Exporteure schöpfen Potenzial des Internets nicht aus
Das Internet bietet sich für die Suche nach neuen Geschäftspartnern an. Büro in Nepal. (Bild: Reuters)
Der seit Monaten überbewertete Franken stellt die Schweizer Exportunternehmen vor die Herausforderung, Kosteneinsparungen zu realisieren und gleichzeitig neue internationale Absatzmärkte zu erschliessen. Eine erfolgreiche Erschliessung und Bearbeitung ausländischer Märkte ist neben Chancen auch mit Herausforderungen und Investitionen verbunden. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) stellen die mit der Internationalisierung verbundenen Kosten eine wesentliche Hürde dar.[1]
ICT-Technologien ermöglichen eine «internetbasierte Internationalisierung». Darunter versteht man die systematische Nutzung internetspezifischer Dienste zur Informationsbeschaffung, Kommunikation und Transaktion beim internationalen Markteintritt und der Marktbearbeitung.[2] Internationale Studien belegen, dass der Einsatz des Internets positiv mit der Exportperformance korreliert.[3]
Eine Studie des Schweizerischen Instituts für Entrepreneurship der Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur zeigt, in welchen Bereichen international aktive Schweizer Unternehmen das Internet im Auslandsgeschäft einsetzen und welche Potenziale die Nutzung des Internets bietet (siehe Kasten).
Internetnutzer erachten Informationen aus dem Web als vertrauenswürdig
Rund drei Viertel der befragten international tätigen Schweizer Unternehmen geben an, dass sie auf das Internet zur Gewinnung von aktuellen Informationen über ausländische Märkte zurückgreifen. Demgegenüber spielt das Internet bei einem Fünftel der Unternehmen als Informationsquelle eine untergeordnete Rolle, und 5 Prozent der Unternehmen verzichten bei der Recherche nach Auslandsmarktinformationen ganz auf das Web.
Die befragten Unternehmen wurden gebeten, die Verlässlichkeit der im Internet verfügbaren Informationen einzuschätzen (siehe Abbildung 1). Dabei zeigt sich: Unternehmen, die auf Informationen aus dem Web zurückgreifen («Internetnutzer»), schätzen die dort zur Verfügung stehenden Informationen deutlich häufiger als verlässlich ein als Unternehmen, bei denen das Internet als Informationsquelle eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielt. Rund drei Viertel der Internetnutzer bewerten die verfügbaren Informationen als verlässlich. Demgegenüber sieht bei den Unternehmen, die auf Informationen aus dem Internet (weitgehend) verzichten, nur gut ein Viertel der Unternehmen die Verlässlichkeit der Informationen als gegeben an, während die deutliche Mehrheit die Informationen für wenig verlässlich hält.
Abb. 1: «Im Internet verfügbare Informationen über ausländische Märkte sind verlässlich»
Anmerkung: Antworten der Befragten. «Internetnutzer» sind Unternehmen, die im Web Informationen zu ausländischen Märkten abrufen.
Quelle: HTW Chur / Die Volkswirtschaft
Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Einschätzung der Konkurrenzsituation und der Marktnachfrage im Ausland. Die Frage, ob die im Internet erhältlichen Informationen es ermöglichen, die Konkurrenzsituation verlässlich einzuschätzen, beantwortet mehr als die Hälfte der Internetnutzer positiv. Und knapp zwei Fünftel dieser Gruppe halten die im Web verfügbaren Informationen zur verlässlichen Einschätzung der Marktnachfrage im Ausland für geeignet. Bei den Unternehmen, die kaum oder gar nicht auf das Internet zurückgreifen, sieht dies jeweils nur jedes siebte Unternehmen als gegeben an.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Unternehmen, die das Internet kaum oder nicht als Informationsquelle nutzen, die Zuverlässigkeit der im Internet verfügbaren Informationen systematisch unterschätzen und daher nur zurückhaltend auf die im Internet zur Verfügung stehenden Informationen zurückgreifen.
