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Kantone zeigen Initiative

Das Fachkräftepotenzial im Inland besser ausschöpfen: Dieses Ziel verfolgen über 200 Projekte in den Kantonen. Beispielhaft zeigt sich dies im Gesundheitswesen, wo die Zahl der Abschlüsse in den letzten zehn Jahren stark zugenommen hat.
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Alle Kantone verpflichten die Spitäler zur Ausbildung von Gesundheitspersonal. Schulung zum Umgang mit ansteckenden Viren im Berner Inselspital. (Bild: Keystone)

Zurzeit wird in der Öffentlichkeit und in der Politik rege über die Umsetzung der «Masseneinwanderungsinitiative» diskutiert. Dabei wird oft argumentiert, die Zuwanderung müsse in erster Linie über Höchstzahlen und Kontingente gesteuert werden. Diese Forderung greift aus Sicht der Kantone jedoch zu kurz. Deshalb hat die Konferenz der Kantonsregierungen (KDK) letztes Jahr gemeinsam mit dem Bundesrat eine Vereinbarung zur Mobilisierung des inländischen Arbeitskräftepotenzials – die sogenannte Fachkräfteinitiative plus – verabschiedet. Die Initiative will einen Beitrag zu einer besseren Deckung der Arbeitsmarktnachfrage durch inländische Arbeitskräfte leisten. Im Fokus stehen Frauen, ältere Arbeitnehmende, Jugendliche, Erwachsene mit Qualifizierungspotenzial sowie anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene: Diese Bevölkerungsgruppen sollen besser in den Arbeitsmarkt eingebunden werden.[1] Die Initiative erfolgt im Rahmen der Fachkräfteinitiative des Bundes.

In den Kantonen leisten die Bildungs- und Arbeitsmarktbehörden, die Sozialämter sowie die Gleichstellungs- und Integrationsfachstellen bereits einen wesentlichen Beitrag zur Nutzung inländischer Arbeitskräftepotenziale. In jedem Kanton steht eine breite Palette an Informations-, Beratungs-, Bildungs- und Beschäftigungsangeboten zur Verfügung, um Jugendliche und Erwachsene fit für den Arbeitsmarkt zu machen. Gemeinsam haben Gemeinden und Kantone – zusammen mit privaten Trägerschaften und einer Anschubfinanzierung durch den Bund – das Angebot an familienergänzender Kinderbetreuung in den letzten 13 Jahren fast verdoppelt. Dadurch leisteten sie einen wesentlichen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Pflegeabschlüsse verdoppelt


Um die Abhängigkeit von ausländischen Fachkräften zu reduzieren, haben alle Kantone gezielt Massnahmen ergriffen und Projekte lanciert. Beispielhaft zeigt sich das im Gesundheitswesen: Fast ein Drittel der in der Schweiz berufstätigen Ärzte stammt aus dem Ausland. Die Kantone mit medizinischen Fakultäten haben die Zahl der Studienplätze in der Humanmedizin deshalb in den letzten zehn Jahren um rund 40 Prozent erhöht.

Auch bei nicht universitären Gesundheitsberufen wurden die Kantone aktiv: Heute verpflichten alle Kantone die Spitäler zur Ausbildung von Gesundheitspersonal. Im Kanton Bern gilt die Verpflichtung auch für Alters- und Pflegeheime sowie für die Spitex. Die Betriebe werden für ihre Ausbildungsleistungen finanziell entschädigt. Dieses Beispiel hat auch in anderen Kantonen Schule gemacht und dafür gesorgt, dass sich seit 2007 die Zahl der Pflegeabschlüsse «Fachfrau/Fachmann Gesundheit» mehr als verdoppelt hat.

Darüber hinaus finanzieren verschiedene Kantone Kurse für Wiedereinsteiger: In der Waadt etwa sind durch ein entsprechendes Angebot zwischen 2004 und 2014 rund 500 Pflegefachpersonen wieder in den Beruf eingestiegen. Schliesslich werden vielerorts mit staatlicher Unterstützung auch Flüchtlinge zu Pflegehelfern ausgebildet.

