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Ein neuer Anlauf zur Herstellung der Lohngleichheit

Die bisherigen Versuche, die Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern herzustellen, blieben erfolglos. Der Entwurf zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes sieht nun für grössere Unternehmen verbindliche Lohnanalysen vor. Doch bei der Umsetzung lässt der Bundesrat den Unternehmen viele Freiheiten.
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Der Bundesrat will Lohnkontrollen für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern einführen. Davon wäre beispielsweise auch die Post betroffen. (Bild: Keystone)

Seit 1981 hält die Bundesverfassung fest, dass Mann und Frau für gleichwertige Arbeit gleich zu entlöhnen sind.[1] Am 1. Juli 1996 trat zudem das Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG) in Kraft. Dieses untersagt geschlechterbezogene Diskriminierungen im Erwerbsleben, insbesondere bei den Löhnen.

2006 wurde das Gleichstellungsgesetz evaluiert. Es zeigte sich, dass die Lohngleichheitsklagen zwar deutlich zugenommen hatten.[2] Trotzdem hielten die Angst vor Arbeitsplatzverlust und die schwierige Informationsbeschaffung aber noch immer viele Arbeitnehmende davon ab, sich gegen vermutete Lohndiskriminierungen zur Wehr zu setzen. Der Bundesrat hielt deshalb fest, dass sich die Gleichstellung im Erwerbsleben mit dem geltenden Gesetz nicht erreichen lässt.[3]

2009 lancierten die Sozialpartner mithilfe des Bundes das Projekt «Lohngleichheitsdialog». Mittels freiwilliger Lohnanalysen sollte die Lohndiskriminierung von Frauen in ihren Unternehmen möglichst rasch beseitigt werden. Der freiwillige Ansatz war indes nicht erfolgreich: Mit 51 Unternehmen blieb die Teilnahme hinter den Erwartungen von mindestens 100 Unternehmen deutlich zurück. Fast die Hälfte der Teilnehmer waren überdies staatliche oder staatsnahe Betriebe. Die Projektevaluation ergab, dass der freiwillige Lohngleichheitsdialog zur Verwirklichung der Lohngleichheit nicht genügte.[4]

Als Reaktion darauf beschloss der Bundesrat im Oktober 2014, mit zusätzlichen staatlichen Mitteln für eine Verwirklichung der Lohngleichheit zwischen Frau und Mann zu sorgen. Denn auch über dreissig Jahre nach der Einführung des Verfassungsanspruchs auf gleiche Entlöhnung zeigt die Lohnstrukturerhebung 2012 des Bundesamtes für Statistik deutlich tiefere Frauenlöhne: So liegen die Löhne von Frauen in der Privatwirtschaft durchschnittlich um 21,3 Prozent und im öffentlichen Sektor um 16,5 Prozent tiefer. Von dieser Lohndifferenz sind in der Privatwirtschaft 40,9 Prozent nicht erklärbar.[5] Diese potenzielle Lohndiskriminierung entspricht rund 8,7 Prozent oder 678 Franken eines durchschnittlichen Männerlohns.

Lohnanalysen sollen zur Pflicht werden


Der im November 2015 vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickte Entwurf zur Änderung des Gleichstellungsgesetzes (VE GlG) setzt weiterhin auf eine möglichst grosse Eigenverantwortung der Unternehmen. Das Kernelement des Entwurfs ist die Pflicht von Arbeitgebern[6], alle vier Jahre eine Lohnanalyse durchzuführen. Diese Pflicht gilt aber nur für Unternehmen mit 50 oder mehr Mitarbeitenden und mit mindestens 10 Beschäftigten beider Geschlechter. Diese Kriterien dienen dazu, statistisch relevante Ergebnisse aus der Lohngleichheitsanalyse zu erhalten. Sie entsprechen dem Standard-Analysemodell des Bundes und der auf dieser Grundlage entwickelten Datenanalysesoftware namens Logib, welche der Bund den Unternehmen für die Lohnanalyse gratis zur Verfügung stellt. Auch wenn sich die Pflicht zur Lohnanalyse nicht auf sie erstreckt, müssen auch Arbeitgeber mit weniger als 50 Mitarbeitenden die Lohngleichheit einhalten.

Gemäss Entwurf sind nur anerkannte Analysemethoden zugelassen. Der Bundesrat legt nach Anhörung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände die Anerkennungskriterien für diese Analysemethoden fest und veröffentlicht diese in einer Liste. So wird garantiert, dass die zugelassenen Methoden wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.