Grosse Absenz auf Social-Media-Plattformen
Gut ein Viertel der Unternehmen nutzt das Internet zur Suche nach Kooperationspartnern im Ausland. Demgegenüber verzichtet ein Drittel bei der Suche nach ausländischen Partnern weitestgehend und zwei Fünftel ganz auf das Internet. Bei der Nutzung von Social-Media-Plattformen zur Suche von Kooperationspartnern zeigt sich ein noch eindeutigeres Bild: Nur jedes neunte Unternehmen gibt an, bei der Suche nach ausländischen Partnern auf Social-Media-Plattformen zurückzugreifen. Demgegenüber verzichten fast zwei Drittel der Unternehmen komplett auf Social-Media-Plattformen zur Partnersuche.
Ähnlich wie bei der Nutzung des Internets zur Informationsbeschaffung zeigt sich auch bei der Suche nach Kooperationspartnern, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Nutzung und der Einschätzung der Verlässlichkeit der Partner besteht (siehe Abbildung 2). Die Unternehmen, die Kooperationspartner über das Internet suchen, schätzen die Partner deutlich häufiger als verlässlich ein als solche, bei denen das Internet bei der Partnersuche eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielt. Zwei Drittel der Unternehmen, die Kontakte über das Internet suchen, bewerteten die über das Internet identifizierten Kooperationspartner als verlässlich. Bei den Unternehmen, bei denen das Internet eine untergeordnete oder keine Rolle spielt, glaubt nur knapp jedes fünfte, dass über das Internet identifizierte Partner verlässlich seien.
Abb. 2: «Über das Internet identifizierte Kooperationspartner im Ausland sind verlässlich»
Anmerkung: Antworten der Befragten. «Internetnutzer» sind Unternehmen, die im Web oder auf Social-Media-Plattformen nach potenziellen Kooperationspartnern im Ausland suchen.
Quelle: HTW Chur / Die Volkswirtschaft
Ein ähnliches Bild zeigt sich bezüglich der Frage nach potenziellen Kosteneinsparungen bei der Partnersuche aufgrund der Internetnutzung. Mehr als drei Viertel der Unternehmen, die das Internet nutzen, geben an, dass sie dank des Einsatzes des Internets Kosteneinsparungen bei der Partnersuche realisieren können. Bei den Unternehmen, bei denen das Internet eine untergeordnete oder gar keine Rolle spielt, sieht nur knapp ein Drittel positive Effekte in Bezug auf die Kosten beim Aufbau von Kooperationen im Ausland. Ferner geben knapp zwei Drittel derjenigen, die die Suche von Kooperationspartnern über das Internet betreiben, an: Dank des Einsatzes des Internets konnte die Anzahl der internationalen Kooperationspartner erhöht werden.
Die Ergebnisse der Umfrage deuten darauf hin, dass die Unternehmen den Nutzen des Internets und von Social-Media-Plattformen beim Aufbau von Kooperationen bislang nur bedingt erkennen und noch erhebliches Potenzial für einen effizienten und kostengünstigen Aufbau von Kooperationen in ausländischen Märkten vorhanden ist.
Kundenkontakt dank Internet
Neben dem Aufbau von Kooperationen mit ausländischen Partnern können Exporteure das Internet auch dazu nutzen, Kontakte zu neuen Kunden aufzubauen und bestehende Kontakte zu pflegen. Die befragten international aktiven Schweizer Unternehmen bewerten den Einfluss des Internets auf den Aufbau neuer Kundenkontakte im Ausland grossmehrheitlich positiv (siehe Abbildungen 3 und 4). Fast drei Viertel geben an, dank des Internets neue Kundenkontakte aufbauen zu können. Wie zu erwarten war, sehen Unternehmen, deren Leistungen sich besonders einfach im Internet präsentieren, bewerben und verkaufen lassen («Internettauglichkeit»), den positiven Effekt des Internets beim Aufbau von Kundenkontakten deutlich häufiger als Unternehmen, deren Leistungen nicht so einfach im Internet präsentiert, beworben und verkauft werden können.
Abb. 3: «Das Internet hat einen positiven Einfluss auf den Aufbau neuer Kundenkontakte im Ausland»
Quelle: HTW Chur / Die Volkswirtschaft
Abb. 4: «Das Internet hat einen positiven Einfluss auf die Pflege bestehender Kundenbeziehungen im Ausland»
Quelle: HTW Chur / Die Volkswirtschaft
In der Gruppe der Unternehmen mit internettauglichen Leistungen sehen neun von zehn Unternehmen einen positiven Einfluss des Internets auf den Aufbau von neuen Kundenkontakten im Ausland. Bei den Unternehmen mit geringer Internettauglichkeit liegt der Wert niedriger, aber immer noch gut zwei Drittel der Unternehmen bestätigen einen positiven Einfluss des Internets. Insgesamt beurteilen gut drei Fünftel der Unternehmen den Einfluss des Internets auf die Pflege von Kundenbeziehungen im Ausland als positiv. Wobei Unternehmen mit hoher Internettauglichkeit dies noch häufiger positiv bewerten.
