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Altersvorsorge: Erste und zweite Säule brauchen Stütze

Ohne Gegenmassnahmen geraten die erste und die zweite Säule ins Ungleichgewicht. Das Gelingen der Reform Altersvorsorge 2020 ist deshalb zentral.
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Die junge Generation zahlt für die ältere. Nach diesem Prinzip funktioniert das Umlageverfahren der AHV. (Bild: Shutterstock)

Längst gleicht die ständige Wohnbevölkerung in der Schweiz keiner «Alterspyramide» mehr, sondern vielmehr einem Pilz mit breiter Basis und weit geöffnetem Schirm (siehe Abbildung 1). Der Grund dafür ist die starke Zunahme der Geburten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 bis 1965. Da die Mehrheit dieser Babyboom-Generation in den nächsten Jahren das Rentenalter erreicht, verändert sich das Verhältnis der Rentner zu der beitragszahlenden Bevölkerung: der sogenannte Altersquotient. Während heute auf einen Rentner noch 3,0 Beitragszahler kommen, sind es im Jahr 2030 nur noch 2,4 Beitragszahler.

Abb. 1: Altersstruktur der ständigen Wohnbevölkerung in der Schweiz im Jahr 2030




Quelle: BFS / Die Volkswirtschaft

Infolge der Wanderungsbewegungen der letzten Jahrzehnte wird zudem ab dem Jahr 2035 eine weitere Welle Rentner das Pensionsalter erreichen, weshalb der Altersquotient im Jahr 2045 wohl bei rund zwei Beitragszahlern pro Rentner liegen wird. Bei der ersten Säule kommt hinzu: Die AHV-Rentner, welche im Ausland leben, sind nicht berücksichtigt, da sie nicht zur ständigen Wohnbevölkerung zählen. Diese Gruppe gewinnt jedoch stetig an Bedeutung und entspricht bereits einem Anteil von rund 14 Prozent der im Inland ausbezahlten AHV-Rentensumme.

Da immer weniger Beitragszahler vorhanden sind und immer mehr Renten ausbezahlt werden müssen, entsteht eine Finanzierungslücke, die ab 2020 immer grösser wird. Dadurch leert sich der AHV-Ausgleichsfonds bis 2030. Um das Rentenniveau zu erhalten und die Finanzierung der AHV trotz dieser demografischen Herausforderungen sicherzustellen, hat der Bundesrat 2014 die Reform der Altersvorsorge 2020 vorgelegt, welche gegenwärtig im Parlament beraten wird. Das Volk wird voraussichtlich nächstes Jahr darüber abstimmen.

Lebenserwartung steigt


Der Gesamtbetrag der zu bezahlenden Renten steigt aufgrund der höheren Lebenserwartung. Bisher konnten die Mehrkosten durch die zweimalige Anhebung des Rentenalters der Frauen in den Jahren 2001 und 2004 sowie durch die 1999 in Kraft getretene Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes aufgefangen werden. Ebenfalls stabilisierend wirkten ein grösseres Beitragsaufkommen aufgrund der wachsenden Arbeitsproduktivität und die Steigerung der Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen.

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Reform der Altersvorsorge 2020 trägt der längeren Lebenserwartung Rechnung, indem das Referenzalter der Frauen demjenigen der Männer angeglichen und der Mehrwertsteuersatz erneut zugunsten der AHV erhöht wird. Zudem werden die versicherungsmathematischen Kürzungssätze und Aufschubfaktoren für den flexiblen Altersrücktritt der gestiegenen Lebenserwartung angepasst.

Auswirkungen in der zweiten Säule


Der demografische Wandel wirkt sich auch auf die zweite Säule aus. Wohlbekannt ist, dass aufgrund der steigenden Lebenserwartung das angesparte Kapital über einen längeren Zeitraum aufgeteilt werden muss.[1] Etwas weniger Beachtung wird der Zunahme des Altersquotienten geschenkt, die dazu führt, dass die Rentenbezüger sowohl personenmässig als auch kapitalmässig stärker ins Gewicht fallen werden. So wird beispielsweise das Vorsorgekapital der Rentner in Zukunft grösser sein als das Vorsorgekapital der Aktiven. In den letzten zehn Jahren entfielen rund 45 Prozent des Vorsorgekapitals auf die Rentner.[2] Bereits in zehn Jahren wird dieser Anteil auf 50 Prozent ansteigen, und im Jahr 2035 wird er bereits fast 55 Prozent betragen (siehe Abbildung 2).

