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Was will die Unternehmenssteuerreform III?

Das eidgenössische Parlament hat im Juni die Vorlage zur Unternehmenssteuerreform III verabschiedet. Von linker Seite wurde das Referendum angekündigt. Was beinhaltet das komplexe Regelwerk?
Die Pharmaindustrie dürfte von der geplanten Patentbox rege Gebrauch machen. Roche-Turm in Basel. (Bild: Dreamstime)

Im Zuge der Globalisierung ist die Unternehmensbesteuerung vermehrt ins Zentrum des internationalen politischen Interesses gerückt. Multinationale Konzerne nutzen die Unterschiede der verschiedenen nationalen Steuersysteme, um ihre Steuerbelastung zu senken. Um diesem Vorgehen einen Riegel zu schieben und um sicherzustellen, dass Gewinne zukünftig dort besteuert werden, wo die Wertschöpfung tatsächlich stattfindet, hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) das sogenannte Beps-Projekt zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung ausgearbeitet. Beps steht für Base Erosion and Profit Shifting. Hinzu kommen verschiedene Vorstösse der EU sowie unilaterale Massnahmen einzelner Staaten mit derselben Zielsetzung.

Vor diesem Hintergrund werden gewisse schweizerische Steuerregelungen international nicht mehr akzeptiert, was zu Rechts- und Planungsunsicherheiten bei den betroffenen Unternehmen führt und die Attraktivität des Standorts Schweiz mindert. Deshalb müssen die kantonalen Steuerstatus für Holding- und Verwaltungsgesellschaften sowie gewisse Praxen abgeschafft werden. Diese Praxen betreffen einerseits Finanzierungsaktivitäten («Swiss Finance Branch») und anderseits zentralisierte Koordinations- und Handelsfunktionen innerhalb einer internationalen Gruppe (Prinzipalstrukturen). Neue Massnahmen sollen eingeführt werden, um die wirtschaftlichen Folgen dieses Schritts abzufedern. Aus diesem Kontext heraus ist die USR III zu verstehen und zu bewerten (siehe Kasten 1).

Ein Ziel der USR III ist die Wiederherstellung der internationalen Akzeptanz des schweizerischen Unternehmenssteuerrechts. Dabei soll die Steuerbelastung weiterhin kompetitiv bleiben, was namentlich für nicht standortgebundene Unternehmensaktivitäten wie beispielsweise Finanzierungsaktivitäten, Immaterialgüterverwaltung oder den internationalen Rohwarenhandel von herausragender Bedeutung ist. Darüber hinaus soll die Reform die Ergiebigkeit der Gewinnsteuern sicherstellen. Da zwischen diesen drei Zielen Konflikte bestehen, können nicht alle gänzlich erfüllt werden; vielmehr geht es darum, mit der USR III ein bestmögliches Gesamtpaket zu schnüren.

Im Einklang mit internationalen Standards


Die Schweiz hat gegenüber der OECD und der EU in Aussicht gestellt, die kantonalen Steuerstatus abzuschaffen und die erwähnten Praxisfestlegungen aufzuheben. Mit der USR III folgen diesen Worten nun Taten, was zweifelsohne zur internationalen Akzeptanz des schweizerischen Unternehmenssteuerrechts beiträgt.

Komplexer ist in dieser Hinsicht die Beurteilung der neuen Massnahmen. Dies liegt unter anderem daran, dass die OECD nicht für alle Regelungen Standards definiert hat. Solche fehlen beispielsweise für die erhöhten Abzüge für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen oder für die zinsbereinigte Gewinnsteuer. Für die reduzierte Besteuerung des Erfolgs aus Patenten und vergleichbaren Rechten (Patentbox) wurde zwar ein Standard definiert, im Detail zeigt sich aber, dass dieser verschiedene Interpretationen bei der Umsetzung zulässt.

Obwohl das Beps-Projekt im Jahr 2015 seinen Abschluss fand, gehen die Diskussionen um die internationale Unternehmensbesteuerung weiter. Es ist offen, welche steuerlichen Regelungen dauerhaft Bestand haben werden und welche Standards zukünftig noch (weiter)entwickelt werden. Dennoch kann festgehalten werden: Zum jetzigen Zeitpunkt sind alle mit der USR III beschlossenen Regelungen international akzeptiert und werden in verschiedenen Staaten bereits angewandt.

