Die Fahrer von Uber-Taxis werden mittels der Bewertungsfunktion stets von den Gästen überwacht. (Bild: Keystone)
Der Begriff «Sharing-Economy» schaffte es 2015 auf die vom britischen Wörterbuch Oxford Dictionaries erstellte Shortlist für das Wort des Jahres. Dies kam nicht unerwartet, denn das Teilen und Mieten von Gütern und Dienstleistungen über Onlineplattformen liegt im Trend: Der EU-weite Bruttoumsatz der Sharing-Economy 2015 hat sich mit 28 Milliarden Euro gegenüber 2014 fast verdoppelt.[1] Auch in der Schweiz beteiligen sich heute 55 Prozent der Bevölkerung an der Sharing-Economy – sei es als Anbieter oder als Nachfrager.[2] Zu den Aushängeschildern der Sharing-Economy gehören Unternehmen wie die Übernachtungsplattform Airbnb oder der Fahrdienstvermittler Uber.
Die Vorteile der Sharing-Economy sind vielfältig. Das Teilen und Mieten über Onlineplattformen führt zu mehr Transparenz zwischen den Marktteilnehmern, zu geringeren Transaktionskosten und somit zu einer effizienteren Allokation von Gütern wie Autos oder Wohnungen. Das führt zu einem grösseren Angebot und zu geringeren Preisen bei häufig besserer Qualität und erhöht so die Wohlfahrt der Konsumenten. Darüber hinaus können Privatanbieter ohne grosse Kosten und Risiken ihre Güter und Fähigkeiten einem grösseren, zum Teil sogar globalen Netzwerk anbieten.
Doch trotz dieser Vorteile ist der Widerstand gross. Das Taxi- und das Hotelgewerbe fordern beispielsweise, dass bestehende Regulierungen vollständig auf die Sharing-Economy angewendet oder einzelne Anbieter sogar verboten werden. Wie sind solche Forderungen aus ökonomischer und rechtlicher Sicht zu beurteilen?
Selbstregulierung durch Bewertungssystem
Aus ökonomischer Sicht können Regulierungen vor allem dann sinnvoll sein, wenn der Markt keine gesamtwirtschaftlich effizienten Ergebnisse hervorbringt. In diesem Fall sprechen Ökonomen von Marktversagen. Liegt ein solches vor, kann der Staat versuchen, durch einen Markteingriff die Wohlfahrt der Gesellschaft zu erhöhen.
In den Bereichen Beherbergung und Personentransport kann Marktversagen vor allem als Folge von Informationsasymmetrien auftreten. Wer eine Unterkunft mietet, weiss viel weniger über deren Ausstattung, Sauberkeit und Qualität als der Vermieter. Zu einem Marktversagen kann es auch durch negative Externalitäten kommen, etwa wenn ein Taxifahrer einen Unfall verursacht und dadurch Kunden oder andere Personen in Mitleidenschaft zieht. Mit dem Ziel, solche Informationsasymmetrien aufzubrechen und allfällige negative Externalitäten zu unterbinden, hat der Staat in der Taxi- und der Hotelbranche eine Fülle von Regulierungen eingeführt wie etwa Höchsttarife, Lizenzpflichten oder Mengenbeschränkungen. Ob diese die Qualität der Dienstleistung und die Sicherheit der Konsumenten immer erhöhen und ob sie tatsächlich noch notwendig sind, ist fraglich. Einige davon dürften durch den technologischen Fortschritt längst überholt sein, andere dürften bloss noch die Anbieter vor Konkurrenz schützen und so Ausdruck von Staatsversagen sein.
In der Sharing-Economy werden viele dieser Probleme hingegen ohne staatliches Zutun gelöst: Zweiseitige Bewertungssysteme liefern Informationen über die Qualität des Produktes (beispielsweise die Ausstattung und die Sauberkeit einer Wohnung) und über die Zuverlässigkeit der Tauschpartner (zum Beispiel die Fahrkenntnisse und die Freundlichkeit eines Fahrers). Dadurch brechen Bewertungssysteme nicht nur Informationsasymmetrien auf, sondern schaffen auch starke Anreize für vorbildliches Verhalten, was die Wahrscheinlichkeit negativer Externalitäten reduziert. Zudem bieten beispielsweise Fahrdienstvermittler wie Uber Monitoringsysteme an, die den Konsumenten weitere Informationen zukommen lassen, wie etwa Fahrpreisschätzungen sowie bisher absolvierte Wegstrecken und dabei angewandte Tarife. Die ökonomischen Eigenheiten der Sharing-Economy unterscheiden sich somit von der «traditionellen» Wirtschaft. Die Forderungen, mittels Regulierungen gleich lange oder gleich kurze Spiesse zu schaffen, ignorieren diese Unterschiede und gehen deshalb in die falsche Richtung.
