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Wachstumsstarke Unternehmen: Schweiz in der Spitzengruppe

Bei den Anteilen der stark wachsenden Unternehmen hält die Schweiz international mit. Sie befindet sich auf Augenhöhe mit Vergleichsländern wie Israel, Deutschland und Schweden.
Dank Onlinehandel auf Wachstumskurs: LeShop-Chef Dominique Locher. (Bild: Keystone)

Fehlt es der Schweiz an wachstumsstarken Unternehmungen? Diese Frage wird oft von der Politik gestellt – so auch 2013 in einem Postulat des Waadtländer FDP-Nationalrats Fathi Derder.[1] Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat hierzu beim Beratungs- und Forschungsunternehmen Ecoplan eine Studie in Auftrag gegeben. [2] Diese zeigt: Die Schweiz kann im internationalen Vergleich bei den rasch wachsenden – jungen und bestehenden – Unternehmen mithalten. Pro Einwohner liegt die Zahl wachstumsstarker Unternehmen sogar deutlich über den meisten Vergleichsländern. Die These, dass die Schweiz über wenig wachstumsstarke Unternehmen verfügt und in diesem Bereich nur wenige Arbeitsstellen geschaffen werden, lässt sich somit aufgrund der vorhandenen Daten nicht bestätigen.

Für die Ecoplan-Studie wurden erstmalig verschiedene Daten des Bundesamtes für Statistik miteinander verknüpft.[3] Wo es die relativ dünne Datenbasis erlaubte, vergleicht der Bericht die Schweiz mit verschiedenen OECD-Ländern. Insbesondere zu Start-ups sind aber kaum Daten vorhanden. Die statistischen Grundlagen für die hier behandelten Fragen werden sich aber dank der neuen Unternehmensstatistik Statent des Bundesamtes für Statistik (BFS) in den nächsten Jahren wesentlich verbessern.

Im untersuchten Zeitraum 2007 bis 2013 blieb die Zahl der Neugründungen von Unternehmen in der Schweiz über alle Sektoren relativ stabil und wich jährlich maximal 5 Prozent vom langjährigen Durchschnitt ab. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich in Belgien und den USA – wobei sich die absoluten Zahlen der Neugründungen kaum vergleichen lassen, weil die Daten unterschiedlich erhoben werden.

Nicht in allen Sektoren herrschte Aufbruchstimmung: Während im Dienstleistungssektor tendenziell mehr Unternehmen gegründet wurden, verzeichneten die Industrie und der Bau nach der Wirtschaftskrise von 2008 eine klare Abnahme. Der Bausektor hat sich später rasch wieder erholt, in der Industrie dauert der Rückgang der Neugründungen jedoch an.

Neu gegründete Unternehmen sind zäh


Die Überlebenswahrscheinlichkeit der neu gegründeten Schweizer Unternehmen ist im internationalen Vergleich hoch: Von allen 2007 gegründeten Unternehmen sind fünf Jahre später knapp 60 Prozent noch aktiv. Von allen 18 OECD-Vergleichsländern ist dieser Anteil nur in Österreich, Belgien und Schweden höher. Die übrigen Nachbarländer befinden sich mit 40 bis 50 Prozent im internationalen Mittelfeld. Allerdings werden neu gegründete Unternehmen in der Schweiz überdurchschnittlich oft innerhalb eines Jahres bereits wieder aufgegeben, was aber möglicherweise auf die Erhebungsmethoden zurückzuführen ist.

Die Schweizer Wirtschaft ist im internationalen Vergleich stark von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) geprägt. Vier von fünf neu geschaffenen Stellen stammten von KMU, wo insgesamt 67 Prozent aller Beschäftigten arbeiten. Zwischen 2011 und 2013 schufen KMU jährlich rund 19’500 Stellen netto, 17’000 davon im Dienstleistungssektor und 2500 in der Industrie. Sie schufen somit rund viermal so viele Stellen wie die Grossunternehmen[4] mit rund 5500 Stellen. Im Dienstleistungssektor entstanden dabei insgesamt rund fünfmal so viele Stellen wie in der Industrie.

