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Auch die Schweiz macht Industriepolitik

Die Förderagentur des Bundes KTI betreibt seit Jahren erfolgreich Industriepolitik. Um die Innovationen der Unternehmen angesichts der Frankenstärke weiter voranzutreiben, sind Steuererleichterungen prüfenswert.
Erfolgreiches KTI-Projekt: Zusammen mit der Universität Basel hat das Medtech-Unternehmen AOT einen Roboter entwickelt, der Knochen mit einem Laserstrahl schneiden kann. (Bild: KTI)

Märkte führen unter bestimmten Rahmenbedingungen zu effizienten Marktlösungen – das ist ein Grundgedanke der Wirtschaftswissenschaft. Sind diese Rahmenbedingungen erfüllt, kann weder staatliches noch sonstiges Eingreifen in das Marktgeschehen für alle am Marktgeschehen Beteiligten gemeinsam ein ökonomisch besseres Resultat erzielen.

Eine zentrale Rahmenbedingung ist beispielsweise das Fehlen von Faktoren, welche das effiziente Funktionieren der Marktmechanismen stören. Diese Störfaktoren – sogenannte Distorsionen oder Friktionen – können natürlicher Art sein. So bestehen zeitliche, sprachliche, räumliche, kulturelle, historische und andere Hindernisse, welche den freien Austausch von Waren oder den freien Fluss von Faktoren behindern. Andere Friktionen sind politischer Natur: Sie resultieren aus der Verwendung von Instrumenten der Wirtschaftspolitik, welche etwa den Marktzugang auf Güter- oder Dienstleistungsmärkten beschränken. Beispiele dafür sind Zollbestimmungen oder Vorschriften, welche für die Inbetriebnahme von Anlagen notwendig sind. Politische Friktionen können zudem den Zugang zu Faktormärkten, beispielsweise zum Kapitalmarkt oder zum Arbeitsmarkt, beschränken. Am Arbeitsmarkt ist dies etwa die beschränkte Anerkennung von im Ausland erworbenen Diplomen.

Leistungen wie Forschung und Entwicklung (F&E) haben – zumindest teilweise – den Charakter eines öffentlichen Guts. Das ist ein weiterer Grund für das Versagen von Märkten, denn der Markt stellt solche Leistungen nur in geringem Masse bereit. Für ein kleines, offenes Land mit hohen Faktorkosten wie die Schweiz sind innovative Leistungen der Unternehmen besonders bedeutend, um auf internationalen Märkten wettbewerbsfähig zu bleiben. Das gilt insbesondere in Zeiten schwieriger makroökonomischer Rahmenbedingungen wie der Frankenstärke.

Geld an Hochschulen statt an Unternehmen


Der wesentlichste Pfeiler der Schweizer Innovationspolitik ist die Förderung von Forschungs- und Entwicklungskooperationen zwischen den Hochschulen und der privaten Wirtschaft. Sie funktioniert in einem sogenannten Bottom-up-Prozess: Anstatt dass die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) vorgibt, in welchen Bereichen angewandte Innovationsaktivitäten gefördert werden, wählen die Unternehmen in Kooperation mit den Hochschulen den Innovationsgegenstand frei. Dabei kommt die finanzielle Förderung ausschliesslich den Hochschulen zugute – und die Unternehmen profitieren von der wissenschaftlichen Expertise. Dieses Prozedere selbst ist eine Schweizer «Innovation» und in dieser Form einmalig. In der Vergangenheit war das Fördersystem Gegenstand von Effizienzprüfungen (siehe auch Abbildung).[1]

KTI-Fördermittel (2010–2015, in Mio. Fr.)




Anmerkung: Für 2011 (114,5 Mio. Fr.), 2012 (38 Mio. Fr.) und 2015 (73,8 Mio. Fr.) gab es zusätzliche Mittel für «flankierende Massnahmen zur Frankenstärke», die 2011 und 2015 nicht im hier ausgewiesenen Total enthalten sind.

Quelle: KTI-Tätigkeitsberichte / Die Volkswirtschaft


Im Jahr 2005 überprüfte eine KOF-Untersuchung[2] erstmals die Wirksamkeit der KTI-Förderung anhand von statistischen Methoden (Matching-Methoden). Für die Periode 2000 bis 2002 wurde untersucht, ob die Innovationsaktivitäten der Unternehmen dank der Unterstützung der KTI gegenüber dem hypothetischen Niveau, welches ohne Förderung erreicht worden wäre, erhöht werden konnten. Falls dies zutrifft, spricht man von «Additionalität» einer Fördermassnahme – was ein wichtiger Erfolgsindikator ist.