Potenzial bei Frauen ausschöpfen


In der Schweiz arbeiten viele Frauen Teilzeit – oft mit tiefen Arbeitspensen. Dieses grosse Potenzial wollen die Kantone mit Massnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie nutzen. Steuerabzüge für die familienergänzende Kinderbetreuung können dabei wichtige Anreize setzen: Die Spannbreite der Abzüge reicht aktuell von 3000 Franken im Kanton Wallis bis 19’200 Franken im Kanton Neuenburg. In Uri können sogar die effektiven Kosten abgezogen werden.

Die Kantone suchen auch die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft: Luzern etwa unterstützt die Förderung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in den Unternehmen. Zur Verfügung gestellt werden beispielsweise Werkzeuge wie der «Familienfreundlichkeits-Check». KMU erfahren so, wo Verbesserungen sinnvoll und möglich sind, und können von professioneller Unterstützung bei der Umsetzung familienfreundlicher Massnahmen profitieren. Ähnliche Projekte existieren auch in anderen Kantonen, etwa im Aargau, in Appenzell Ausserrhoden und im Baselbiet.

Der Kanton Basel-Stadt hat unter dem Titel «Familienfreundliche Wirtschaftsregion Basel» eine Public-private-Partnership lanciert. Sie bietet eine Plattform für den Austausch und die Vernetzung von privaten und öffentlichen Arbeitgebern, Wirtschaftsverbänden und Verwaltungsstellen. Als Promotoren engagieren sich führende Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Politik.

Von Stellensuchenden zu Jobjägern


In den meisten Kantonen verfügen die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV) über Programme und Instrumente, die spezifisch auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten sind. Schaffhausen richtet sich mit dem sogenannten Jobjäger-Programm gezielt an gut bis sehr gut qualifizierte Stellensuchende. Die Basis der Weiterbildung bildet ein Netzwerk-Pool, in dem sich die Teilnehmenden regelmässig gegenseitig zur eigenen Arbeitsmarktfähigkeit reflektieren und einander beim Finden von neuen Berufsfeldern sowie beim Vermitteln von Kontakten unterstützen. Der Erfolg spricht für sich: Bei Jobjäger findet jeweils über die Hälfte der Teilnehmenden noch vor Beendigung des Programms eine neue Stelle.

Diverse kantonale Massnahmen setzen bei den älteren Arbeitnehmenden an: In den Kantonen St. Gallen, Schaffhausen, Aargau, Zug, Freiburg und Neuenburg unterstützen Programme mit den Namen «Tandem50plus», «Energy 45+», «Pro 50plus» oder «Move up» gezielt ältere Stellensuchende. An die Arbeitgeber adressiert sind Kampagnen wie «Alter hat Potenzial» im Kanton Zug oder «Potenzial 50plus» im Aargau. Präventive Wirkung entfalten können schliesslich Massnahmen wie eine Demografieberatung, die der Kanton Basel-Landschaft den KMU anbietet.

Investitionen in die Jugend


Schliesslich sind zahlreiche kantonale Projekte auf Kinder und Jugendliche ausgerichtet: Vielfach geht es darum, dieser Zielgruppe die Mint-Berufe[2] näherzubringen. Im schaffhausischen Neuhausen steht den Primar- und Oberstufenklassen im Rahmen des Projekts «go tec!» ein Labor zu Verfügung, das auf spielerische Art und Weise Einblicke in die Welt der Robotik, der Aviatik und der Optik erlaubt.

Jugendliche Flüchtlinge stehen ebenfalls im Fokus: Ihnen soll mit gezielten Programmen der Zugang zur Berufsbildung geöffnet werden, etwa über ein integratives Brückenangebot oder eine Vorlehre.

  1. Unter Fachkraefte-schweiz.ch finden sich über 200 Beispiele dafür, wie die Kantone zur Erfüllung dieser Ziele beitragen. []
  2. Mint steht für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik []

Zitiervorschlag: Gysin, Nicole (2016). Kantone zeigen Initiative. Die Volkswirtschaft, 22. September.