Für ein kleines, rohstoffarmes Land wie die Schweiz ist der Aussenhandel eine wichtige Wachstumsstütze. Zwischen 1995 und 2015 hat der Aussenhandel mehr als ein Viertel zum Wachstum des Schweizer Bruttoinlandprodukts (BIP) beigetragen.[1] Neben der expandierenden Exportwirtschaft profitieren dabei auch die Konsumenten sowie das produzierende Gewerbe von preiswerten und vielseitigen Importen (siehe Kasten 1).
Für die Schweizer Aussenwirtschaftspolitik sind Freihandelsabkommen (FHA; siehe Kasten 2), neben den Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) zur multilateralen Liberalisierung sowie den bilateralen Abkommen mit der EU, ein wichtiges Instrument, welches die (autonome) allgemeine Wirtschaftspolitik ergänzt. Gemeinsames Ziel dieser Instrumente ist der erleichterte Zugang zu Absatz- und Beschaffungsmärkten durch den Abbau von Handelshemmnissen.
Der ursprüngliche Zweck von Freihandelsabkommen ist der Abbau von Importzöllen, welcher sich direkt auf Einsparungen für den Exportsektor und auf tiefere Einfuhrzölle auswirkt. Im Jahr 2014 betrug der durchschnittliche Einfuhrzoll der Schweiz rund 7 Prozent (2006 waren es noch rund 8 Prozent). Im Vergleich mit ihren Partnerländern gehört die Schweiz bezüglich Industriegüter somit zu den Ländern mit den tiefsten Einfuhrzöllen, während sie bezüglich landwirtschaftlicher Produkte mit einem durchschnittlichen Zoll von über 36 Prozent zu den Staaten mit den höchsten Zöllen zählt.[2] Entsprechend gehen in den Schweizer Freihandelsabkommen die Zugeständnisse im Handel mit Landwirtschaftserzeugnissen deutlich weniger weit als der fast vollständige Zollabbau bei den Industrieprodukten.
Grosse Mehrheit der Schweizer Exporte in FHA-Partnerländer
Die Anzahl von Freihandelsabkommen hat weltweit stark zugenommen: Waren 2005 noch 125 Abkommen bei der WTO notifiziert, hat sich deren Anzahl bis heute auf fast 280 mehr als verdoppelt.[3] Auch die Schweiz hat ihr Netz von Freihandelsabkommen stark ausgebaut: Die ersten Verträge waren die Efta-Konvention 1960 sowie das Freihandelsabkommen von 1972 mit der EU. Heute fliessen rund 54 Prozent der Schweizer Warenexporte in die EU/Efta-Staaten.
Zusätzlich zu diesen beiden Vertragswerken hat die Schweiz 28 Freihandelsabkommen mit 38 weiteren Staaten abgeschlossen. Davon traten 19 Verträge in den letzten 10 Jahren in Kraft.[4] Diese Abkommen mit Partnern ausserhalb der EU/Efta vereinfachen für Schweizer Unternehmen den Marktzugang zu insgesamt 2,2 Milliarden Konsumenten und einem Bruttoinlandprodukt (BIP) von über 24 Billionen Dollar.[5] Gleichzeitig öffnen sie die Türen für ausländische Produzenten. Die Schweizer Exporte in diese Länder machen heute rund 23 Prozent des Totals aller Warenausfuhren aus. Nimmt man die EU/Efta-Staaten dazu, gehen über drei Viertel aller Exporte in FHA-Partnerstaaten.[6]
Der Abbau von Handelshemmnissen hat mit der Aufteilung der globalen Wertschöpfungsketten zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Einzelne Produktionsschritte finden heute in verschiedenen Ländern und Regionen statt: Gehandelt wird nicht mehr nur das Endprodukt, sondern vermehrt auch Zwischenprodukte und Halbfabrikate. Jeder zusätzliche Grenzübertritt einer Ware birgt somit das Risiko neuer Handelshemmnisse, welche sich kumulieren.
