Die Messehalle von Herzog & de Meuron in Basel wurde mit einem Minergie-Zertifikat ausgezeichnet. Die Rheinstadt setzt auf einen nachhaltigen Energieverbrauch. (Bild: Keystone)
Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt in Städten. Dort fallen zwei Drittel des gesamten Energieverbrauchs und fast drei Viertel der Treibhausgas-Emissionen an. Diese Anteile werden noch zunehmen, und die sich beschleunigende Urbanisierung bringt für Städte nie da gewesene Herausforderungen.
Dabei geht es nicht nur um komplexe Infrastrukturdienstleistungen für Energie, Transport, Wasser und Abwasser, Abfallentsorgung und Telekommunikation. Sondern es gilt auch soziale Ansprüche, ein steigendes Sicherheitsbedürfnis und hohe Erwartungen an die Erholungsqualität und die Attraktivität der Städte aus der Bevölkerung zu erfüllen. Zentral sind insbesondere Spitäler, Schulen und Verkehrsbetriebe. Die sogenannten Megacities entwickeln sich dabei zu globalen Akteuren, die sich um Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit bemühen müssen. Dabei sind sie auf engagierte ökonomische und politische Akteure angewiesen.
Je höher der Urbanisierungsgrad, desto mehr steigen die Umweltbelastung für die lokale Bevölkerung und der Ressourcenverbrauch. Diese globale Erkenntnis führt Städte unweigerlich zum Smart-City-Konzept: Kein Wunder, ist das Wort in aller Munde. In dieser dynamischen Situation gehen die Vorstellungen auseinander: Stadtplaner, Ingenieure, Marketingexperten, Architekten oder Kommunikationsexperten – alle haben ihre eigene Sichtweise. So fehlt eine allgemeine Begriffsdefinition, und unterschiedliche Ansätze und Konzepte konkurrenzieren sich.
Grundsätzlich ist man sich lediglich einig: Mithilfe des Einsatzes von modernen Kommunikationstechnologien und einer vernetzten Herangehensweise sollte es möglich werden, dringend erforderliche Synergiepotenziale in der künftigen Stadtentwicklung zu realisieren – dies immer unter Einbezug der Bevölkerung und im Hinblick auf wirtschaftliche Prosperität.
Aus Sicht von Fachleuten lässt sich ergänzen: Eine Smart City bietet ihren Bewohnern maximale Lebensqualität bei minimalem Ressourcenverbrauch dank einer intelligenten Verknüpfung von Infrastruktursystemen (Transport, Energie, Kommunikation etc.) auf unterschiedlichen hierarchischen Stufen (Gebäude, Quartier, Stadt) unter Einbezug sozialer und partizipativer Ansprüche ihrer Bevölkerung.
Heilsmittel oder Albtraum?
Die Privatindustrie ist längst auf den Zug aufgesprungen: In fast jeder IT- und Kommunikationsfirma finden sich Programme zur Smart City. Diese Unternehmen betätigen sich als Treiber vernetzter Ideen und suchen in den städtischen Verwaltungen und Behörden nach Partnern für die Vermarktung ihrer Anwendungen.
Was für die einen ein Heilsmittel für Effizienzgewinn, Ressourcenschonung und Optimierung des städtischen Zusammenlebens darstellt, ist für Technologiekritische ein Albtraum einer durch Sensoren kontrollierten Gesellschaft ohne jegliche Bürgerbeteiligung. Stichworte sind der gläserne Mensch respektive die gläserne Stadt. Als Beispiel wird oftmals die nach der Jahrtausendwende gebaute Planstadt Songdo City in Südkorea erwähnt.
Aufbauend auf bestehenden Erkenntnissen und unter Berücksichtigung bereits existierender Initiativen, wurde das Thema Smart City in der Schweiz vor vier Jahren aufgenommen und mittels Workshops, Tagungen und Forschungs- und Projektförderungen weiterentwickelt. Zusammen mit energiepolitisch fortschrittlichen Städten entwickelte das BFE das Programm «Smart City Schweiz» (siehe Kasten 1). In erster Linie will es Chancen und Risiken sowie Hindernisse und Treiber erkennen.
