Suche

Abo

Ökonomische Herausforderungen der Klimapolitik

Wie sieht eine möglichst effiziente Klimapolitik aus? Eine ökonomische Analyse zeigt, dass das neue CO2-Gesetz im Spannungsfeld zwischen Effizienz, Wettbewerbsfähigkeit und Verteilungsfragen steht. Eine Reduktion von Treibhausgasen in der Schweiz ist zudem mit relativ hohen Kosten verbunden.

Ökonomische Herausforderungen der Klimapolitik

Das Verursacherprinzip ist bei der Klimaproblematik oft verletzt: Die Kosten trägt hauptsächlich die Allgemeinheit. Beispielsweise mit höheren Gesundheitskosten. (Bild: Keystone)

Wer Benzin oder Heizöl verbrennt, verursacht Kohlendioxid (CO2) und trägt damit zum Treibhauseffekt und zum Klimawandel bei. Die Treibhausgasemissionen verursachen dabei sogenannte externe Kosten. Das bedeutet, dass die Kosten nicht «intern» für den Verursacher, sondern «extern» für die Allgemeinheit anfallen. Da diese Kosten nicht in die individuelle Verbrauchsentscheidung einbezogen werden, führt das zu einem ineffizient hohen CO2-Ausstoss.

Bei der Klimastabilität handelt es sich um ein sogenanntes öffentliches Gut. Das bedeutet, dass zwar jeder ein Interesse an einem stabilen Klima hat, aber dennoch kaum jemand bereit ist, dafür Anstrengungen zu unternehmen. Denn alleine kann niemand ein stabiles Klima garantieren, und es kann auch niemand davon ausgeschlossen werden. Öffentliche Güter und Externalitäten stellen in der Wohlfahrtsökonomie Marktversagen dar und können einen staatlichen Eingriff rechtfertigen.

Ansprüche an eine effiziente Klimapolitik


Aus ökonomischer Sicht sollten solche klimapolitischen Eingriffe dem Verursacherprinzip gerecht werden, zur Internalisierung der externen Kosten beitragen und damit Anreize zu einer nachhaltigen und effizienten Nutzung von fossilen Energieträgern setzen.

Aufgrund des globalen Charakters des Klimas ist es irrelevant, wo das CO2 ausgestossen oder reduziert wird. Eine wirkungsvolle und kosteneffiziente Klimapolitik sollte die notwendigen Reduktionen daher also dort durchführen, wo die Vermeidungskosten am tiefsten sind. Die Schweiz ist im internationalen Vergleich bereits relativ CO2-effizient und hat die sogenannten Low-Hanging Fruits – die kostengünstigen Reduktionspotenziale – bereits ausgeschöpft. Die Kosten für weitere Reduktionen sind deshalb vergleichsweise hoch. Aus Effizienzsicht sollten darum auch Reduktionen im Ausland möglich sein.

Zudem gilt es, der internationalen Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Unternehmen Rechnung zu tragen und die Gefahr von Abwanderungen ins Ausland zu reduzieren. Dafür dürfen schweizerische gegenüber ausländischen Unternehmen möglichst nicht benachteiligt werden. Die Massnahmen sollten deshalb international koordiniert und im Gleichschritt mit den Ländern, mit denen die Schweiz besonders im Standortwettbewerb steht, entwickelt werden.

Neben dieser Herausforderung für international gleich lange Spiesse gilt es auch, Wettbewerbsverzerrungen zwischen Unternehmen innerhalb der Schweiz zu vermeiden. Ein wichtiger Bestandteil ist dabei auch der Vollzug der Massnahmen. Er soll möglichst einfach sein und wenig Aufwand für Unternehmen und Verwaltung verursachen.

Reduktionskosten im Inland sind teurer


In der Schweiz will der Bundesrat bis 2030 die Emissionen gegenüber dem Stand von 1990 um 50 Prozent reduzieren. Zusätzlich will er verankern, dass mindestens eine Reduktion von 30 Prozent im Inland umgesetzt werden muss. Das heisst, maximal eine Reduktion von 20 Prozent darf im Ausland umgesetzt werden.

