Die Schweiz importiert hauptsächlich Industriegüter: Im Jahr 2014 machten diese 95 Prozent aller Importe aus. Über 80 Prozent der Waren im Wert von insgesamt 240 Milliarden Franken stammten dabei aus Ländern, mit denen die Schweiz ein Freihandelsabkommen (FHA) abgeschlossen hat (siehe Abbildung). Zollfrei sind die Importe allerdings nur, wenn sie die in den FHA festgelegten Ursprungsanforderungen erfüllen.
Eine Studie der Autoren über mögliche Auswirkungen eines einseitigen Abbaus der Industriezölle (siehe Kasten 1) zeigt: Insgesamt wäre ein Fünftel der Industrieimporte – im Wert von rund 45 Milliarden Franken im Jahr 2014 – von einem Zollabbau betroffen. Diese Zahl setzt sich aus Importen aus FHA-Ländern (25 Mrd. Fr.) und Importen aus den übrigen Staaten (rund 20 Mrd. Fr.) zusammen.
Warenimporte nach Herkunft und Produktgruppen (2014)
Quelle: Agrargüter (Tarifnummern 1–24), Industriegüter (25–97); eigene Berechnungen; EZV / Die Volkswirtschaft
Die Höhe der Zölle variiert je nach Produkt (siehe Kasten 2 zu «Zolltarifnummern»). Bei Industriegütern lag der durchschnittliche Zollsatz im Jahr 2012 in der Schweiz gemäss der WTO bei 2,4 Prozent (siehe Tabelle). 17 Prozent der Zolltarifnummern sind zollfrei; bei 39 Prozent liegt der Satz bei 2 Prozent oder tiefer. Hohe Zollsätze finden sich insbesondere bei Kleidern sowie bei Papier und Holz.
Die Höhe der Zolleinnahmen, welche bei einer Abschaffung der Zölle verloren gingen, ergibt sich aus der Höhe der betroffenen Zollsätze und des entsprechenden Handelsvolumens. Im Jahr 2014 stammten rund 43 Prozent der schweizerischen Zolleinnahmen – fast eine halbe Milliarde Franken – von Zöllen auf Industriegütern.
Durchschnittliche Zollsätze und Zollerträge
Produktgruppen | Durchschnittszollsatz in % | Zollertrag | |
in Mio. Fr. | in % | ||
Textilien, Bekleidung, Schuhe | 5,5 | 265 | 23,4 |
Alle anderen Industriegüter | 1,6 | 219 | 19,3 |
Total Industriegüter | 2,4 | 485 | 42,7 |
Agrarprodukte | 29,0 | 652 | 57,3 |
Total | 9,2 | 1137 | 100 |
Quelle: WTO (2013), Trade Policy Review of Switzerland; EZV / Die Volkswirtschaft
Administrativer Aufwand fällt ins Gewicht
Neben den Zöllen fallen bei grenzüberschreitenden Lieferungen nicht tarifarische Hemmnisse an. Dazu gehören unter anderem Zollabfertigungs- und Mehrwertsteuerabrechnungskosten. Aber auch Wartezeiten und der Nachweis des präferenziellen Ursprungs bei FHA und Kosten der Produktzulassung fallen darunter. Diese Kosten liegen bei etwa 2 Prozent des Warenwertes.[1]
Von besonderem Interesse sind die Kosten für die präferenziellen Ursprungsnachweise, welche bei Importen aus FHA-Ländern nachgewiesen werden müssen. Die Schätzungen über die Durchschnittskosten variieren hier von 0,2 Prozent (bei Schweizer Exportunternehmen) bis 3 Prozent (bei ausländischen Unternehmen) des Warenwertes.[2] Falls ein Wechsel der Lieferanten vorgenommen wird, nehmen die Kosten weiter zu. Unternehmen verzichten deshalb manchmal auf solche aufwendigen Nachweise und bezahlen stattdessen den meist auch ohne Freihandelsabkommen bereits niedrigen Tarif (siehe Kasten 3).
Unternehmen und Konsumenten profitieren
Bei einer einseitigen Abschaffung der Industriezolltarife entstehen potenziell drei Wirkungen:
- Senkung der Kosten aufgrund des Wegfalls der Zollzahlungen;
- Senkung der Kosten aufgrund administrativer Entlastung;
- Senkung der Kosten und Preise aufgrund von Wettbewerbs- und Produktivitätseffekten.
Die Relevanz dieser Effekte schätzen wir folgendermassen ein: Der Wegfall von rund einer halben Milliarde Franken entlastet Importeure und Konsumenten. Auch die Wohlfahrtswirkung ist insgesamt positiv. Die Gewinne für die Unternehmen und Konsumenten sind grösser als die Zolleinnahmen, auf die der Staat verzichten muss. Der Wohlfahrtsgewinn ist aber begrenzt, da die Zollsätze im Bereich der Industriegüter bereits gering und deshalb die heute bestehenden Verzerrungen klein sind.
