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Der Einsatz für Konsumenten setzt voraus, dass deren Bedürfnisse bekannt sind. Den Konsumenten im Sinne eines Typs gibt es jedoch nicht – dies gilt erst recht im Internetzeitalter.
Sigg Frank Babette, Geschäftsführende Präsidentin, Schweizerisches Konsumentenforum (KF), Bern

Standpunkt

Als älteste Schweizer Konsumentenorganisation setzt sich das Konsumentenforum seit über fünfzig Jahren für Transparenz, vorteilhafte Preise und faire Rahmenbedingungen ein. Um herauszufinden, was die Konsumenten beschäftigt, führen wir zu drängenden Themen laufend repräsentative Umfragen durch. Medial breit aufgenommen wird jeweils der sogenannte Pulsmesser mit den grössten Sorgen der Schweizer Konsumenten.

Anders als bekannte Betreiber von Internetsuchmaschinen zielt das Konsumentenforum mit solchen Umfragen nicht auf den gläsernen Bürger, sondern will mit Mehrheiten und Durchschnittswerten allgemeingültige Aussagen darüber ermöglichen, wie eine Gemeinschaft zu bestimmten Themen denkt. Es ist klar: Dies wird der Aussage des Einzelnen kaum jemals völlig gerecht, erst recht nicht, wenn ein ganzer Katalog an Fragen gestellt wird, sodass letztlich gegenteilige Aussagen nicht auszuschliessen sind. Dennoch bleiben Umfragen mit anonymisierten Antworten wie der «Pulsmesser» für uns als Konsumentenvertretung zielführend. Da wir nicht nur für Einzelpersonen, sondern für die grosse und heterogene Personengruppe der Konsumenten sprechen, interessiert uns der gemeinsame Nenner. Dank Clusterbildung können Aussagen für weite Teile der Befragten gemacht werden.

«Customization» wird zum Standard


Oft geht vergessen: Es gibt den Konsumenten im Sinne eines Typs nicht. Zwar kann die Haltung zu gewissen Themen bei einer breiten Masse konvergent sein, aber das Spektrum an Konsumentenbedürfnissen ist ausufernd. Die Konsumgesellschaft in der Postmoderne erlaubt und bewirbt ein äusserst hohes Mass an Individualität. Angebots- und Nachfrageseite schaukeln sich gegenseitig hoch in Sachen Zielgruppenkompatibilität und Personalisierbarkeit. Mal wünscht sich der Konsument etwas (scheinbar) Unvergleichliches, mal wecken Hersteller mit Exklusivität und/oder Innovation neue Bedürfnisse. Die individualisierte Massenproduktion, meist durch modularen Aufbau ermöglicht, ist durch das Internet und den Onlinehandel längst gang und gäbe geworden. Und die Industrie 4.0 will die individuellen Bedürfnisse künftig noch besser stillen können. Schöne neue Welt für die Konsumenten…

Bleiben wir mündig!


Die letzten Umfragen des Konsumentenforums haben durchaus widersprüchliche Schlüsse zugelassen: Die Befragten schätzen einerseits die grosse Auswahl an Produkten und geben an, dass sie wenig Mühe damit bekunden würden, sich zurechtzufinden im durch den Onlinehandel exponentiell grösser gewordenen Markt. Andererseits werden die Rufe nach politischem Handlungsbedarf eher lauter. Die hohe Komplexität, welche hinter einer solch weit entwickelten Konsumgesellschaft steckt, kann als disruptiv erfahren werden und überfordert nicht wenige.

Dabei geht vergessen, dass nichts konstanter ist als Wandel – und dass durch das eigene Konsumverhalten massgeblich beeinflusst werden kann, in welche Richtung diese nicht aufzuhaltende Entwicklung verlaufen soll. Sinnvolle Rahmenbedingungen müssen zwar durch die Politik bestimmt werden, den effizientesten Schutz wird aber weiterhin Information bieten. Viel Information, welche Verantwortung und damit Mündigkeit ermöglicht.

Zitiervorschlag: Babette Sigg Frank (2016). Standpunkt: Schöne neue Konsumentenwelt. Die Volkswirtschaft, 23. März.