Die Reduktionsziele will der Bundesrat durch eine Verschärfung der bestehenden sowie durch neue Massnahmen erreichen. Das neue CO2-Gesetz sieht eine Mischung aus marktwirtschaftlichen Instrumenten (CO2-Abgabe, Emissionshandelssystem), regulatorische Massnahmen (z. B. Emissionsvorschriften für neue Fahrzeuge), Förderinstrumenten (z. B. Gebäudeprogramm) und Information vor. Die geschätzten Reduktionskosten des neuen CO2-Gesetzes variieren bei inländischer Umsetzung je nach Massnahme zwischen 11[1] und 300 Franken pro Tonne CO2[2]. Zum Vergleich: Für Kompensationsprojekte im Ausland wird der Reduktionspreis auf 5 bis 35 Franken pro Tonne geschätzt. [3]

Für eine kleine und offene Volkswirtschaft wie die Schweiz ist diese Kostendifferenz zwischen Massnahmen im In- und Ausland besonders relevant. Wenn die Schweiz alleine ambitionierte klimapolitische Massnahmen durchsetzt, ohne dass die anderen Länder mitziehen, bedeutet dies höhere Kosten für die Schweizer Unternehmen im Vergleich zu ihren ausländischen Konkurrenten. Die Möglichkeit, zukünftig einen Teil der Emissionen aus dem Verkehr im Ausland zu kompensieren, erlaubt es der Schweiz, eine beträchtliche Reduktion zu massiv tieferen Kosten zu erreichen, als dies im Inland möglich wäre.[4]

Emissionen einen Preis geben


Die Ursache für den ineffizienten und überhöhten Ausstoss liegt darin, dass der CO2-Ausstoss für den Verursacher keinen Preis hat, für die Gesellschaft hingegen Kosten verursacht. Naheliegend wäre es daher, den Emissionen einen Preis zu geben. Das trägt zu einer Internalisierung der externen Kosten bei und führt im Idealfall zur effizienten Ausstossmenge. Genau hier setzen marktwirtschaftliche Instrumente wie Lenkungsabgaben oder Emissionshandelssysteme für CO2 an.

Eine Lenkungsabgabe verteuert den Einsatz fossiler Ressourcen und soll so eine Substitution hin zu erneuerbaren Energieträgern begünstigen. Eine Schwierigkeit besteht darin, den «richtigen», zielführenden Abgabesatz festzulegen. Zudem stellt sich die Frage nach der Verwendung der Einnahmen. Aus ökonomischer Sicht ist es am sinnvollsten, diese direkt an die Bevölkerung und die Unternehmen zurückzugeben oder andere verzerrende Steuern damit abzubauen.

In einem Emissionshandelssystem werden hingegen die Gesamtemissionsmenge und der Absenkpfad bereits im Voraus festgelegt. Für jede Tonne CO2 müssen die Verbraucher dem Staat ein entsprechendes Emissionszertifikat abgeben. Diese Emissionszertifikate können gehandelt werden, wodurch sich ein Preis für die Emissionen ergibt. Der Vorteil eines solchen Systems ist, dass die Mengen relativ genau gesteuert werden können. Der Nachteil: Ein flächendeckendes Emissionshandelssystem ist äusserst aufwendig im Vollzug.

Vermehrt auf Lenkung setzen


Die wichtigste marktwirtschaftliche Massnahme der Schweizer Klimapolitik ist auch im neuen Gesetz die CO2-Abgabe, eine Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe. Eine Lenkungsabgabe ist eines der effizientesten klimapolitischen Instrumente, da sie Unternehmen und Haushalten die Möglichkeit bietet, die Reduktionen flexibel dort umzusetzen, wo sie am kostengünstigsten sind. Zudem ermöglicht sie eine Internalisierung der externen Kosten und kann so zu einer effizienten Nutzung fossiler Brennstoffe beitragen.

Neben der Lenkungsabgabe sieht das CO2-Gesetz aber auch regulatorische Massnahmen sowie Förder- und Informationsinstrumente vor. Förderinstrumente sind meist weniger effizient darin, Externalitäten zu korrigieren, weil sie mitunter Unternehmen und Haushalten zugutekommen, welche beispielsweise ihre Ölheizung auch ohne Förderung ersetzt hätten. Eine Evaluation[5] zeigt, dass solche Mitnahmeeffekte auch beim Gebäudeprogramm bestehen. Zudem fördern Subventionen vorwiegend bestehende Technologien und generieren wenig Innovationsanreize.