Der effizienteste Weg zum Abbau von Handelshemmnissen geht über die multilaterale Ebene im Rahmen der WTO. Allerdings kommen diese Verhandlungen nur langsam voran, unter anderem wegen unterschiedlicher Interessen: Während die Entwicklungs- und Schwellenländer eine Liberalisierung des Agrarhandels und einen Abbau der Agrarstützung in Industrieländern fordern, verlangen letztere eine Verbesserung des Marktzugangs für Industrieprodukte, weiterreichende Regeln beim öffentlichen Beschaffungswesen sowie beim geistigen Eigentum sowie vermehrt auch wieder multilaterale Disziplinen im Bereich der Wettbewerbspolitik und bei den Investitionen.
In dieser Situation bieten sich Freihandelsabkommen aufgrund ihrer flexiblen Ausgestaltung als Alternative an. Dabei entwickelt sich eine gewisse Eigendynamik: Freihandelsabkommen können zu einer indirekten Diskriminierung von Drittstaaten führen, welche keinen präferenziellen Marktzugang zu den Vertragsstaaten haben. Für diese Drittstaaten entsteht ein Anreiz, sich anhand weiterer Abkommen ebenfalls präferenziellen Marktzugang zu verschaffen
Ein Vergleich des Schweizer Netzes von Freihandelsabkommen mit jenem der wichtigsten Handelspartner zeigt, dass die Schweiz bis anhin solche Benachteiligungen weitgehend vermeiden konnte. Heikel wird es jedoch, wenn das geplante transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA zustande kommt: Je nach Ausgestaltung des Abkommens entstehen für Schweizer Unternehmen Nachteile gegenüber ihren europäischen und amerikanischen Konkurrenten.[7]
Spaghetti Bowl: Regelwerk immer unübersichtlicher
Im Durchschnitt verdoppelt sich das Handelsvolumen zwischen zwei Freihandelspartnern zwischen 10 und 15 Jahre nach Inkrafttreten eines Abkommens. Dies zeigen empirische Untersuchungen. Die Grössenordnung bestätigt sich auch für die Schweiz (siehe Abbildung 1). So hat sich beispielsweise das Handelsvolumen zwischen der Schweiz und Mexiko in vier Jahren nach Inkrafttreten des Freihandelsabkommens um 37 Prozent erhöht.[8]
Abb. 1: Entwicklung der Schweizer Exporte in FHA-Partnerländer
Anmerkung: Berücksichtigt sind die Freihandelsabkommen mit Staaten ausserhalb der EU, welche spätestens 2012 in Kraft getreten sind. Aufgrund sehr hoher Schwankungen im Handelsvolumen und langer Perioden ohne bilateralen Handel sind Namibia, Botswana und Lesotho, die Palästinensischen Autonomiebehörden sowie die Färöer-Inseln nicht erfasst.
Quelle: Eigene Berechnungen basierend auf Daten der Schweizer Aussenhandelsstatistik / Die Volkswirtschaft
Die zunehmende Anzahl an Verträgen führte zu einem sich überlappenden Netz von Freihandelsabkommen mit unterschiedlich spezifizierten Regeln. Seit 1990 hat sich diese sogenannte Spaghetti Bowl[9] zunehmend verdichtet (siehe Abbildung 2). Solche Regeln betreffen beispielsweise Herkunftsnachweise von Produkten. Diese sogenannten Ursprungsregeln verlangen, dass ein Produkt vollständig im Gebiet des Vertragsstaats hergestellt oder in diesem ausreichend verarbeitet wird. Die Bestimmungen können jedoch stark variieren und benötigen bei vielfältigen Produktionsschritten in verschiedenen Ländern zusätzliche Regeln zur Kumulierung des Ursprunges. Damit soll verhindert werden, dass Güter aus einem Drittstaat über einen Freihandelspartner zollfrei importiert werden. Entsprechend ist die Komplexität dieser Regelwerke für Exporteure und Importeure oft mit einem spezialisierten Wissen und einem administrativen Aufwand verbunden.
