Arbeitsplätze sind zentral, um der Armut langfristig zu entkommen. Für viele Menschen bieten sichere Jobs zudem eine Alternative zur Migration, was angesichts der gegenwärtigen Auswanderungswellen besonders relevant ist. Auf globaler Ebene werden Arbeitsplätze zunehmend als Instrument für die Armutsreduktion gesehen: Eines der UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung nach 2015 (Sustainable Development Goals, SDG) setzt genau dort an, indem es die produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle anstrebt.[1] Im Rahmen der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit setzt sich auch das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in seinen Partnerländern unter dem neuen Rahmenkredit (2017–2020) gezielt für die Schaffung von mehr und besseren Arbeitsplätzen ein.
Was als Konzept einfach zu verstehen ist, stellt die Akteure in der Praxis vor grosse Herausforderungen. Die Frage, wie mehr und bessere Stellen geschaffen werden können, beschäftigt Forscher und Praktiker gleichermassen. Da weltweit jede neunte Stelle durch den Privatsektor generiert wird, kommt ihm unumstritten eine zentrale Rolle zu: Neu gegründete und etablierte Firmen, die wachsen, benötigen Personal und schaffen Arbeitsplätze. Um dieses Wachstum zu ermöglichen, bedarf es einer Vielzahl an lokalen Unterstützungsmechanismen, angefangen bei Finanzierungsmöglichkeiten bis hin zu Beratungsdienstleistungen.
Erfahrene Unternehmer als Mentoren
Bis vor Kurzem war relativ wenig darüber bekannt, wie Regierungen und Geber den Nährboden – das sogenannte Entrepreneurship-Ecosystem (siehe Kasten 1) – verbessern und damit zur Entstehung von wachstumsorientierten Unternehmen («high growth entrepreneurs») beitragen können. In den vergangenen Jahren haben sich Forscher und Praktiker zunehmend mit diesem Ecosystem befasst. Dabei suchten sie nach Wegen, den Boden für innovative Geschäftsideen fruchtbar zu machen, damit diese nicht nach kurzer Zeit welken, sondern sich nachhaltig entwickeln und etablieren.
Die Erfahrung des auf Entwicklungsländer spezialisierten US-Beratungsunternehmens J. E. Austin Associates (JAA) zeigt: Die Qualität des Ecosystems hängt primär von erfahrenen Unternehmern ab, welche Wissen, Erfahrung und Kontakte an Jungunternehmer weitergeben und bestenfalls selber in junge Firmen investieren. Jungunternehmer erhalten durch den generationenübergreifenden Austausch ein tiefer gehendes Verständnis von Märkten, Technologien, Industrien, Managementstrategien, Finanzierungsmöglichkeiten und haben bessere Aussichten, schneller und nachhaltiger zu wachsen.
Unternehmen durchlaufen drei Entwicklungsphasen
Aktuelle Forschungsergebnisse stützen diese Erkenntnis: Unternehmer, welche von Experten beraten werden, verzeichnen mehr als dreimal höhere Wachstumsraten. Solche Mentoren sind grösstenteils Einheimische, können aber auch Mitglieder einer Diaspora im Ausland sein. Analog zum Menschen können drei grobe Phasen der Unternehmensentwicklung unterschieden werden: Kindheit, Jugend- und Erwachsenenalter. Die möglichen Formen des Mentoring richten sich danach aus und umfassen unter anderen «Inkubatoren» und «Acceleratoren».
Inkubatoren begleiten neu gegründete Start-ups – die Kinder – in ihrer Anfangsphase, indem sie ihnen Büroräume und grundlegendes Wissen zur Geschäftstätigkeit vermitteln, bis sie auf eigenen Füssen stehen. Acceleratoren nehmen sich der «Jugendlichen» an: In diesem oftmals schwierigen Entwicklungsstadium haben die Unternehmen bereits erste erfolgreiche Schritte gemacht, brauchen aber weiterhin Begleitung, um sich nicht im Tagesgeschäft zu verlieren und um ihre langfristigen Ziele im Auge zu behalten.
Weiter für den Erfolg verantwortlich ist die öffentliche Wahrnehmung der selbstständigen Unternehmer. Denn: Nicht überall werden Unternehmensgründer wie im kalifornischen Silicon Valley als Helden gefeiert. Vielmehr herrscht oft die Ansicht vor, dass sich nur Leute in die Selbstständigkeit begeben, die keinen gut bezahlten Job finden.