Die Erkenntnisse lassen darauf schliessen, dass das Internet den Zugang zu den Kunden im Ausland erleichtert und den Unternehmen eine höhere internationale Reichweite ermöglicht.
Onlinemarketing noch wenig spezifisch
Rund ein Drittel der befragten international aktiven Schweizer Unternehmen gibt an, speziell auf das Ausland gerichtete Marketingmassnahmen im Internet durchzuführen. Von diesen Unternehmen nehmen zwei Drittel eine Anpassung ihres Onlinemarketings an die lokalen Sprachen ihrer Auslandsmärkte vor (siehe Abbildung 5). Darüber hinaus passt ein Drittel sein Onlinemarketing an weiter gehende kulturelle Elemente wie Symbole, Bilder oder Farben an (siehe Abbildung 6). In beiden Fällen zeigen sich deutliche Unterschiede bezüglich der Unternehmensgrösse: Je grösser die Unternehmen, desto eher nehmen sie eine Anpassung ihres Onlinemarketings an die lokale Sprache und kulturelle Gegebenheiten im Auslandsmarkt vor. Dies lässt sich durch die Ressourcen erklären, die zur Anpassung des Marketings benötigt werden. Es sind somit eher ressourcenstärkere mittlere und grosse Unternehmen, die über die dazu nötigen Kapazitäten und Fähigkeiten verfügen.
Abb. 5: «Wir haben unser Onlinemarketing den lokalen Sprachen unserer Auslandsmärkte angepasst»
Anmerkung: Unternehmen, die spezielle Marketingmassnahmen im Internet durchführen [N=56]
Quelle: HTW Chur / Die Volkswirtschaft
Abb. 6: «Wir haben unser Onlinemarketing kulturellen Gegebenheiten (Normen, Werten, Symbolen, Bildern, Farben) unserer Auslandsmärkte angepasst»
Anmerkung: Unternehmen, die spezielle Marketingmassnahmen im Internet durchführen [N=56]
Quelle: HTW Chur / Die Volkswirtschaft
Um einen tieferen Einblick in das Marketing der international tätigen Schweizer Unternehmen zu erhalten, wurden die Unternehmen gebeten, die von ihnen auf den Auslandsmärkten eingesetzten Bestandteile des Onlinemarketings zu nennen. Die Ergebnisse zeigen: Vier Fünftel der Unternehmen betreiben eine eigene Internetseite (Webauftritt). Beim Suchmaschinen-Marketing sind es noch 46 Prozent und beim E-Mail-Marketing 44 Prozent. 28 Prozent der Unternehmen geben an, soziale Medien zu nutzen. Content-Marketing[4] wird von 23 Prozent der befragten Unternehmen eingesetzt. Demgegenüber kommen Marketingmassnahmen wie Onlinevideowerbung (14 Prozent), Displaywerbung (10 Prozent) oder Affiliate-Marketing[5] (8 Prozent) nur vereinzelt zum Einsatz und werden häufiger von Unternehmen eingesetzt, die Privatpersonen als Kunden haben, als von Unternehmen im Business-to-Business-Geschäft.
Die Unternehmen passen ihr internationales Onlinemarketing somit vor allem in sprachlicher Hinsicht an die ausländischen Märkte an. Kulturelle Besonderheiten werden hingegen deutlich seltener berücksichtigt. Dabei setzen Exporteure hauptsächlich auf klassische Marketingbestandteile wie eine eigene Internetseite, Suchmaschinenoptimierung und E-Mail-Marketing.
Die Ergebnisse der Studie sind sowohl für die auslandsorientierten Unternehmen als auch die wirtschaftspolitischen Akteure von Relevanz. Sie machen deutlich, dass das Internet für die Unternehmen ein effizientes und kostengünstiges Instrument bei der Internationalisierung sein kann. Damit auch KMU das Potenzial des Internets ausschöpfen können, müssen die Unternehmen ihre Internetkompetenz steigern. Hierzu benötigen sie gezielte Unterstützung etwa durch die Institutionen der Schweizer Aussenwirtschaftsförderung.