Viele Freiheiten bei der Prüfung


Dem Obligationenrecht unterstehende Arbeitgeber, die zur Analyse ihrer Löhne verpflichtet sind, müssen diese von einer externen Kontrollstelle überprüfen lassen. Bei öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern geht man davon aus, dass diese Prüfung intern stattfindet. Wichtig dabei ist: Die Kontrollstellen überprüfen nicht das Ergebnis der Lohnanalyse, sondern nur, ob diese richtig durchgeführt wurde, was den Zeitraum der Analyse, die Methode und die Erfassung aller Arbeitnehmenden angeht.

Als externe Kontrollstellen kommen wahlweise Revisionsunternehmen mit einer Zulassung nach dem Revisionsaufsichtsgesetz oder anerkannte Selbstregulierungsorganisationen (SRO) infrage. Denkbar sind SRO für einzelne oder mehrere Unternehmen oder für eine ganze Branche. Damit sie anerkannt werden können, müssen sie jedoch gewisse Anforderungen erfüllen: So müssen sie etwa über ein Reglement verfügen und eine einwandfreie Kontrolltätigkeit gewährleisten können. Mit einem Bericht informieren die Kontrollstellen die Führung des kontrollierten Unternehmens darüber, ob die Lohnanalyse korrekt durchgeführt wurde. Wichtig ist daher, dass die SRO von den zu kontrollierenden Unternehmen unabhängig sind.

Die Arbeitgeber haben alternativ auch die Möglichkeit, für beides – die Lohnanalyse und deren Kontrolle – eine externe Organisation beizuziehen. Dies kann eine betriebsinterne Arbeitnehmervertretung, eine Gewerkschaft oder eine Frauenorganisation sein, welche gemäss ihren Statuten die Gleichstellung von Frau und Mann fördert. Die Unternehmen vereinbaren mit diesen Organisationen, wie die Lohnanalyse durchgeführt werden soll. Das den Frauenorganisationen und Gewerkschaften zustehende Klagerecht wird aber nicht eingeschränkt, es sei denn, es wird zwischen dem Arbeitgeber und der Organisation ausdrücklich so vereinbart.

Eine öffentliche Liste als Möglichkeit


Um ihre Mitarbeitenden über das Ergebnis der Kontrolle zu informieren, haben die Arbeitgeber Zeit bis maximal ein Jahr nach Empfang des Kontrollberichts. An der Börse kotierte Gesellschaften informieren im Anhang zur Bilanz. In anderen Fällen kann die Information zum Beispiel mit einem Rundschreiben erfolgen.

Für den Fall, dass die Lohnanalyse oder die Lohnkontrolle unterlassen wird, stellt der Gesetzesentwurf eine Variante zur Diskussion, die zusätzliche Rechtsfolgen vorsieht: So sollen die Kontrollstellen der zuständigen Behörde[7] Meldung erstatten, wenn innert Frist keine Lohnanalyse oder keine externe Kontrolle durchgeführt wurde. Die Behörde trägt säumige Arbeitgeber, die gemeldet wurden oder von denen sie auf anderem Weg Kenntnis erhielt, in eine öffentlich zugängliche Liste ein. Betroffene Arbeitgeber können eine beschwerdefähige Verfügung verlangen. Sind sie der Ansicht, die Voraussetzungen für einen Eintrag seien entfallen, können sie gestützt auf das Verwaltungsverfahrensgesetz jederzeit dessen Aufhebung verlangen.

Die Vernehmlassung läuft noch bis Anfang März. Gestützt auf die Ergebnisse wird der Bundesrat über die Änderung zum Gleichstellungsgesetz befinden.

 

 

  1. Siehe Artikel 8, Absatz 3 der Bundesverfassung. []
  2. Vor Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes gab es auf der Basis des Lohngleichheitsartikels in der Bundesverfassung etwa 15 Lohngleichheitsklagen, in den ersten zehn Jahren des Gleichstellungsgesetzes dagegen 153 Gerichtsentscheide zur Lohngleichheit. []
  3. Bericht des Bundesrates vom 15.02.2006 über die Evaluation der Wirksamkeit des Gleichstellungsgesetzes: Abrufbar unter www.admin.ch. []
  4. “Der Lohngleichheitsdialog. Ein Projekt der Sozialpartner und des Bundes. Bericht vom 30.06.2014 zuhanden der Trägerschaft des Lohngleichheitsdialogs." Abrufbar unter www.bj.admin.ch. []
  5. Als objektive Gründe für Lohnunterschiede gelten persönliche Merkmale wie Alter, Ausbildung und Dienstjahre oder mit der Art der Arbeitsstelle im Unternehmen und der ausgeübten Tätigkeit zusammenhängende Kriterien. []
  6. Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird im Folgenden für beide Geschlechter die männliche Form verwendet. []
  7. Die zuständige Behörde wäre voraussichtlich das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG). []

Zitiervorschlag: Schinzel, Marc (2016). Ein neuer Anlauf zur Herstellung der Lohngleichheit. Die Volkswirtschaft, 24. Februar.