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Steuerabzug für Kinderdrittbetreuung steigert Beschäftigung

Höhere Steuerabzüge für die Kinderdrittbetreuung lohnen sich aus volkswirtschaftlicher Sicht. Denn: Viele Mütter von kleinen Kindern gehen aus finanziellen Überlegungen nur einem kleinen Erwerbspensum nach.

Steuerabzug für Kinderdrittbetreuung steigert Beschäftigung

Teurer Aufenthalt: Für viele Familien zahlt sich ein Kita-Platz ab einem bestimmten Beschäftigungsgrad finanziell nicht mehr aus. (Bild: Keystone)

Wie kann das inländische Fachkräftepotenzial besser genutzt werden? Mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative am 9. Februar 2014 ist diese Frage in den Vordergrund gerückt. Bei einem Vergleich der OECD-Statistiken wird schnell klar, wo der Grossteil des noch inaktiven Potenzials in der Schweiz liegt: bei der weiblichen Erwerbsbevölkerung.

Zwar fällt die Beschäftigungsquote der Frauen im internationalen Vergleich hoch aus. Dennoch sind die geleisteten Arbeitsstunden aufgrund des hohen Anteils an Teilzeiterwerbstätigen im OECD-Vergleich gering: Lediglich in den Niederlanden arbeiten Frauen im Vergleich zu den Männern noch weniger als in der Schweiz.[1] Als Gründe für die hohe Teilzeitquote sieht die OECD ein unzureichend ausgebautes und – falls nicht subventioniertes – zu teures Kinderbetreuungssystem, geschlechterspezifische Lohnunterschiede, ungleiche Karrieremöglichkeiten und hohe Steuerbelastungen für Zweitverdiener.

Kinderdrittbetreuungskosten stellen im ökonomischen Sinne Kosten dar, die in Kauf genommen werden müssen, um einer Erwerbstätigkeit nachgehen zu können. Da sie nur teilweise steuerlich abziehbar sind (siehe Kasten), können sie die Kosten einer Erwerbsaufnahme oder einer Erwerbsausweitung zusätzlich erhöhen und damit negative Erwerbsanreize für Eltern von kleinen Kindern verursachen.

Grösstes Potenzial bei Eltern von Kleinkindern


Um Einsicht in die Verteilung der Kinderbetreuungskosten sowie deren steuerliche Abzugsfähigkeit zu erlangen, hat die Eidgenössische Steuerverwaltung Daten der Kantone Aargau und Bern ausgewertet.[2]

Erwartungsgemäss schwanken die Abzüge je nach Alter des Kindes stark (siehe Abbildung 1). Ins Gewicht fallen die Betreuungskosten vor allem für Eltern mit Kleinkindern: Die Kinderdrittbetreuungskosten übersteigen bei den 1- bis 2-Jährigen in mehr als zehn Prozent der Fälle den beim Bund maximal gewährten Betrag von 10’100 Franken und fallen damit steuerlich teilweise ins Leere. Die grosse Abzugsspannweite innerhalb der gleichen Alterskategorie deutet aber auf unterschiedliche Betreuungs- und Erwerbssituationen hin. Ab dem Kindergartenalter scheint die Begrenzung des Betreuungsabzugs nur noch in den wenigsten Fällen ein Hindernis darzustellen.

Abb. 1: Inanspruchnahme des Bundessteuerabzugs (nach Alter des Kindes)




Anmerkung: Der maximale Abzug für Drittbetreuungskosten bei der Bundessteuer beträgt 10’100 Franken. Die Steuererklärungen wurden nach Höhe dieser Abzüge geordnet. Die obere Grenze (bzw. die untere Grenze) zeigt den Wert an, welcher in zehn Prozent der Fälle überschritten (unterschritten) wird. Nur Kinder, für die ein Abzug geltend gemacht wurde und deren Eltern 2012 im Kanton Bern steuerpflichtig waren, sind aufgeführt.