Wachstumsstarke Unternehmen in der Schweiz (2008 bis 2013)








  Unternehmen ab zehn Beschäftigen Beschäftigte Total Medium- und High-Growth-Enterprises High-Growth-Enterprises Gazellen (Unter- und Obergrenze)
Anzahl Firmen Anzahl Beschäftigte Anzahl Firmen Anzahl Beschäftigte Anzahl Firmen Anzahl Beschäftigte
2008 44’000 2’957’400 5500 397’400 1590 139’500 79–* 5800–*
2011 49’200 3’308’500 6300 374’100 1880 146’100 78–340 3300–22’100
2013 49’800 3’355’700 6100 280’700 1820 93’400 104–463 3800–19’500


* Für 2008 kann keine Obergrenze ausgewiesen werden

 Quelle: Ecoplan (2016); Werte gerundet.

Auf Augenhöhe mit Israel, Deutschland und Schweden


In der Schweiz weisen rund 12 Prozent aller Firmen ab zehn Beschäftigten im Dreijahresvergleich ein durchschnittliches jährliches Wachstum von über 10 Prozent auf. Der Anteil solcher Medium- und High-Growth-Enterprises (siehe Kasten) ist über die Jahre stabil. Ähnliche Anteile von Medium- und High-Growth-Enterprises haben Israel, Deutschland, Schweden oder Grossbritannien mit Werten zwischen 11 und 15 Prozent.

Betrachtet man ausschliesslich die High-Growth-Enterprises, welche im Dreijahresschnitt mindestens 20 Prozent wachsen, ist die Situation in der Schweiz ebenfalls stabil. Mit einem Anteil von rund 3,5 Prozent aller Firmen ab zehn Beschäftigten liegt die Schweiz in der Nähe der international führenden Vergleichsstaaten Schweden, Grossbritannien und Israel, die Anteile zwischen 4,0 und 5,5 Prozent aufweisen. Vor allem in den Jahren nach der Wirtschaftskrise 2008 schneidet die Schweiz gut ab. Besonders hoch ist der Anteil der Schweizer High-Growth-Enterprises mit 4,5 Prozent im Dienstleistungssektor.

Aufgrund fehlender Daten lässt sich für die wachstumsstarken Jungunternehmen – High-Growth-Enterprises, welche jünger als fünf Jahre sind – nur eine Ober- und eine Untergrenze angeben. Die Anteile dieser sogenannten Gazellen liegen in der Schweiz zwischen 0,2 und 0,8 Prozent, was etwa 80 bis gut 400 Unternehmen entspricht. Verschiedene Anhaltspunkte – wie beispielsweise der Ländervergleich bei den High-Growth-Enterprises – deuten darauf hin, dass der Anteil solcher Start-ups eher im Bereich der Obergrenze von 0,8 Prozent liegt. Zum Vergleich: Im Spitzenland Israel liegen die Gazellen anteilsmässig bei 0,9 Prozent.

Deutlich über den meisten Vergleichsländern liegt die Schweiz bei der Aufschlüsselung pro Einwohner.[5] Auf 100’000 Einwohner kommen in der Schweiz rund 400 High-Growth-Enterprises (siehe Abbildung). In Israel liegt dieser Wert bei rund 300 Unternehmen, in den USA bei knapp 150. Rund drei Viertel der wachstumsstarken Unternehmen stammen aus dem Dienstleistungssektor – in der Schweiz und auch international.

Anzahl stark wachsender Unternehmen («High-Growth-Enterprises») 2011 pro 1000 Einwohner zwischen 20 und 64 Jahren




Quelle: Ecoplan (2016), S. 57 / Die Volkswirtschaft

Grossregionen Zürich und Genfersee besonders wachstumsstark


Innerhalb der Schweiz befinden sich in den Grossregionen Zürich und Genfersee überdurchschnittlich viele wachstumsstarke Unternehmen. 2011 hatten 45 Prozent aller High-Growth-Enterprises ihren Standort in diesen beiden Grossregionen. Im Tessin hingegen ist der Anteil wachstumsstarker Unternehmen unterdurchschnittlich.