Dies wirkt sich einerseits auf die Höhe der Rendite aus, welche die Pensionskassen auf ihren Kapitalanlagen erwirtschaften müssen. Zurzeit muss das Vorsorgekapital der Rentner bei den meisten Pensionskassen höher verzinst werden als das Vorsorgekapital der Aktiven. So wurden die Altersguthaben der Aktiven im Jahr 2015 im Durchschnitt mit 1,93 Prozent verzinst, während der technische Zinssatz, mit dessen Hilfe das notwendige Kapital zur Finanzierung der Verpflichtungen berechnet wird, durchschnittlich bei 2,75 Prozent lag.[3] Nimmt nun in einer solchen Situation der Anteil des Vorsorgekapitals der Rentner am gesamten Vorsorgekapital zu, erhöht dies die notwendige Rendite, die erreicht werden muss, um die finanzielle Situation stabil zu halten.

Abb. 2: Vorsorgekapital der Aktiven und der Rentner (2005 bis 2045; in Fr. )




Anmerkung: Dargestellt sind nur die direkten Auswirkungen der zukünftigen demografischen Entwicklung auf das Vorsorgekapital und die Zahlungsflüsse in der zweiten Säule. Alle anderen Faktoren wirtschaftlicher, institutioneller oder politischer Natur sind nicht berücksichtigt worden. Die Werte stellen deshalb keine Prognosen dar, sondern dienen dazu, den (isolierten) Effekt des demografischen Wandels aufzuzeigen.

Quelle: Pensionskassenstatistik (2005–2014), Berechnungen BSV / Die Volkswirtschaft

Andererseits wird die Sanierung einer Pensionskasse in Unterdeckung umso schwieriger, je höher der Anteil der Rentenbezüger ist. Da die Renten garantiert sind, können für Sanierungsmassnahmen wie beispielsweise eine tiefere Verzinsung der Altersguthaben oder die Erhebung von Sanierungsbeiträgen nur die aktiven Versicherten herangezogen werden. Für Pensionskassen mit einem hohen Rentneranteil ist es somit schwieriger, wieder aus einer Unterdeckung herauszukommen. Sie müssen deshalb Unterdeckungen möglichst vermeiden und können folglich weniger risikoreich investieren als eine «junge» Pensionskasse. Dies ist einer von mehreren Wirkungskanälen, wieso die demografische Alterung die Pensionskassen vor neue Herausforderungen stellen wird und insbesondere auch ihre Investitionsentscheidungen beeinflussen kann.

Negativer Cashflow ab 2045


Die Zunahme des Anteils der Rentenbezüger wird auch den Cashflow, also die Differenz zwischen den Beitragseinnahmen und den Renten- bzw. Kapitalzahlungen, verändern. Zurzeit ist der Cashflow über alle Vorsorgeeinrichtungen betrachtet noch positiv: Die Beiträge übersteigen die Auszahlungen um rund 17 Milliarden Franken pro Jahr. Dies hat auch damit zu tun, dass sich die berufliche Vorsorge immer noch in der Aufbauphase befindet. Erst im Jahr 2025 – also 40 Jahre nach der Einführung des BVG-Obligatoriums – wird der erste Jahrgang in Pension gehen, dessen BVG-Rente auf Basis eines vollständigen Sparprozesses ab dem Alter von 25 Jahren berechnet wird. Unsere Projektionen zeigen: Der Cashflow nimmt in Zukunft stetig ab und wird ungefähr im Jahr 2045 negativ (siehe Abbildung 3).

Ein negativer Cashflow engt den Spielraum der Pensionskassen ein. Denn: Die Ausgaben können nicht aus den laufenden Einnahmen gedeckt werden, sondern müssen teilweise auch aus dem Vorsorgevermögen bestritten werden. Dies zwingt die Pensionskassen dazu, vermehrt Liquidität zu halten, und beeinflusst damit ebenfalls die Anlagestrategie.

Abb. 3: Beiträge, Leistungen und Cashflow (2005 bis 2045)




Siehe Anmerkung in Abbildung 2.

Quelle: Pensionskassenstatistik (2005–2014), Berechnungen BSV / Die Volkswirtschaft

Für die zweite Säule kann zusammenfassend festgehalten werden: Aufgrund der demografischen Entwicklungen und vor dem Hintergrund des aktuellen Tiefzinsumfelds wird die Situation zunehmend schwieriger. Um die finanzielle Stabilität der Pensionskassen zu sichern, ist es deshalb umso wichtiger, den Mindestumwandlungssatz an die wirtschaftlichen und demografischen Verhältnisse anzupassen, wie es die Vorlage Altersvorsorge 2020 vorsieht.

  1. Vgl. Botschaft zur Reform Altersvorsorge 2020, Bundesrat, 2014; Grundlagen für die Berechnung der Altersvorsorge, T. Friedli und T. Borek, Die Volkswirtschaft, 9/2013; Schweizer Pensionskassenstudie 2016, Swisscanto Vorsorge AG, 2016. []
  2. Pensionskassenstatistik 2005–2014, BFS. []
  3. Bericht finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtungen 2015, OAK BV, 2016. []

Zitiervorschlag: Borek, Thomas; Friedli, Thomas K. (2016). Altersvorsorge: Erste und zweite Säule brauchen Stütze. Die Volkswirtschaft, 24. Oktober.