Quelle: Morger (2015a) / Die Volkswirtschaft

Ausserdem zeigt sich, dass insbesondere Familien mit egalitären Familienkonstellationen (also solche, in welchen beide Ehepartner ähnlich viel verdienen) von der heutigen steuerlichen Situation negativ betroffen sind. Dasselbe gilt für Eltern mit hohen Erwerbseinkünften: Hier dürfte dies auch damit zusammenhängen, dass die Betreuungstarife stark progressiv ausgestaltet sind und ab einer bestimmten Einkommenshöhe der Eltern die Subventionen ganz entfallen. So reicht der derzeitige Bundessteuerabzug bei einem nicht subventionierten Platz in einer Kindertagesstätte (Kita) für knapp zwei Betreuungstage pro Woche aus. Da der Abzug in den meisten Kantonen tiefer ausfällt als auf Bundesebene, dürften auf Kantons- und Gemeindeebene mehr Eltern von den derzeitigen Abzugsobergrenzen betroffen sein.

Wenn sich Erwerbstätigkeit finanziell nicht lohnt


Eine Aufhebung der Abzugslimiten käme somit vor allem Eltern von unter fünfjährigen Kindern zugute. Genau hier dürfte auch das grösste Potenzial liegen, da Mütter mit Kleinkindern überdurchschnittlich oft nicht oder nur mit geringen Pensen (weniger als 50 Prozent) erwerbstätig sind. Gleichzeitig ist die Belastung durch Steuern, Abgaben und Betreuungskosten gerade für Familien mit kleinen Kindern hoch – oftmals ist diese so bedeutend, dass sich eine Erwerbsaufnahme oder -ausweitung des Zweitverdieners finanziell kaum lohnt oder sogar zu Lohneinbussen führt. Dies macht eine Vielzahl von Studien deutlich, welche für verschiedene Familienkonstellationen und diverse Wohnorte durchgeführt wurden.[3]

Exemplarisch wird dies für eine Familie mit zwei kleinen Kindern und Wohnsitz in der Stadt Zürich aufgezeigt. Es wird für beide Partner ein Brutto-Potenzialeinkommen von je 100’000 Franken unterstellt.[4] Untersucht wird, inwiefern sich eine Aufnahme oder Ausweitung der Beschäftigung seitens der Ehefrau lohnt, wenn der Ehemann bereits einen Beschäftigungsgrad von 100 Prozent aufweist und jede zusätzliche Ausweitung des Erwerbsvolumens der Ehefrau eine Kita-Betreuung der Kinder in gleichem Umfang erfordert.

Das Beispiel zeigt, dass sich für die Ehefrau eine Erwerbstätigkeit finanziell nur beschränkt lohnt (siehe Abbildung 2): Bereits bei einer Erwerbsausweitung von 40 Prozent auf 60 Prozent verbleibt nur knapp ein Drittel (31%) des Bruttolohnzuwachses in der Familie. Fast die Hälfte des Lohnzuwachses wird in diesem Fall für die Kinderbetreuung wieder ausgegeben, und 15 Prozent werden der Familie via Steuern und Sozialabgaben entzogen.

Ab einem Beschäftigungsgrad von 60 Prozent sinkt bei einer Ausweitung des Pensums sogar der Nettolohn. Der Hauptgrund dafür sind die progressiven Kita-Tarife in der Stadt Zürich. So muss bei einer Erwerbsausweitung von 80 auf 100 Prozent fast das komplette Zusatzeinkommen für die Kinderbetreuung ausgegeben werden. Aber auch aufgrund der zusätzlichen Steuerbelastung lohnt sich eine Erwerbsausweitung finanziell nicht mehr.

Abb. 2: Heute: Mehr arbeiten – was bleibt netto?


Abb. 3: Reformszenario: Mehr arbeiten – was bleibt netto?




Anmerkung zu Abbildungen 2 und 3: Angaben in Prozent des zusätzlichen Erwerbseinkommens des Zweitverdieners. Annahmen: Familie mit zwei Kindern, Wohnort Zürich, Steuerperiode 2013, Bruttoerwerbseinkünfte des Erst- und Zweitverdieners bei einem Beschäftigungsgrad von 100 Prozent: je 100’000 Franken. Im Reformszenario wird die Obergrenze der Drittbetreuungsabzüge auf 24’000 Franken angehoben (Bundes- und Kantonssteuer).