Ein weiterer Schwachpunkt ist, dass der Staat als Planer auftritt und entscheiden muss, welche Akteure und Technologien subventionsberechtigt sind. Dabei besteht die Gefahr von Wettbewerbsverzerrungen und dem Einfluss von Partikularinteressen. Aus diesen Gründen hat der Bundesrat im Rahmen der zweiten Etappe der Energiestrategie 2050 vorgeschlagen, die Förderinstrumente auslaufen zu lassen und einen Wechsel hin zu Lenkungsinstrumenten zu vollziehen. Das Gebäudeprogramm und der Technologiefonds sollen im neuen CO2-Gesetz bis 2025 befristet werden.

Ausnahmen führen zu Verzerrungen


Durch den Übergang von einem Fördersystem hin zu einem Lenkungssystem will der Bundesrat vermehrt Effizienzargumenten Rechnung zu tragen. Neben der Effizienz sind in der politischen Debatte auch Verteilungswirkungen ein wichtiges Kriterium. So würde eine grundsätzlich effiziente Massnahme wie eine Lenkungsabgabe auf Treibstoffe Haushalte mit tieferem Einkommen und insbesondere auch Randregionen überproportional belasten. Dieses Spannungsfeld zwischen der Effizienz und der Verteilungswirkung wird bei der Ausgestaltung des Lenkungssystems eine Herausforderung darstellen.

Aus Effizienzgründen sollten grundsätzlich alle Akteure vergleichbare Vermeidungskosten haben. Oft stehen diesem Grundsatz jedoch weitere politische Ziele entgegen, beispielsweise die Gewährleistung der Wettbewerbsfähigkeit emissionsintensiver Unternehmen. So sind in der Schweiz grosse, treibhausgasintensive Unternehmen von der CO2-Abgabe befreit, müssen dafür aber am Emissionshandel teilnehmen. Kleine und mittlere treibhausgasintensive Unternehmen können sich ebenfalls befreien lassen, wenn sie sich im Gegenzug zu einer Reduktion der Treibhausgase verpflichten (sogenannte Verminderungsverpflichtung). Diese Möglichkeit, sich von der Abgabe zu befreien, soll einerseits die internationale Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Unternehmen verbessern. Auf der anderen Seite kann sie aber auch zu einer Verzerrung zwischen befreiten und nicht befreiungsberechtigten Unternehmen führen.

Unsicheres nationales und internationales Umfeld


Eine weitere Schwierigkeit dürfte sein, die verbindlichen Ziele und Massnahmen des CO2-Gesetzes in einem unsicheren nationalen und internationalen Umfeld umzusetzen. So hängt die Wirkung der Massnahmen beispielsweise stark vom Bevölkerungswachstum und den Ölpreisen ab. Ebenso wird davon ausgegangen, dass die Verknüpfung des Schweizer Emissionshandelssystems mit demjenigen der EU erfolgreich ist und der im Übereinkommen von Paris vorgesehene neue Marktmechanismus funktioniert. Aufgrund der offenen Fragen mit der EU ist aus heutiger Sicht die Verschmelzung der beiden Emissionshandelssysteme aber noch unsicher. Sollten die zugrunde liegenden Annahmen nicht eintreffen, wäre der Bundesrat verpflichtet, zusätzliche Massnahmen vorzuschlagen.

Für ein stabiles Klima braucht es eine weltweite Reduktion der Treibhausgasemissionen. Die Schweiz will hierzu ihren Beitrag leisten. Dies hat starke Auswirkungen auf die Volkswirtschaft. Kosten und Nutzen der Ziele und Massnahmen und die damit verbundenen Unsicherheiten sowie die Auswirkungen müssen offen diskutiert werden und sorgfältig abgewogen werden. Nur so können die Kosten für die Schweizer Volkswirtschaft so tief wie möglich gehalten werden.









  1. Bei einer Verknüpfung des Schweizer Emissionshandelssystems mit demjenigen der EU. []
  2. Für inländische Kompensationsprojekte der Treibstoffimporteure. []
  3. Bafu (2016). Synthesebericht: Volkswirtschaftliche Beurteilung der klimapolitischen Massnahmen post 2020. Verfügbar auf Bafu.admin.ch []
  4. Siehe hierzu den Artikel von Roman Schibli in dieser Ausgabe. []
  5. Bericht des Bundesrates (2016). Wirksamkeit der Finanzhilfen zur Verminderung der CO2-Emissionen bei Gebäuden gemäss Artikel 34 CO2-Gesetz. []

Zitiervorschlag: Annetta Holl (2016). Ökonomische Herausforderungen der Klimapolitik. Die Volkswirtschaft, 24. November.