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Bundesrat setzt auf Effizienz und Nachhaltigkeit

Effizienz und Nachhaltigkeit: Ein klarer Fokus der Agrarpolitik hilft den Schweizer Landwirten, die nötigen Absatzmärkte zu finden.

Bundesrat setzt auf Effizienz und Nachhaltigkeit

Konsumenten fordern Äpfel ohne Schadstoffe. Obstbauer im Thurgau. (Bild: Keystone)

Die Landwirtschaft ist ein wichtiger Teil der Schweizer Volkswirtschaft – nach wie vor. Einerseits produziert sie Nahrungsmittel und Dienstleistungen; andererseits trägt sie durch eine nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete Produktion auch zur sicheren Versorgung der Bevölkerung, zur Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen oder zur Pflege der Kulturlandschaft bei.

Dies ist auch so in der Bundesverfassung verankert. Basierend auf dem Artikel 104, ist im Laufe der Zeit ein komplexes System von Zielen und Aktionsplänen zu Umwelt und Wettbewerb entstanden.[1] Daraus wurde eine Vielzahl von Massnahmen abgeleitet. Monetär am wichtigsten sind sicherlich das Direktzahlungssystem und der Grenzschutz für Nahrungsmittel.

Eine Bilanz der bisherigen Reformen der Agrarpolitik zeigt: Die in der Bundesverfassung festgeschriebenen Ziele sind nach wie vor nicht vollständig erreicht. Zwar gab es in den letzten 20 Jahren durchaus Erfolge vorzuweisen. Namentlich der ökologische Fussabdruck der Schweizer Landwirtschaft hat sich verkleinert. So werden heute die Pflanzennährstoffe Stickstoff und Phosphor effizienter eingesetzt, und die Fläche mit hochwertiger Biodiversität ist gewachsen. Auf finanzieller Ebene wiederum konnte die Summe des gesamten Transferaufwands von den Steuerzahlern und den Konsumenten zu den Landwirten reduziert werden.

Dennoch bestehen immer noch grosse Herausforderungen. So haben sich die Fortschritte bei der Schonung der natürlichen Ressourcen und der Reduktion der Emissionen in den letzten Jahren stark verlangsamt. Gleichzeitig sind die Gesellschaft und die Konsumenten anspruchsvoller geworden: Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln beunruhigt beispielsweise immer weitere Kreise der Bevölkerung.

Regulierungsdickicht wächst


Das heutige System der Agrarpolitik mit seiner Vielzahl an Massnahmen und Programmen ist komplex. Vor allem die Regulierung im Bereich des Direktzahlungssystems stellt für die Landwirte eine zunehmende administrative Last dar. Diese hat mit der Agrarpolitik 2014–2017 aus Sicht der Betriebe noch einmal stark zugenommen. Auch der Aufwand in der Verwaltung ist gestiegen. Dies spüren wiederum die Kantone, welche die Agrarpolitik im Auftrag des Bundes vollziehen. Der hohe Grad der Regulierung wirkt sich auch auf die Lebensmittelindustrie aus, wie das Beispiel Swissness zeigt.

Eine weitere Herausforderung in der Agrarpolitik sind die grossen Preisunterschiede zwischen der Schweiz und dem umliegenden Ausland. Eine Folge davon ist der zunehmende Einkaufstourismus – mittlerweile kaufen sogar Konsumenten aus der Zentralschweiz in Deutschland ein. Die Preisdifferenzen stellen auch für die exportierende Lebensmittelindustrie eine Herausforderung dar, insbesondere deshalb, weil sich die Schweiz bei der WTO verpflichtet hat, alle Ausfuhrbeiträge abzuschaffen. Noch ist unklar, wie sich die Branchen arrangieren werden, damit auch in Zukunft Exporte ohne den Preisausgleich durch den Bund möglich sind.