Abb. 2: Weltweites Netz von Freihandelsabkommen (1990 und 2014)
Quelle: Inter-American Development Bank / Die Volkswirtschaft
Auf praktischer Ebene können diese impliziten Kosten dazu führen, dass Unternehmen teilweise auf die präferenzielle Verzollung verzichten und ihre Waren zum Normalzoll einführen. Untersuchungen zu den Schweizer Freihandelsabkommen zeigen denn auch: Unternehmen nutzen die Abkommen äusserst effizient – am intensivsten jedoch bei jenen Produktgruppen, wo die realisierbaren Zolleinsparungen hoch sind.[10]
Kritisch diskutiert wird auch der Effekt der oben erwähnten indirekten Diskriminierung der Nicht-Freihandelspartner. So kann ein Freihandelsabkommen auch dazu führen, dass ein Produzent eines Partnerstaates gegenüber einem effizienteren Produzenten aus einem Drittstaat bevorzugt wird. In diesem Fall resultiert aus dem Abkommen eine Handelsverzerrung. Studien zeigen jedoch: Dies ist die Ausnahme, da Freihandelsabkommen bevorzugt zwischen jenen Handelspartnern abgeschlossen werden, die bereits regen Handel miteinander betreiben. Dadurch reduziert sich die potenziell handelsverzerrende Wirkung stark.[11]
Wichtiges Instrument zur Handelsförderung
Angesichts der schwierigen multilateralen Verhandlungen im Rahmen der WTO und der Tendenz zu grossen regionalen Freihandelsabkommen wie dem TTIP oder der Trans-Pacific Partnership (TPP) zwischen den USA, Japan und weiteren Pazifikstaaten dürften Freihandelsabkommen als pluri- oder bilaterales Instrument der Schweizer Aussenwirtschaftspolitik auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Dafür spricht auch, dass neuere Verträge neben dem Warenverkehr und dem geistigen Eigentum zunehmend auch Regeln zum stark ansteigenden Handel mit Dienstleistungen, zu Investitionen oder zum öffentlichen Beschaffungswesen enthalten.
Zur weiteren Stärkung des Aussenhandels dürften die Vereinfachung des Regelwerks – weltweit – und damit auch die effizientere Nutzung der Abkommen im Zentrum stehen. Mit Neuverhandlungen wird diesem Ziel bereits Rechnung getragen. Ergänzend sind weiterhin auch unilaterale Massnahmen zur Importerleichterung wichtig – wie die Vereinfachung und die Modernisierung der Zollverfahren oder ein weiterer Zollabbau im Bereich der Industrieprodukte. Denn: Aufgrund der zunehmenden globalen Wertschöpfungsketten kommen Importerleichterungen auch der Exportindustrie zugute.
- Eigene Berechnungen auf Basis der BIP-Quartalsschätzungen des Seco. []
- Ungewichteter Durchschnitt, angewandte Einfuhrzölle (WTO, 2014) Bei Lebensmitteln und Agrargütern haben Zollkontingente die grössere Bedeutung als Zölle. []
- Anzahl notifizierte physische Abkommen bei der WTO, welche in Kraft sind (Stand April 2016), siehe Rtais.wto.org. []
- Liste der Freihandelsabkommen der Schweiz auf Seco.admin.ch. []
- Daten für 2014 aus der World-Development-Indicators-Datenbank der Weltbank. []
- EZV, Daten für 2015. []
- Siehe Bericht des Bundesrates zur Aussenwirtschaftspolitik (2016). []
- Baier und Bergstrand (2010), für eine Übersicht bisheriger Studien siehe Kepaptsoglou et al. (2010). []
- Jagdish Bhagwati (1995). []
- Ziltener und Blind (2014). []
- Freund und Ornelas (2010). []