Quelle: ESTV (2015) / Die Volkswirtschaft

Reform bringt Mütter auf den Arbeitsmarkt


Bei einer Reform des Abzugs für Kinderdrittbetreuungskosten ergeben sich grundsätzlich zwei Handlungsoptionen: Entweder wird die Obergrenze angehoben – oder Kinderdrittbetreuungskosten werden generell als berufsnotwendige Aufwendungen (sogenannte Gewinnungskosten) anerkannt und berechtigen unbeschränkt zum Abzug. Würden diese im Steuerrecht als Gewinnungskosten anerkannt, müssten sie sowohl bei Bund als auch bei Kantonen und Gemeinden effektiv zum Abzug zugelassen werden. Bei einer Erhöhung der Abzugsobergrenze bei der direkten Bundessteuer wäre es hingegen den Kantonen überlassen, ob sie im kantonalen Einkommenssteuerrecht ebenfalls eine Anpassung vornehmen möchten.

Bereits bei einer Erhöhung der Obergrenze auf 24’000 Franken (Bundes- und Kantonssteuer) würde im vorliegenden Beispiel der Anreiz erhöht, den Beschäftigungsgrad zu erhöhen. So verblieben dem Zweitverdiener bei einer Ausweitung des Beschäftigungsgrads von 60 Prozent auf 80 Prozent immerhin noch 28 Prozent des Zusatzlohnes (siehe Abbildung 3). Im Status quo wird hingegen mehr als der komplette Zusatzlohn (–106%) entzogen.

Interessanterweise nimmt infolge einer Erhöhung des Kinderdrittbetreuungsabzugs auf 24’000 Franken bei Bund und Kantonen aber nicht nur die Steuerbelastung ab, sondern auch die Drittbetreuungskosten sinken. Denn diese hängen in vielen Kantonen vom nun tieferen steuerbaren Einkommen ab. Dieses Ergebnis führt vor Augen, welche Konsequenzen die fehlende Abstimmung des Steuersystems mit anderen (äusserst progressiven) Transfersystemen haben kann.

Könnten Kinderdrittbetreuungskosten unbeschränkt zum Abzug gebracht werden, dann wäre kurz- bis mittelfristig in der Schweiz mit einer Zunahme um schätzungsweise 4800 Vollzeitstellen zu rechnen.[5] Langfristig dürften die Beschäftigungswirkungen – gemäss Erkenntnissen der internationalen Forschung[6] – deutlich positiver ausfallen. Der Grund liegt darin, dass wichtige Entscheidungen wie Kinderwunsch und Heirat oder Aus- und Weiterbildungsmassnahmen nach einer Veränderung der institutionellen Rahmenbedingungen angepasst werden. Dies wiederum beeinflusst die langfristige Erwerbsentscheidung.

Gesamtabwägung erforderlich


In der politischen Diskussion werden verschiedene Argumente gegen eine Berücksichtigung der Kinderdrittbetreuungskosten im Steuersystem genannt. Wie die im November 2013 an der Urne abgelehnte Volksinitiative über einen Eigenbetreuungsabzug[7] gezeigt hat, wird die Diskussion insbesondere auf gesellschaftspolitischer Ebene geführt. So bestehen unterschiedliche Ansichten darüber, wie die Betreuung innerhalb der Familie gegenüber der Fremdbetreuung steuerlich zu behandeln ist.

Auch aus föderalistischen Überlegungen könnte eine uniforme Ausweitung des Abzugs abgelehnt werden, da die Kantone diese Kosten verschieden behandeln und eine unterschiedliche Politik hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie und Beruf verfolgen. Schliesslich erfolgt die Debatte auch entlang verteilungspolitischer Überlegungen. Argumentiert wird, dass von einem Kinderdrittbetreuungsabzug hauptsächlich die oberen Einkommensgruppen profitieren würden und die uneingeschränkte Anerkennung der Betreuungskosten als Gewinnungskosten die Gefahr berge, dass auch Luxusbetreuungen zum Abzug berechtigen.

Diese Aspekte sind – soweit sie geteilt werden – den positiven Effekten auf Volkswirtschaft und Gleichstellung gegenüberzustellen. Schliesslich sind in einer Gesamtabwägung auch die finanziellen Auswirkungen auf den Fiskus zu berücksichtigen: Berechnungen hierzu legen nahe, dass sich ein in der Höhe unlimitiert gewährter Kinderdrittbetreuungsabzug infolge der positiven Beschäftigungseffekte kurz- bis mittelfristig selber finanziert.

