisgünstigen Wohnraum zu erstellen. In diesem Fall spricht man von Objekthilfe. Gängige Förderinstrumente der Objekthilfe sind etwa zinsgünstige Darlehen, Bürgschaften oder die Abgabe von Land im Baurecht an gemeinnützige Bauträger.

Bei der Subjekthilfe bezahlt der Staat Haushalten mit geringem Einkommen ein Wohngeld, sodass die Miete tragbar bleibt. Beispiele sind die «Familienmietzinsbeiträge» im Kanton Basel-Stadt oder die «allocation logement» im Kanton Genf. Eine weitere, wichtige Form von Subjekthilfen sind die Beiträge an die Wohnkosten, die im Rahmen der Ergänzungsleistungen zur AHV/IV ausbezahlt oder von der Sozialhilfe übernommen werden.a

aSiehe dazu Lea Gerber (2015). Bezahlbarer Wohnraum – welche Förderung ist sinnvoll? Wohnbaugenossenschaften Schweiz, Zürich, Juni 2015.