Auch mit den veränderten internationalen Rahmenbedingungen existieren nach wie vor unternehmerische Aktivitäten, die – zum Beispiel in der Patentbox – einer präferenziellen Besteuerung unterliegen. Da die Schweiz weiterhin am Wettbewerb um die Erträge aus solchen mobilen Aktivitäten teilhaben möchte, bilden diesbezügliche Regelungen ein wichtiges Reformelement. Diese müssen natürlich internationalen Standards entsprechen. Weil aber nicht alle mobilen Aktivitäten von solchen Regelungen profitieren können, sind daneben auch allgemeine Gewinnsteuersenkungen Teil der Reformstrategie.

Sonderregelungen sichern mobile Erträge


Die Patentbox sichert für Erträge aus Patenten und vergleichbaren Rechten in etwa eine gleich hohe Steuerbelastung wie bisher die kantonalen Steuerstatus. Damit ist eine hohe Wettbewerbsfähigkeit für solche Erträge gewährleistet. Allerdings können sich für die Patentbox auch Gesellschaften qualifizieren, die bisher ordentlich besteuert worden sind. Hier reduziert sich die Steuerbelastung auf Stufe Kanton und Gemeinde, was diesen Mindereinnahmen beschert. Umgekehrt gewinnt die Schweiz bei diesen Gesellschaften, soweit sie mobil sind, an Standortattraktivität. Die erhöhten Abzüge für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen dienen wie die Patentbox der Innovationsförderung und stellen für die Kantone ein weiteres Instrument dar, um für innovative Unternehmen attraktiv zu sein.

Die zinsbereinigte Gewinnsteuer auf überdurchschnittlichem Eigenkapital kann für die konzerninterne Finanzierung steuerlich wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen bieten. Darüber hinaus bildet sie eine Voraussetzung dafür, dass Schweizer Konzerne ihr Management der liquiden Mittel und der finanziellen Risiken («Treasury») in der Schweiz zentralisieren können. Ergänzend entfaltet die zinsbereinigte Gewinnsteuer auch Flächenwirkung. Sie senkt den effektiven Durchschnittsgewinnsteuersatz, sodass sie im Hinblick auf den Standortentscheid einer Gesellschaft analog wirkt wie eine allgemeine Gewinnsteuersenkung.

Die Aufhebung der kantonalen Steuerstatus würde zu einer höheren Kapitalsteuerbelastung bei den betroffenen Gesellschaften führen. Deshalb sollen die Kantone neu das Eigenkapital, das im Zusammenhang mit Beteiligungen, Immaterialgüterrechten und Darlehen an Konzerngesellschaften steht, bei der Kapitalsteuer reduziert besteuern können. Gewinnsteuerrechtlich sieht eine Übergangsbestimmung zudem vor, dass die stillen Reserven inklusive Goodwill, die während der Statusbesteuerung entstanden sind, während fünf Jahren nach Inkrafttreten der Reform reduziert besteuert werden, was einen tieferen steuerbaren Gewinn auf Kantons- und Gemeindeebene bewirkt.

Kantone legen Gewinnsteuertarife fest


Auch mobile Aktivitäten, für die keine international akzeptierten Sonderregelungen existieren, wie beispielsweise der internationale Rohwarenhandel, sollen im Inland gehalten werden. Das primäre Instrument hierfür sind die aufgrund der Strategien der einzelnen Kantone festgelegten Gewinnsteuertarife. Die Kantone sind in Bezug auf die Steuertarife autonom und können die Höhe ihrer Gewinnsteuer nach eigenem Ermessen festlegen. Der Bund beteiligt sich aber an den gewinnsteuersenkungsbedingten Finanzierungslasten der Kantone und Gemeinden, indem der Kantonsanteil an der direkten Bundessteuer von 17 auf 21,2 Prozent erhöht wird.

Um die finanziellen Auswirkungen einer Reform zu bestimmen, vergleicht man die Reform normalerweise mit dem Status quo. Die Voraussetzungen für diese Betrachtungsweise sind bei der Unternehmensbesteuerung derzeit aber nicht erfüllt. Denn: Bleiben die rechtlichen Rahmenbedingungen unverändert, ist damit zu rechnen, dass die internationale Akzeptanz der Unternehmensbesteuerung in der Schweiz erodiert. Dies würde sich negativ auf die Unternehmen, die sowohl in der Schweiz als auch im Ausland tätig sind, sowie auf die in der Schweiz erarbeitete Wertschöpfung und die Arbeitsplätze auswirken. Letztlich würde dies zu Mindereinnahmen führen.