Angesichts dieser Herausforderungen muss die Agrarpolitik weiterentwickelt werden. Dabei gilt es, die bestehenden agrarpolitischen Instrumente auf ihre Effektivität und Effizienz hin zu prüfen und – falls diese Prüfung zu einem negativen Resultat kommt – abzuschaffen. Gleichzeitig ist es notwendig, gezielt neue Instrumente einzuführen.

Nachhaltige Produktion und Ressourcennutzung


Der Bundesrat richtet die künftige Agrarpolitik nach drei Schwerpunkten aus. Der erste Fokus betrifft die Nachhaltigkeit. So sollen die Landwirte, primär durch eine Verbesserung der Ressourceneffizienz, kontinuierlich die Belastung der Umwelt reduzieren. Damit steigern sie auch die Konkurrenzfähigkeit und die Attraktivität der inländischen Produkte.

Die Grundlagen dazu werden zurzeit unter anderem im Aktionsplan zur Risikoreduktion im Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erarbeitet. Dieser enthält Anreizmechanismen wie Direktzahlungen für Produktionssysteme, bei denen wenig Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Gleichzeitig sollen Lenkungsabgaben die Attraktivität von Pestiziden schmälern. Und schliesslich muss die Auswahl an Pflanzenschutzmitteln durch den Gesetzgeber geprüft und wo notwendig eingeschränkt werden.

Die Diskussionen in der Erarbeitung dieses Aktionsplanes zeigen: Zur Erreichung eines volkswirtschaftlich effizienten Sets an Massnahmen müssen vermehrt Diskussionen zu Standards geführt werden. Insbesondere stellt sich die Frage: Was erachtet die Gesellschaft als Minimalstandard?

Ein System, das auf Anreizen basiert, ist dabei nicht zur Einhaltung dieser Standards geeignet. Vielmehr ist vermehrt auf Gebote oder «Abreize» zu setzen. Erst wenn die Landwirtschaft mehr leistet, als die Minimalstandards vorgeben, soll mit Anreizsystemen operiert werden.

Unternehmerische Entfaltung der Betriebe


Den zweiten Schwerpunkt richtet der Bundesrat auf die Bauern als Unternehmer. Die (vielfältigen) Betriebe richten ihr Angebot auf den Markt sowie auf die Bereitstellung der von der Gesellschaft gewünschten Agrarökosystemleistungen aus. Dazu brauchen sie die nötigen Freiräume.

Hier steht der Staat vor allem in administrativer Hinsicht in der Pflicht: Einfachere Handlungsanweisungen oder Kontrollen sind kurzfristig durchaus machbar. In den letzten zwei Jahren konnten mit einer systematischen Überprüfung des Landwirtschaftsrechtes bereits einige Vereinfachungen vorgenommen werden. Künftig ist es jedoch notwendig, dass eine Deregulierung ins Auge gefasst wird, die jedoch nicht von den gültigen Zielen abweicht.

Eng damit verbunden ist ein Fokuswechsel von genauen Handlungsanweisungen zu einer wirkungsbezogenen Zielvorgabe. Dadurch erhalten die Unternehmer mehr Handlungsspielraum. Gleichzeitig steigt ihre Eigenverantwortung.

Hierzu müssen grundlegendere Diskussionen geführt werden. Diese drehen sich letztendlich auch um die Frage, wie zukünftig das Verhältnis zwischen der öffentlichen Hand als «Principal» und den privaten Akteuren als «Agent» geregelt sein soll. Daneben soll die Landwirtschaft auch stärker für Quereinsteiger «geöffnet» werden. Studien zeigen, dass diese oft einen frischen Wind in die Betriebe bringen, alte Muster aufbrechen helfen und damit zu flexibleren Strukturen beitragen.