Dabei zeigte sich: Für sämtliche in der Studie betrachteten Innovationsindikatoren war die Innovationsleistung der geförderten Unternehmen im Durchschnitt beträchtlich höher als jene der nicht geförderten Firmen, die den geförderten «strukturell ähnlich» waren. Das Ergebnis kann also als Hinweis für die Existenz von Additionalität der Förderung interpretiert werden. Ferner wurde gezeigt, dass die Förderwirkung von der (relativen) Höhe des geleisteten Beitrags, also von der Förderquote abhängig ist.

Subventionen sind in vielen Ländern ein wichtiges – aber nicht das einzige – Instrument der Innovationspolitik. Vielerorts profitieren Unternehmen, die F&E betreiben, von steuerlichen Erleichterungen. In der Schweiz kam dieses Instrument bisher allerdings nicht zum Zuge. Seine Einführung ist aber im Rahmen der Unternehmenssteuerreform III vorgesehen, die voraussichtlich nächsten Februar zur Abstimmung gelangt. Es kann bereits vermutet werden, dass diese Steuererleichterungen einen breiteren Kreis von Adressaten erreichen. Denn: In Bezug auf Subventionen ist die Politik in der Schweiz eher zurückhaltend, weshalb keine Erweiterung des Wirkungskreises der KTI zu erwarten ist.

Vom Ausland lernen


Erfahrungen anderer Länder können helfen, die Innovationsförderung in der Schweiz weiterzuentwickeln. Dabei geht es darum, positive Erfahrungen in die Gestaltung der inländischen Förderung einfliessen zu lassen. In einer KOF-Übersichtsstudie wurden 39 Evaluationsstudien zur Innovationsförderung in 17 OECD-Ländern analysiert.[3] Bei den analysierten Instrumenten handelt es sich primär um Subventionen und Steuererleichterungen für F&E. Die evaluierten Förderungsprogramme wurden mit Ausnahme von vier Studien zwischen 1990 und 2006 durchgeführt; die meisten Studien verwendeten das Niveau der Ausgaben bzw. die Intensität oder die Anzahl der Beschäftigten in Forschung und Entwicklung als Zielvariablen, welche die Additionalität messen sollten. Meist wurde nur eine Zielvariable verwendet.

Besonders aufschlussreich für die Schweiz sind die Ergebnisse vergleichbarer europäischer Staaten von Subventionen der Firmen für ihre Innovationsaktivitäten: In Deutschland zeigten alle sechs Evaluationen positive Effekte. In zwei Fällen traten diese allerdings nur in Kombination mit Hochschulkooperationen auf. Weitere Studien bezogen sich auf skandinavische Länder: Für Dänemark waren die Evaluationsergebnisse gemischt, für Finnland und Schweden positiv. Auch zwei französische Studien zeigten positive Effekte der Förderung in Form von Subventionen auf die F&E-Intensität.

Weniger stark scheint die Wirksamkeit von Steuererleichterungen im Zusammenhang mit F&E zu sein. Nur für die Niederlande wurde ein eindeutig positiver Einfluss auf die F&E-Aufwendungen festgestellt. Für Norwegen hat sich der positive Effekt von Steuererleichterungen hingegen nur teilweise eingestellt. Auch drei kanadische Studien kamen zu gemischten Resultaten, da nur für kleine Unternehmen ein positiver Effekt nachgewiesen werden konnte. Die Kombination mit Subventionen verstärkte die Effekte dabei deutlich.

Ausgestaltung der fiskalischen Massnahmen entscheidend


Schliesslich sind zwei Studien besonders erwähnenswert, da sie den Einfluss der Ausgestaltung einer F&E-Steuererleichterung untersuchten. Die eine fand auf der Basis von niederländischen Unternehmensdaten: Steuererleichterungen auf die gesamten F&E-Ausgaben («volume-based») sind weniger effektiv als Steuersätze, die sich auf das Wachstum der F&E-Aufwendungen beziehen.[4] Die zweite Studie[5] untersuchte die Wirkung verschiedener Typen von Steuerarrangements, die in der EU für verschiedene Industrien verwendet werden. Hier zeigte sich: Neben der konkreten Ausgestaltung der Steuererleichterung ist die Kompatibilität mit dem Steuersystem ein entscheidender Faktor. Zu erwähnen ist eine weitere Studie – mit Beteiligung der KOF Konjunkturforschungsstelle –, die befunden hat, dass Steueranreize insbesondere auf die Anmeldungen neuer Patente positive Effekte haben.[6]