Als Anknüpfungspunkt dient dabei ein bestehendes und erfolgreiches kommunales Energiemanagementsystem: das Label «Energiestadt». Die Träger des Labels – sogenannte Energiestädte – spielen bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes eine tragende Rolle und sind dem Nachhaltigkeitsgedanken besonders verpflichtet. Aktuell besitzen 385 Schweizer Gemeinden und Städte dieses Label. 35 Städte sind gleichzeitig Träger des europäischen Labels «Energiestadt Gold», das für herausragende energiepolitische Leistungen vergeben wird. Bei letzteren handelt es sich mehrheitlich um grössere Städte, die in der schweizerischen Energiepolitik eine wichtige Vorbildfunktion einnehmen. Sie bilden das vorrangige Rekrutierungspotenzial für Smart Cities.
Kooperation mit vergleichbaren Städten suchen
Als Smart Cities werden nebst Songdo häufig Metropolen wie Barcelona, Hamburg, Wien, Singapur genannt. Für unser kleinräumiges Land sind diese Modellstädte allerdings nur beschränkt hilfreich, sofern man die Schweiz nicht gesamthaft als ein Stadtgebilde begreifen will. Ein passender Ansatz sind dagegen Kooperationen mit ähnlich grossen europäischen Städten.
Bis 2020 sollen alle grösseren Energiestädte ein Smart-City-Modellprojekt realisiert haben – dies ist ein wichtiges Ziel der Initiativen des Bundes. Dazu unterstützt das BFE die Städte und Gemeinden finanziell, stellt ihnen Informationen zur Verfügung und bietet ihnen die Gelegenheit, sich mit anderen Akteuren zu vernetzen (siehe Kasten 1 und 2). Zudem sind verschiedene Forschungsinstitutionen in der Schweiz in diesem Bereich aktiv und begleiten solche Projekte.
Investoren sind noch zurückhaltend
Da die Schweiz bei der Konzeptentwicklung noch am Anfang steht, ist es wichtig, Treiber und Hemmnisse bei Smart-City-Projekten zu kennen. Erste Analysen durch Befragungen und Literaturrecherchen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW)[1] zeigen auf: Ein Hindernis sind oft fehlende politische Rahmenbedingungen und die Zurückhaltung potenzieller Geldgeber. Letzteres liegt vor allem daran, dass die Wirtschaftlichkeit solcher Projekte nicht oder zu wenig klar ausgewiesen ist. So ist der Mehrwert dieses vernetzten Ansatzes oftmals nicht offensichtlich. Hinzu kommen die Komplexität der Technik sowie ungelöste Fragen zum Datenschutz.
Bis heute sind die wichtigsten Treiber von Projekten innovative Unternehmen, die ihre Smart-City-Ideen und -Projekte mit den Städten lancieren wollen. Ein zweiter wichtiger Motivator für die Umsetzung von Projekten sind städtische Verwaltungen, die sich davon deutliche Ressourcen- und Kosteneinsparungen erhoffen. Die politischen Behörden haben sich hingegen in den meisten Fällen eher distanziert verhalten. Für eine gesamtstädtische Herangehensweise wäre eine aktivere Rolle der Politik sicher von Vorteil.
In der Öffentlichkeit standen bisher oft kritische Aspekte im Vordergrund. Denn die Vorteile und der Mehrwert von Smart-City-Projekten sind wegen ihrer Komplexität nur schwer zu vermitteln – im Gegensatz zu den einfacher verständlichen Zielen einer 2000-Watt-Gesellschaft beispielsweise. Da es noch nie zu einer städtischen Abstimmung über ein Smart-City-Vorhaben gekommen ist, kann über die tatsächliche Akzeptanz in der Bevölkerung allerdings nur wenig gesagt werden.