  1. Vgl. OECD (2013), S. 34. []
  2. Vgl. Morger (2015a). []
  3. Vgl. z. B. Bütler (2007); Bonoli et al. (2010); INFRAS (2012). []
  4. Vgl. für dieses Beispiel und weitere Fallkonstellationen ESTV (2015). []
  5. Vgl. Morger (2015b). []
  6. Vgl. Keane (2011). []
  7. Eidgenössische Volksinitiative «Familieninitiative: Steuerabzüge auch für Eltern, die ihre Kinder selber betreuen». []

Literaturverzeichnis

  • Bonoli Giuliano, Aurélien Abrassart und Regula Schlanser (2010). La politique tarifaire des réseaux d’accueil de jour des enfants dans le Canton de Vaud. Lausanne: IDHEAP.
  • Bütler, Monika (2007). Arbeiten lohnt sich nicht – ein zweites Kind noch weniger. Zum Einfluss einkommensabhängiger Tarife in der Kinderbetreuung. Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 8(1), S. 1-9.
  • ESTV (2015). Unterschiedliche Behandlung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren bei der direkten Bundessteuer und steuerliche Behandlung der Kinderdrittbetreuungskosten. Bern: ESTV.
  • Infras (2012). Familienfreundliche Steuer- und Kinderbetreuungstarifsysteme. Vergleich der Kantone Basel-Stadt und Zürich. Zürich: Infras.
  • Keane, Michael P. (2011). Labor Supply and Taxes: A Survey. Journal of Economic Literature, 49(4), S. 961-1075.
  • Morger, Mario (2015a). Kinderdrittbetreuungskosten und steuerliche Abzugsfähigkeit – Erkenntnisse aus den Steuerdaten der Kantone Aargau und Bern. Bern: ESTV.
  • Morger, Mario (2015b). Welche Beschäftigungseffekte lösen steuerliche Entlastungen für Ehepaare und Eltern aus? Bern: ESTV.
  • OECD (2013). OECD Economic Surveys: Switzerland 2013. Paris: OECD Publishing.

Bibliographie

  • Bonoli Giuliano, Aurélien Abrassart und Regula Schlanser (2010). La politique tarifaire des réseaux d’accueil de jour des enfants dans le Canton de Vaud. Lausanne: IDHEAP.
  • Bütler, Monika (2007). Arbeiten lohnt sich nicht – ein zweites Kind noch weniger. Zum Einfluss einkommensabhängiger Tarife in der Kinderbetreuung. Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 8(1), S. 1-9.
  • ESTV (2015). Unterschiedliche Behandlung von Ehepaaren und Konkubinatspaaren bei der direkten Bundessteuer und steuerliche Behandlung der Kinderdrittbetreuungskosten. Bern: ESTV.
  • Infras (2012). Familienfreundliche Steuer- und Kinderbetreuungstarifsysteme. Vergleich der Kantone Basel-Stadt und Zürich. Zürich: Infras.
  • Keane, Michael P. (2011). Labor Supply and Taxes: A Survey. Journal of Economic Literature, 49(4), S. 961-1075.
  • Morger, Mario (2015a). Kinderdrittbetreuungskosten und steuerliche Abzugsfähigkeit – Erkenntnisse aus den Steuerdaten der Kantone Aargau und Bern. Bern: ESTV.
  • Morger, Mario (2015b). Welche Beschäftigungseffekte lösen steuerliche Entlastungen für Ehepaare und Eltern aus? Bern: ESTV.
  • OECD (2013). OECD Economic Surveys: Switzerland 2013. Paris: OECD Publishing.

Zitiervorschlag: Mario Morger (2016). Steuerabzug für Kinderdrittbetreuung steigert Beschäftigung. Die Volkswirtschaft, 25. Mai.

Steuerabzüge für die Kinderbetreuung

Der Abzug für Kinderdrittbetreuungskosten ist bei der direkten Bundessteuer auf 10’100 Franken je Kind unter 14 Jahren beschränkt. Die Kantone kennen vom Bund abweichende Abzugshöhen. So beträgt der Maximalabzug für die Steuerperiode 2015 in den Kantonen Nidwalden und Wallis 3000 Franken, in Bern 3100 Franken, in Zürich 10’100 Franken und im Kanton Neuenburg 19’200 Franken. Lediglich im Kanton Uri können die effektiven Kosten in Abzug gebracht werden.