Zusammengefasst zeigen die Erfahrungen anderer Länder: Unterstützungsprogramme, die auf F&E-Subventionen beruhen, erreichen in den meisten Fällen ihr primäres Ziel, nämlich Additionalität bei den F&E-Aufwendungen. Weniger klar ist dies bei nachgelagerten Stufen des Innovationsprozesses, namentlich bei der Generierung von Patenten, neuen Produkten und Prozessen oder gar bei der Steigerung der Produktivität und der Beschäftigung. In Bezug auf die Wirksamkeit von Steuererleichterungen lehrt die internationale Erfahrung, dass es auf die Ausgestaltung der fiskalischen Massnahmen ankommt. Dies wäre deshalb bei einer allfälligen Einführung in der Schweiz besonders zu beachten.

  1. Vgl. Hotz-Hart und Rohner (2013) für einen Überblick. []
  2. Arvanitis et al. (2005). []
  3. Arvanitis (2013). []
  4. Mohnen und Lokshin (2009). []
  5. Elschner et al. (2011). []
  6. Bösenberg und Egger (2016). []

Literaturverzeichnis

  • Arvanitis, S. (2013). Micro-econometric Approaches to the Evaluation of Technology-oriented Public Programs: A Non-technical Review of the State of the Art, in: A.N. Link and N.S. Vonortas (eds.), Handbook on the Theory and Practice of Program Evaluation, Edward Elgar Publishing, Cheltenham, 56–88.
  • Arvanitis, S., Donzé, L und N. Sydow (2005). Wirksamkeit der Projektförderung der Kommission für Technologie und Innovation (KTI). Analyse auf der Basis verschiedener «Matched-Pairs»-Methoden, KOF-Arbeitspapiere/Working Papers Nr. 103, April, Zürich.
  • Bösenberg, S. und P. H. Egger (2016). R&D Tax Incentives and the Emergence and Trade of Ideas. Economic Policy, erscheint demnächst.
  • Elschner, C., Ernst, C., Licht, G. and C. Spengel (2011). What the Design of an R&D Tax Incentive Tells about Its Effectiveness: A Simulation of R&D Tax Incentives in the European Union, Journal of Technology Transfer, 36, 233–256.
  • Hotz-Hart, B. und A. Rohner (2013). Wirkungen innovationspolitischer Fördermassnahmen in der Schweiz. Stand der Forschung, Synthese bestehender Evaluationsstudien und Empfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung, Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, Bern.
  • Mohnen, P. and B. Lokshin (2009). What Does It Take for an R&D Tax Incentive Policy to Be Effective? UNU-MERIT Working Paper Series No. 2009–014, Maastricht.

Bibliographie

  • Arvanitis, S. (2013). Micro-econometric Approaches to the Evaluation of Technology-oriented Public Programs: A Non-technical Review of the State of the Art, in: A.N. Link and N.S. Vonortas (eds.), Handbook on the Theory and Practice of Program Evaluation, Edward Elgar Publishing, Cheltenham, 56–88.
  • Arvanitis, S., Donzé, L und N. Sydow (2005). Wirksamkeit der Projektförderung der Kommission für Technologie und Innovation (KTI). Analyse auf der Basis verschiedener «Matched-Pairs»-Methoden, KOF-Arbeitspapiere/Working Papers Nr. 103, April, Zürich.
  • Bösenberg, S. und P. H. Egger (2016). R&D Tax Incentives and the Emergence and Trade of Ideas. Economic Policy, erscheint demnächst.
  • Elschner, C., Ernst, C., Licht, G. and C. Spengel (2011). What the Design of an R&D Tax Incentive Tells about Its Effectiveness: A Simulation of R&D Tax Incentives in the European Union, Journal of Technology Transfer, 36, 233–256.
  • Hotz-Hart, B. und A. Rohner (2013). Wirkungen innovationspolitischer Fördermassnahmen in der Schweiz. Stand der Forschung, Synthese bestehender Evaluationsstudien und Empfehlungen für die zukünftige Ausgestaltung, Staatssekretariat für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, Bern.
  • Mohnen, P. and B. Lokshin (2009). What Does It Take for an R&D Tax Incentive Policy to Be Effective? UNU-MERIT Working Paper Series No. 2009–014, Maastricht.

Zitiervorschlag: Spyros Arvanitis, Peter H. Egger, Martin Wörter, (2016). Auch die Schweiz macht Industriepolitik. Die Volkswirtschaft, 25. Juli.