Michael Grampp, Dr. rer. pol., Chefökonom, Deloitte Schweiz, Zürich
Egal ob Auto, Geld oder Wohnung: Immer mehr Güter und Dienstleistungen werden geteilt oder vermietet.[1] «Nutzen statt besitzen» lautet die Devise, nicht zuletzt aus ökologischen Gründen. Was meist als Sharing Economy bezeichnet wird, ist im Grunde nichts anderes als eine Form der Marktwirtschaft – mit dem Unterschied, dass der Tausch oder der Kauf dank Smartphones und Tablets überall und jederzeit über Onlineplattformen stattfinden kann und die Unternehmen als Plattformdienstleister vor allem die Vermittlerrolle zwischen Angebot und Nachfrage einnehmen. Privatpersonen sind dabei nicht mehr nur Nachfrager, sondern werden zu Mikrounternehmern.
Zu den Aushängeschildern der Sharing Economy gehören Technologieunternehmen wie der Fahrtenvermittler Uber und die Übernachtungsplattform Airbnb. Beide haben sich innerhalb von wenigen Jahren zu weltweit agierenden Unternehmen entwickelt: Uber ist in über 300 Städten auf der ganzen Welt aktiv, der Unternehmenswert wird auf über 50 Milliarden Dollar geschätzt – ohne dass die Firma ein einziges Fahrzeug besitzt. Airbnb verfügt ebenfalls über keine eigenen Unterkünfte, sondern vermittelt primär zwischen Anbietern und Nachfragern. Gleichwohl wird das Unternehmen als wertvoller eingeschätzt als fast alle internationalen Hotelketten.
Die Sharing Economy beschränkt sich aber längst nicht mehr nur auf den Taxi- und den Hotelmarkt. So werden in den USA unter anderem Haushaltsgegenstände, Kredite, Mahlzeiten, Paketlieferungen oder Arbeiten jeglicher Art vermittelt. Allein in den letzten drei Jahren flossen weltweit über 20 Milliarden Dollar an Risikokapital in Sharing-Economy-Start-ups.
Mehr Auswahl, weniger Kosten
Für Konsumenten ist diese Entwicklung erfreulich. Die Sharing Economy erweitert nicht nur die Palette an Gütern und Dienstleistungen, sie senkt auch die Such- und Transaktionskosten auf nahezu null: Ein Klick auf die App genügt, und der bestellte Fahrer steht in ein paar Minuten vor der Tür. Hinzu kommt, dass die Endpreise häufig deutlich tiefer liegen als bei herkömmlichen Angeboten. Dabei setzen verifizierte Bewertungssysteme starke Anreize für vorbildliches Verhalten und sorgen für eine hohe Transparenz: Wer etwa eine schmutzige Wohnung vermietet oder einen riskanten Fahrstil hat, findet keine Nachfrager mehr. Aus dieser Selbstregulierung entsteht ein effizienter Konsumentenschutz.
Es verwundert daher nicht, dass die Sharing Economy auch in der Schweiz Anklang findet: Gemäss einer vom Beratungsunternehmen Deloitte im Jahr 2015 durchgeführten repräsentativen Konsumentenumfrage hat fast jeder Fünfte bereits Güter und Dienstleistungen über Onlineplattformen geteilt, und in den nächsten zwölf Monaten wird dies sogar mehr als jeder Zweite tun.
Wachsender Widerstand
Die Zukunftsaussichten sind allerdings nicht nur rosig. Das Wachstumspotenzial der Sharing Economy ist zwar gross, doch gleichzeitig wächst auch der Widerstand, insbesondere aus den Reihen der bedrohten Unternehmen. Denn: Innovationen führen zwangsläufig zu einem Strukturwandel – was in der Folge oftmals den Ruf nach staatlichen Eingriffen auslöst.
Es ist klar: Gewisse Anpassungen der staatlichen Rahmenbedingungen sind nötig, um allfällige Graubereiche zu regeln und Fehlverhalten zu unterbinden. Wer aber Sharing-Economy-Unternehmen mit einer Unmenge an neuen Vorschriften und Gesetzen einschränken oder gar verbieten will, verkennt einerseits die funktionierende Selbstregulierung und riskiert anderseits, die Innovationsdynamik und damit das Wachstumspotenzial im Keim zu ersticken. Statt für gleich lange Spiesse zwischen etablierten und neuen Unternehmen sollte der Staat deshalb vielmehr für gleich kurze Spiesse sorgen – die Konsumenten wären ihm dafür dankbar.
- Der Autor hat diesen Beitrag zusammen mit Luc Zobrist, Economic Analyst beim Beratungsunternehmen Deloitte, verfasst. []
Zitiervorschlag: Grampp, Michael (2016). Konsumenten profitieren von Sharing Economy. Die Volkswirtschaft, 23. März.