Ein zweiter wesentlicher Vorteil einer Abschaffung der Industriezölle entsteht durch Vereinfachungen bei den Zollformalitäten. Eine administrative Entlastung entsteht aufgrund des teilweisen Wegfalls der präferenziellen Ursprungsnachweise. Da sämtliche Importzölle der Schweiz auf null gesetzt werden, müssen Firmen, welche aus FHA-Ländern in die Schweiz importieren (etwa aus der EU oder aus China), keinen Ursprungsnachweis mehr für die Importzollbefreiung vorweisen. Damit fällt bei den ausländischen Lieferanten, welche diese Nachweise erbringen müssen, der Aufwand weg. Wird diese Kostenerleichterung an die inländischen Kunden weitergegeben, sinken die Preise.
Wenn einzelne Produktionsschritte grenzüberschreitend zwischen der Schweiz und einem FHA-Land stattfinden, kann auf die Ursprungsnachweise beim Import allerdings nicht verzichtet werden. Bei solchen globalen Wertschöpfungsketten, wo Vorleistungen beispielsweise aus Deutschland zunächst importiert, weiterverarbeitet und dann wieder nach Deutschland exportiert werden, wird das Schweizer Unternehmen vom Lieferanten weiterhin Ursprungsnachweise einfordern müssen, wenn dank dieser Kumulierung die Ursprungsanforderung erreicht werden kann.
Den Wohlfahrtsgewinn aufgrund des teilweisen Wegfalls der präferenziellen Ursprungsnachweise können wir nicht präzise abschätzen. Dieser dürfte zwischen 160 Millionen und 2,4 Milliarden Franken liegen. Wenn wir mit einer mittleren Kostenentlastung aufgrund des Verzichts von Ursprungsnachweisen von 1 Prozent des Warenwertes rechnen, dann sind Kostenentlastungen bzw. Wohlfahrtsgewinne von knapp 800 Millionen Franken realistisch.[3]
Mittel gegen Hochpreisinsel?
Ein dritter Vorteil sind allfällige Wettbewerbseffekte, welche dadurch entstehen, dass Firmen durch den Wegfall der Zölle und durch den verminderten administrativen Aufwand bei den Zollabwicklungen ihre Kosten senken können. Zudem kann der Wegfall von administrativen Hürden dazu führen, dass Preisdifferenzierung zulasten schweizerischer Nachfrager erschwert wird und damit der vielfach beobachtete «Aufpreis Schweiz» sinken könnte. Solche Auswirkungen auf Preisdifferenzierung und Wettbewerbseffekte können wir nur vereinzelt feststellen.
Ein Wegfall aller Importzölle und der damit verbundenen Ursprungsnachweise führt zu einer Reduktion von Transaktionskosten, jedoch können wir im Rahmen unserer Untersuchung nicht belegen, dass alleine dadurch ein substanzieller Abbau der im europäischen Vergleich hohen Schweizer Preise möglich wird. Dazu müssten auch andere Handelshemmnisse beseitigt werden.
Paket zur administrativen Entlastung
Aufgrund unserer Untersuchungsergebnisse kommen wir zum Schluss: Ein einseitiger Zollabbau bei Industriegütern wäre nicht nur ein symbolisches Zeichen für eine Marktöffnung in der Schweiz. Sondern von diesem Schritt wären auch substanzielle positive volkswirtschaftliche Effekte zu erwarten – insbesondere aufgrund der Entlastung bei den Ursprungsnachweisen. Die Gewinne für Unternehmen und Konsumenten sind grösser als die Ausfälle bei den Zolleinnahmen. Zudem zeigt sich, dass in modernen Freihandelsabkommen der Abbau von nicht tarifären Handelshemmnissen im Vordergrund steht, weshalb Zölle als Verhandlungsmasse an Bedeutung verloren haben.
Jedoch sollte ein Zollabbau in ein Massnahmenpaket zur administrativen Entlastung beim Zoll eingebettet sein. Dazu gehören einfachere elektronische Zollverwaltungsmöglichkeiten, aber auch eine Vereinfachung bei der Abwicklung der Mehrwertsteuer. Das Paket sollte auch eine Modernisierung der präferenziellen Ursprungsregelung umfassen. Der Anpassungsbedarf ist besonders beim Freihandelsabkommen mit der EU gross. Davon würde insbesondere die Textilindustrie in der Schweiz massgeblich profitieren, möglicherweise aber auch andere Branchen.
- Minsch, Ruedi; Moser, Peter (2006), Teure Grenzen: Die Volkswirtschaftlichen Kosten der Zollschranken, Avenir Suisse. []
- Schaub, Matthias (2009); Präferentielle Handelsabkommen in der Praxis: Herausforderungen bei der Umsetzung, Die Volkswirtschaft, Nr. 10, S. 16-19. []
- Vgl. Moser und Werner (2016), S. 6. []