- Baldegger (2013). []
- Hilbert und López (2011); Definition in Anlehnung an Ullrich (2011). []
- Bell und Loane (2010); Mathews (2011); Sinkovics et al. (2013). []
- Unternehmen veröffentlichen im Internet Inhalte, die auf informative, sachliche oder unterhaltsame Art die Kompetenz des Unternehmens darstellen. []
- Affiliate-Marketing beschreibt die internetbasierte Vermittlung von Kunden durch einen Vertriebspartner (affiliate). Basierend auf dem Verhalten des vermittelten Kunden (z. B. Klick, Kauf) erhält der Partner eine Provision. []
Literaturverzeichnis
- Baldegger, R. J. (2013). Swiss International Entrepreneurship Survey 2013. Studienergebnisse zum Internationalisierungsverhalten von Schweizer KMU. Freiburg/Bern.
- Bell, J. & Loane, S. (2010). «New-Wave» Global Firms: Web 2.0 and SME Internationalisation. Journal of Marketing Management, 26(3-4), 213–229.
- Hilbert, M. & López, P. (2011). The World’s Technological Capacity to Store, Communicate, and Compute Information. Science, 332(6025), 60–65.
- Mathews, S. W. (2011). Internet Usage, Internet Intensity and International Sales Performance SME’s: a Structural Model Approach. Economic and Political Transformation: Implications and Impact on Global Business, Academy of International Business (AIB), Taipei.
- Sinkovics, N., Sinkovics R. R. & Jean, R.‐J. (2013). The Internet as an Alternative Path to Internationalization?. International Marketing Review, 30(2), 130–155.
- Ullrich, S. (2011). Internetbasierte Internationalisierung. Wiesbaden.
Bibliographie
- Baldegger, R. J. (2013). Swiss International Entrepreneurship Survey 2013. Studienergebnisse zum Internationalisierungsverhalten von Schweizer KMU. Freiburg/Bern.
- Bell, J. & Loane, S. (2010). «New-Wave» Global Firms: Web 2.0 and SME Internationalisation. Journal of Marketing Management, 26(3-4), 213–229.
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- Ullrich, S. (2011). Internetbasierte Internationalisierung. Wiesbaden.
Zitiervorschlag: Hauser, Christian (2015). Exporteure schöpfen Potenzial des Internets nicht aus. Die Volkswirtschaft, 21. Dezember.
Die zur Beantwortung der Forschungsfrage gesammelten Daten wurden in einer onlinebasierten Umfrage im Sommer 2015 erhoben. Diese wurde in Kooperation mit Postfinance, dem Tochterunternehmen der Schweizerischen Post, durchgeführt. Die Bruttostichprobe bestand aus 6811 Unternehmen aus der Deutschschweiz, die per E-Mail zur Teilnahme eingeladen wurden. 159 international aktive Unternehmen nahmen an der Umfrage teil. Bei der Interpretation wurden die Anteilswerte der zwei höchsten Zustimmungskategorien («trifft zu» und «trifft eher zu») und der zwei niedrigsten Zustimmungskategorien («trifft eher nicht zu» und «trifft nicht zu») jeweils zusammengefasst.
35 Prozent der befragten Unternehmen zählen weniger als 10 Beschäftigte; 37 Prozent haben zwischen 10 und 49 Mitarbeitende. Die restlichen Unternehmen mit 50 und mehr Beschäftigten machen im vorliegenden Datensatz einen Anteil von 28 Prozent aus. In 51 Prozent der Fälle handelte es sich bei der befragten Zielperson um den Eigentümer, den Inhaber oder einen Teilhaber des Unternehmens. Bei 14 Prozent wurden die Angaben von einem angestellten Geschäftsführer gemacht, bei den übrigen 35 Prozent der Fälle von einem anderen Entscheidungsträger mit Führungsfunktion.
45 Prozent der Antworten stammen aus dem verarbeitenden Gewerbe, 30 Prozent aus der Dienstleistungsbranche, 7 Prozent sind der Informations- und Kommunikationsbranche (ICT) zuzuordnen. Die restlichen 18 Prozent wurden in einer Gruppe «Sonstige» zusammengefasst.