Zusammen erzeugen die neuen Sonderregelungen und die kantonalen Gewinnsteuersenkungen im Durchschnitt eine tiefere Unternehmenssteuerbelastung als heute. Zudem entlasten die neuen Regelungen zum Teil auch weniger mobile Tätigkeiten. Im Vergleich zum Status quo entstehen deshalb reformbedingte Mindereinnahmen (siehe Kasten 2). Diese sind als Preis für die verbesserte internationale Akzeptanz anzusehen und stellen eine Investition in die Zukunft dar, mit welcher das erwähnte Negativtrendszenario verhindert werden kann.

Insgesamt kann gesagt werden: Die internationalen Entwicklungen verändern die Unternehmensbesteuerung, stellen aber nicht das Ende des internationalen Steuerwettbewerbs dar. Die Unternehmen werden sich entsprechend an die neuen Gegebenheiten anpassen. Grundsätzlich dürfte die Schweiz dabei gut positioniert sein: Mit der Reform bietet sie auch in Zukunft international wettbewerbsfähige steuerliche Standortbedingungen mit niedrigen Steuerbelastungen für forschungsintensive Aktivitäten, für konzerninterne Finanzierungen und für Holdingfunktionen sowie eine im Durchschnitt über alle Kantone merklich tiefere ordentliche Gewinnsteuerbelastung als heute.

Zitiervorschlag: Martin Daepp, Tamara Pfammatter, (2016). Was will die Unternehmenssteuerreform III. Die Volkswirtschaft, 22. September.

Kasten 1: Massnahmen der Unternehmenssteuerreform III

  • Abschaffung der kantonalen Steuerstatus für Holding- und Verwaltungsgesellschaften;
  • kantonale Patentbox (obligatorisch);
  • erhöhte kantonale Steuerabzüge für Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen (freiwillig);
  • Anpassungen bei der kantonalen Kapitalsteuer (freiwillig);
  • einheitliches System zur Aufdeckung stiller Reserven auf Bundes- und Kantonsebene;
  • zinsbereinigte Gewinnsteuer auf überdurchschnittlichem Eigenkapital für Bund (obligatorisch) und Kantone (freiwillig). Kantone, die dieses Instrument einführen, müssen gleichzeitig sicherstellen, dass das Teilbesteuerungsmass für qualifizierende Beteiligungen (mindestens 10%) im Privatvermögen mindestens 60 Prozent beträgt;
  • Entlastung aus Patentbox, Inputförderung, zinsbereinigter Gewinnsteuer sowie aus Abschreibungen aufgrund eines vorzeitigen Verzichts auf einen kantonalen Steuerstatus darf gesamthaft 80 Prozent des steuerbaren Reingewinns vor Anwendung dieser Regelungen nicht überschreiten;
  • pauschale Steueranrechnung auch für schweizerische Betriebsstätten ausländischer Unternehmen;
  • fünfjährige Übergangsbestimmung zur gesonderten Besteuerung ehemaliger Statusgesellschaften;
  • Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer von 17 auf 21,2 Prozent;
  • Gewichtung der Gewinne juristischer Personen im Ressourcenpotenzial gemäss der relativen steuerlichen Ausschöpfung mit Übergangsbestimmungen;
  • zeitlich limitierter Ergänzungsbeitrag für ressourcenschwache Kantone.
Kasten 2: Auswirkungen auf den Staatshaushalt

Die finanziellen Auswirkungen der Reform ergeben sich aus den statischen Effekten, die unmittelbar durch die Reformmassnahmen hervorgerufen werden, und den dynamischen Auswirkungen, welche sich durch Verhaltensanpassungen der Akteure über kurz oder lang einstellen. Es handelt sich dabei namentlich um Änderungen des Investitionsverhaltens und vor allem um Abwanderungen oder Zuzüge einzelner Unternehmensfunktionen oder ganzer Unternehmen.

Statisch belastet die Reform den Bundeshaushalt mit rund 1,3 Milliarden Franken pro Jahr. Bei den Kantonen und Gemeinden hängen die finanziellen Auswirkungen in erster Linie davon ab, in welchem Umfang diese auf allgemeine Gewinnsteuersenkungen setzen und wie stark sie von der Förderung von Forschung und Entwicklung Gebrauch machen.

Während sich die statischen Mindereinnahmen weitgehend quantifizieren lassen, unterliegen die dynamischen Auswirkungen einer erheblichen Ungewissheit. Diese betrifft insbesondere die Steuerpolitik der Kantone und der Konkurrenzstandorte sowie die Verhaltensanpassungen der Unternehmen. Mit der Vorlage werden jedoch günstige Rahmenbedingungen geschaffen, in denen sich die dynamischen Effekte positiv entfalten und die Wertschöpfung sowie die Steuereinnahmen ankurbeln können.