Erfolgreicher Absatz auf den Märkten


Der dritte Fokus des Bundesrats betrifft die Absatzmärkte. Die unternehmerischen Freiräume haben einen grossen Einfluss darauf, wie gut sich die Betriebe auf den Markt ausrichten können. Eine Weiterentwicklung der Agrarpolitik soll deshalb Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass die Land- und Ernährungswirtschaft als Teil einer offenen Volkswirtschaft ihre Wertschöpfung in wachsenden Märkten im Inland und im Export erhöht.

Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass die Schweizer Märkte für Nahrungsmittel trotz grundsätzlich hohem Grenzschutz bereits heute international vernetzt sind. Dies ist am besten sichtbar beim Käse; aber auch der gesamte Milchmarkt ist stark den Entwicklungen auf dem internationalen Markt ausgesetzt. Weiter führt der Einkaufstourismus dazu, dass sich die Märkte annähern. Und nicht zuletzt verlangen unsere Handelspartner bei Abkommen – im Gegenzug für Zugeständnisse in der Industrie und bei Dienstleistungen – vermehrt einen weiter gehenden Marktzugang im Agrarbereich.

Die Agrarpolitik muss dazu beitragen, dass die Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft in Zukunft Rahmenbedingungen vorfindet, die ihr den erfolgreichen Absatz ihrer Produkte erlauben. Dazu gehört, dass die Produktion und der wirtschaftliche Absatz von qualitativ hochwertigen, differenzierten Produkten gefördert werden. Dies kann über eine zeitlich befristete Anschubfinanzierung von erfolgversprechenden Projekten geschehen – oder aber vor allem über den Zugang zu potenziellen Absatzmärkten weltweit.

Grundsatzfragen zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik


Bei einem Landwirtschaftsbudget von insgesamt über 3 Milliarden Franken jährlich stellt sich die Frage nach der bestmöglichen Allokation der Mittel. Zukünftig wird es deshalb noch stärker als heute darum gehen, die Mittel auf die Erreichung von generell akzeptierten Zielen bzw. Erwartungen zu fokussieren. Dazu ist es nach meinem Ermessen notwendig, eine Diskussion zu folgenden vier Fragen zu führen:

  1. Wie können die Bundesmittel – unter Berücksichtigung der jeweiligen Opportunitätskosten – effizient eingesetzt werden, um das gewünschte Angebot an Umweltleistungen zu erhalten?
  2. Wie können die Bundesmittel effizient eingesetzt werden, damit diejenigen Landwirte honoriert werden, die am Markt erfolgreich sein wollen und sind?
  3. Wie können die Bundesmittel effizient eingesetzt werden, damit diejenigen Landwirte honoriert werden, die die wirtschaftliche Effizienz ihrer Betriebe verbessern?
  4. Wie können die Bundesmittel effizient eingesetzt werden, damit die Nachteile von Effizienzunterschieden im Vergleich zum Ausland ausgeglichen werden, wenn es für diese eine öffentliche Erwartung/Nachfrage gibt?


In der Vernehmlassung zum Zahlungsrahmen 2018 bis 2021 hat der Bundesrat angekündigt, keine Gesetzesänderungen vornehmen zu wollen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Agrarpolitik stillstehen wird. Die Zeit wird genutzt werden, um zum einen die Regelungen auf Stufe Verordnung weiterzuentwickeln. Zum anderen werden in dieser Zeit auch die Grundlagen erarbeitet für die weitere Entwicklung des Landwirtschaftsgesetzes ab dem Jahr 2022. Denn trotz der bisher erreichten Verbesserungen bei der Agrarpolitik besteht noch Potenzial für weitere Optimierungen. Der Bundesrat wird seine Pläne im Rahmen der Gesamtschau 2016 präzisieren.

  1. Zum Beispiel die Umweltziele Landwirtschaft (UZL); Aktionsplan Pflanzenschutzmittel; Ziel «Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Land- und Ernährungswirtschaft». []

Zitiervorschlag: Bernard Lehmann (2016). Bundesrat setzt auf Effizienz und Nachhaltigkeit. Die Volkswirtschaft, 25. Mai.