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Der Schweizer Finanzplatz steht punkto Nachhaltigkeit gut da: Das Angebot an nachhaltigen Anlagen ist breit. Um sich jedoch langfristig erfolgreich als verantwortungsvoller Finanzstandort zu behaupten, muss die Transparenz erhöht werden.
Antoinette Hunziker-Ebneter, CEO und Gründungspartnerin der nachhaltigen Vermögensverwaltung Forma Futura Invest, Zürich

Standpunkt

Die Verpflichtung zur Nachhaltigkeit ist unsere Verantwortung. Knappe Ressourcen, Klimawandel, soziale Ungleichheiten: Die Herausforderungen sind dringlich, weshalb gehandelt werden muss. Heute gibt es deshalb ein Umdenken in vielen Lebensbereichen – im Bildungs- und Arbeitsmarkt, bei Firmengründungen, ebenso beim Konsumverhalten und bei der Ernährung und nicht zu vergessen auch beim Wohnen und bei der Mobilität. Als Individuen übernehmen wir in unserem Alltag Verantwortung, indem wir uns eigene, qualifizierte Meinungen bilden und informierte Entscheide treffen.

Zu diesem Zeitgeist gehört ebenso ein verantwortungsvoller Umgang mit Geld. Wer an die Exzesse der Finanzindustrie in den vergangenen Jahren denkt, kann sich schwerlich vorstellen, diesen Sektor mit Nachhaltigkeit in Verbindung zu bringen. Allerdings ist die erfolgreiche Transformation zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit Umwelt und Gesellschaft in einem zukunftsfähigen Wirtschaftssystem ohne den Finanzsektor ebenso undenkbar.

Finanzdienstleister in der Schweiz haben diesen Fortschritt früh erkannt und ein entsprechendes Angebot an nachhaltigen Anlagen entwickelt. Gepaart mit dem Bekenntnis zur Weissgeldstrategie verfügt die Finanzindustrie über ein solides Fundament für die Gestaltung eines nachhaltigen Finanzplatzes.

Entscheidend ist, dass das Finanzsystem der Realwirtschaft und der Gesellschaft dient, damit Geld seine transformative Kraft als Gestaltungsmittel zur Förderung nachhaltiger Lebensqualität entfalten kann. Ein zukunftsfähiges Finanzsystem muss sich wieder seiner Grundversorgungsfunktion besinnen und darf nicht zum Selbstzweck verkommen.

Gesamte Wertschöpfungskette beachten

Ein nachhaltiger Finanzplatz kann nur im Zusammenspiel sämtlicher Akteure entstehen. So haben es die Finanzintermediäre in der Hand, eine Allokation der finanziellen Ressourcen zu ermöglichen, die ein zukunftsfähiges Wirtschaftssystem unterstützen – nicht nur bei Vermögensanlagen, sondern ebenso bei der Kreditvergabe und in der Sorgfaltsprüfung bei Firmenzusammenschlüssen.

Zukunftsfähig kann ein Wirtschaftssystem einzig sein, wenn die Unternehmen sämtliche Kosten entlang der gesamten Wertschöpfungskette in den Preisbildungsprozess mit einbeziehen und so eine Kongruenz zwischen Preis und Wert schaffen. Nicht gegeben ist dies, wenn der persönliche Profit vorgeht und dabei ökologische und soziale Kostenfolgen externalisiert, also der Allgemeinheit aufgebürdet werden.

Eine solche Allokation wird vermehrt auch aktiv von Investoren eingefordert. So empfiehlt der kürzlich lancierte «Swiss Foundation Code 2015», welcher Gouvernanz-Richtlinien für Stiftungen aufstellt: Nachhaltigkeit soll auch bei der Vermögensbewirtschaftung erzielt werden – zusätzlich zur Auszahlung von Fördergeldern. Davon zeugt die aktuelle Desinvestitionswelle weg von fossilen Energieträgern bei grossen Vorsorgeeinrichtungen.

Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzindustrie die günstige Ausgangslage erkennt und aktiv zur Gestaltung eines nachhaltigen Finanzplatzes nutzt. Denn um dem Prädikat «nachhaltig» gerecht zu werden, müssen die Anstrengungen deutlich über ein Angebot an nachhaltigen Anlagen hinausgehen: So sollen Markteilnehmer als verantwortungsbewusste Akteure all ihre Transaktionen nachvollziehbar machen, und insbesondere bei den Bankbilanzen ist Transparenz gefragt. Zudem müssen die Machtverhältnisse aller Akteure offengelegt und langfristig formulierte, an gesellschaftlichen Zielen orientierte Anreizsysteme geschaffen werden. Sorgt der Staat ausserdem für einen verbindlichen und wirksamen ordnungspolitischen Rahmen, der sich von allen Akteuren einfach und zahlbar umsetzen lässt, stehen die Chancen gut, dass sich die Schweiz glaubwürdig als nachhaltiger Finanzplatz positionieren kann.

Zitiervorschlag: Antoinette Hunziker-Ebneter (2015). Standpunkt: Zukunftsfähigkeit verpflichtet. Die Volkswirtschaft, 21. Dezember.