Geberfinanzierte Programme können das Entrepreneurship-Ecosystem, welches im Endeffekt ein öffentliches Gut darstellt, entscheidend verbessern. Dafür müssen die Geber aktiv die Rolle des «Matchmaker» übernehmen und Unternehmer mit Potenzial mit den passenden Mentoren und Investoren verlinken. Zusätzlich können dank solcher Programme Lernplattformen und Finanzierungsmechanismen zur Verfügung gestellt oder verbessert werden. Weitere Felder sind die Mentorenausbildung und die Aufklärung von Unternehmern über entsprechende Angebote. Nicht zuletzt können die Programme via Medien auf eine verbesserte öffentliche Wahrnehmung des Unternehmertums hinarbeiten.
Bund finanziert Entrepreneurship-Programm
Das Seco fördert Start-ups und bestehende Unternehmen mit dem «Seco Entrepreneurship Program» (siehe Kasten 2), welches von der Schweizer Stiftung Swisscontact vor Ort umgesetzt wird. Der Fokus liegt auf Firmen mit Innovationskraft und hohem Wachstumspotenzial, die Arbeitsplätze schaffen. In allen sechs Ländern, in denen das Programm läuft, besteht bereits heute eine Gründerszene, und verschiedene Organisationen führen dort regelmässig Start-up-Events und Wettbewerbe durch. Eine erste Bestandsaufnahme zeigt jedoch, dass ohne weiterführende Unterstützungsmechanismen der Weg zum erfolgreichen Unternehmen selbst für die Gewinner solcher Veranstaltungen häufig bereits nach kurzer Zeit wieder endet. Wegen fehlender fachlicher Unterstützung oder nicht vorhandener finanzieller Mittel wachsen Geschäftsideen trotz Potenzial und Innovation oft kaum über das Gründungsstadium heraus.
Genau da setzt das Entrepreneurship-Programm an: Mit verschiedenen Interventionen sollen lokale Unterstützungsangebote gestärkt und verbessert werden, damit Unternehmer in Zukunft gezielter und über verschiedene Entwicklungsphasen eines Start-ups hinweg unterstützt werden. Durch die Zusammenarbeit mit Inkubatoren, Acceleratoren, Investoren und Medien verfolgt das Programm einen Ansatz, der zwar indirekt, dafür aber nachhaltig ist. Durch die Stärkung des gesamten Ecosystems sollen die Unternehmer auch über das Programmende hinaus profitieren.
Das Entrepreneurship-Programm stellt in erster Linie Expertise für die Entwicklung oder Weiterentwicklung von Angeboten in Partnerorganisationen zur Verfügung. Die Schlüsselkomponenten sind der Aufbau von Netzwerken mit gut trainierten lokalen Mentoren (vgl. Kasten 3) und das Lernen in Peergruppen. Weil Frauen in den Gründerszenen der Zielländer unterrepräsentiert sind, sind spezifische Angebote für Unternehmerinnen mit innovativen Geschäftsideen geplant.
Potenzielle Investoren – auch aus der Schweiz
Die Suche nach Partnerorganisationen hat bereits gezeigt, dass einige noch nicht auf einer stabilen Basis stehen. Hier unterstützt das Entrepreneurship-Programm die Partner bei der Entwicklung eines nachhaltigeren Geschäftsmodells, das nicht ausschliesslich auf staatliche Fördergelder oder Beitragszahlungen von Firmengründern abstützt. Denn: Letztere sollen schliesslich profitieren können.
Sogenanntes Seed-Kapital, das in der frühen Entwicklungsphase von Start-ups dazu dient, eine Geschäftsidee ausreifen zu lassen, ist für den Erfolg entscheidend, da Banken Jungunternehmen wegen des hohen Risikos oft keine Kredite gewähren. Zudem verfügen die Firmengründer selten über Mittel für eine Eigenfinanzierung.
In Schulungen sensibilisieren Experten deshalb potenzielle private Investoren. Weiter will das Entrepreneurship-Programm mit komplementären Finanzierungsmodellen zur Risikominimierung zusätzliche Investitionen stimulieren. Potenzial verspricht sich das Programm zudem durch die Aktivierung der Diaspora in der Schweiz und in anderen Ländern: Erfolgreiche Unternehmer und Berufsleute mit Wurzeln in einem der Zielländer sollen als Mentoren oder Investoren gewonnen werden. Auf die Resultate dieser Bemühungen darf man gespannt sein, denn der programmatische Versuch einer Bündelung privater Ressourcen aus der Diaspora für die wirtschaftliche Förderung ausserhalb von Familienstrukturen ist ein Novum.
- SDG 8, mehr unter Sustainabledevelopment.un.org. []