Die wachstumsstarken Unternehmen sind wichtige Arbeitgeber: Rund 11 Prozent der Beschäftigten arbeiten in Medium- und High-Growth-Enterprises, von ihnen gut 4 Prozent in High-Growth-Enterprises. Damit befindet sich die Schweiz gleichauf mit Schweden. Lediglich Grossbritannien und Israel schneiden rund 3 Prozentpunkte besser ab.

Bei den High-Growth-Enterprises befindet sich die Schweiz in der Mitte der Vergleichsländer Israel, Neuseeland und Vereinigte Staaten, wobei die USA einen rund einen Prozentpunkt höheren Beschäftigtenanteil aufweisen. Pro Einwohner verzeichnen sie jedoch weniger als halb so viele High-Growth-Enterprises wie die Schweiz.

Auch beim Beschäftigtenanteil punktet der Dienstleistungssektor – das gilt sowohl für Medium- und High-Growth-Enterprises wie auch für Gazellen. Die High-Growth-Enterprises des Dienstleistungssektors tragen beispielsweise insgesamt 5 Prozent zur Gesamtbeschäftigung in diesem Sektor bei. Im Baugewerbe beträgt der Anteil dieser Unternehmenskategorie 3 Prozent und im Industriesektor 2 Prozent.

Innerhalb der Schweiz sind die Beschäftigtenanteile von Medium- und High-Growth-Enterprises in den Grossräumen Zürich und Genfersee, aber auch in der Zentralschweiz überdurchschnittlich. In diesen Regionen arbeiten 12 bis 13 Prozent der Beschäftigten – also jeder achte Beschäftigte – in wachstumsstarken Unternehmen. Bei den Gazellen schwingen die Grossregionen Zürich und Genfersee, wo bis zu 1 Prozent der Beschäftigten in solchen Jungunternehmen arbeitet, deutlich obenauf.

  1. Postulat 13.4237 (Für eine bessere Entwicklung innovativer Jungunternehmen). []
  2. Ecoplan (2016). Statistische Grundlagen zu Neugründungen und wachstumsstarken Unternehmen, Auswertungen für die Schweiz und internationaler Vergleich[]
  3. Statistiken zur Unternehmensdemografie (Udemo), die Betriebszählung (2005, 2008) und deren Nachfolgerin, die Unternehmensstatistik Statent. Diese wird ab 2011 jährlich erhoben, die Regeln für die Erfassung und Abgrenzung weichen aber von der Betriebszählung ab, sodass Vergleiche schwierig sind. []
  4. Mehr als 250 Beschäftige. []
  5. Die Abweichungen zur vorherigen Betrachtung (Anteil an alle Unternehmen) entstehen u. a. durch Unterschiede in der durchschnittlichen Unternehmensgrösse und der Erwerbsquote. []

Zitiervorschlag: Michael Mattmann, Felix Walter, (2016). Wachstumsstarke Unternehmen: Schweiz in der Spitzengruppe. Die Volkswirtschaft, 21. Dezember.

Was sind wachstumsstarke Unternehmen?

Die Zahl der wachstumsstarken Unternehmen wird für die Schweiz für die Jahre 2008, 2011 und 2013 bestimmt. Gemäss der Definition von Eurostat und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) unterscheidet die Analyse drei Typen wachstumsstarker Unternehmen.
Medium- und High-Growth-Enterprises sind Unternehmen, deren Zahl der Beschäftigten während dreier Jahre im Durchschnitt mindestens 10 Prozent pro Jahr gewachsen ist und die davor bereits zehn Beschäftigte hatten. High-Growth-Enterprises unterscheiden sich lediglich dadurch, dass sie ein Beschäftigungswachstum von mindestens 20 Prozent pro Jahr aufweisen. Die sogenannten Gazellen sind eine Unterkategorie der High-Growth-Enterprises: Sie dürfen am Ende der dreijährigen Wachstumsperiode höchstens fünf Jahre alt sein. Teilweise wird die Definition der Gazellen für Start-up-Firmen verwendet.