Mitwirkung der Bürger
Ein wichtiger Treiber für zukünftige Geschäftsmodelle und Ressourcenschonung ist die «soziale» Innovation: Initiativen aus der Bevölkerung gewinnen zusehends an Bedeutung. Das bedingt in den Schweizer Stadtverwaltungen eine neue Herangehensweise, die bewusst auf Mitwirkung setzt. Wichtig sind insbesondere Information und Kommunikation.
Dieser Prozess benötigt immer anschauliche Beispiele für Konkretes und die Einsicht in die Notwendigkeit von Veränderung. Daran ist in Zukunft gemeinsam zu arbeiten. Dies gelingt aber nur durch ein verstärktes Bewusstsein bei allen Stakeholdern. Dies alles ist oft ungewohnt, langwierig und schwierig – führt am Ende aber zu besseren, «smarteren» Lösungen in den Städten.
- ZHAW (2016), Treiber und Barrieren auf dem Weg zu einer Smart City: Erkenntnisse aus Theorie und Praxis,Working Paper []
Zitiervorschlag: Szemkus Erzer, Benjamin; Meuli, Urs (2016). Der Bund hilft den Städten, smart zu werden. Die Volkswirtschaft, 22. Juni.
Die Plattform Energie Schweiz des Bundesamtes für Energie (BFE) fördert über die Programme Smart City Schweiza und Projektförderung für Energiestädte explizit Smart-City-Projekte in den Städten und entwickelt ein Netzwerk der Stakeholder im Umfeld. Weiter können Städte beim BFE Projekte zu innovativen Energietechnologien eingeben.
Im dieses Jahr angelaufenen EU-Forschungsprogramm ERA-Net Smart Cities and Communities arbeiten Schweizer Hochschulen und Städte in 6 von insgesamt 17 internationalen Projekten mit – unterstützt vom Bund. Im Projekt Smart Urban Isle untersucht die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) beispielsweise die Planung neuer Stadtquartiere, die sich nachhaltig mit Energie versorgen.
aBenjamin Szemkus vom Beratungsunternehmen Enco Energie-Consulting leitet das Projekt im Auftrag des BFE. Mehr unter Smartcity-schweiz.ch.
Die Lausanner Agglomerationsgemeinde Pully hat zusammen mit dem Telekommunikationsanbieter Swisscom aufgrund von Handydaten analysiert, wie viele Personen wegpendeln, zupendeln, hindurchfahren oder innerhalb der Gemeinde unterwegs sind. Die Stadt will mit diesen Informationen künftig den überbordenden Verkehr bedarfsgerecht steuern.
Im Osten der Stadt St. Gallen soll das bestehende Quartier Remishueb unter Einbezug verschiedenster Partner smart und vernetzt weiterentwickelt werden. Gesellschaftliche Themen wie Demografie und neue Kooperationen mit der Wirtschaft stehen bei diesem Projekt im Fokus.
Winterthur hat einen wissenschaftlich begleitenden Entwicklungsprozess gestartet. Das übergeordnete Ziel in der Umsetzungsphase ist: Wie können technische und soziale Innovationen intelligent eingesetzt und kombiniert werden? Auch dank der Förderung des Bundes sind aktuell verschiedene Projekte im Bereich Abfallnutzung, Mobilität, «Green IT» sowie Betriebsoptimierungen im Gange.
Zürich evaluiert die Ausgangslage und Potenziale für einen Smart-City-Ansatz verwaltungsintern. Anschliessend will die grösste Schweizer Stadt Ziele definieren und diese anhand einer Roadmap umsetzen. Angedacht sind Projekte im Bereich der Mobilität oder der smarten Beleuchtung. Dies immer als Teil der Standortpromotion und der Attraktivitätssteigerung der Stadt.