Keine vorschnelle Übernahme bestehender Normen
Wie sind aber nun die ökonomischen Eigenheiten der Sharing-Economy ins Recht umzusetzen, damit deren volkswirtschaftliche Chancen genutzt und gleichzeitig die Regulierungsziele des Gesetzgebers erreicht werden?
Aus rechtlicher Sicht besteht das Problem, dass die Sharing-Economy wichtige Unterscheidungsmerkmale staatlicher Regulierung – wie etwa Gewerbe oder Privat, stark oder schwach – unterläuft: Ist zum Beispiel eine unregelmässige Tätigkeit wie das gelegentliche Anbieten von Fahrten mit dem Privatauto als gewerbliche Tätigkeit zu behandeln, womit sie unter anderem der Chauffeurverordnung mit Vorgaben zu Arbeitszeiten und der Aufzeichnung mit Fahrtschreiber unterstünde?[3] Schützt das soziale Mietrecht den Mieter auch dann, wenn er Übernachtungen über eine digitale Plattform wie Airbnb gebucht hat?[4] Eine vorschnelle Übernahme solcher Normen, die ursprünglich für ganz andere Probleme erlassen wurden, könnte die Entstehung neuer Wohlfahrtsgewinne durch die Sharing-Economy behindern. Deshalb sollten im Sinne der Vertragsfreiheit die Parteien, d. h. Sharing-Plattformbetreiber sowie Anbieter und Nachfrager, die passenden Regeln der Sharing-Economy zunächst selbst definieren. Bei Streitfällen müssten dann Zivilgerichte anhand konkreter Fälle die Reichweite des bisherigen sozialen Rechts bestimmen. Zudem sollte der Gesetzgeber für eine minimale und einfach zu handhabende soziale Absicherung sorgen, welche auch die typischen Sozialversicherungsrisiken von Personen abdeckt, die in der Sharing-Economy tätig sind.
Die Plattformbetreiber sehen bislang die Regelung des Zugangs zu ihren Vermittlungsdienstleistungen sowie zu ihren Monitoring- und Bewertungssystemen als ihre eigene Angelegenheit an. Und sie behalten sich vor, die entsprechenden Regelungen jederzeit zu ändern. Allerdings können Ausschlüsse oder Nichtzulassungen von Dienstleistungsanbietern gerichtlich angefochten werden. Ähnlich wie im Finanzmarkt sollte sich die Selbstregulierung der Vermittlungsplattformen vor allem durch die Offenlegung geltender Regelungen und Standards sowie die Anhörung der Betroffenen legitimieren müssen.
Die bisherige öffentlich-rechtliche Regulierung ist auf sogenannte Offlinebranchen ausgerichtet. Sie sollte nicht unbesehen auf die Onlinebranchen der Sharing-Economy angewendet werden. Insbesondere Regelungen, die Angebote der Sharing-Economy benachteiligen oder gar vom Markt ausschliessen, könnten gemäss der bisherigen Praxis des Bundesgerichts unzulässig sein. Das gilt vor allem für Regelungen, die nicht mehr erforderlich sind, weil die Sharing-Economy den gesetzgeberischen Anliegen anderweitig Rechnung trägt, wie etwa durch die Anbieterbewertungs- und Monitoringsysteme auf den Vermittlungsplattformen.
Sechs Empfehlungen für den Schweizer Gesetzgeber
Die Forderungen nach einer vollständigen Übertragung herkömmlicher Regulierungen auf die Sharing-Economy oder gar das Verbot einzelner in der Sharing-Economy tätiger Unternehmen führen also in die falsche Richtung, wie die Analyse zeigt. Es braucht zwar einen rechtlichen Minimalstandard, aber bisherige, staatliche Regelungen können ihre Legitimation verlieren, wenn ihre Anliegen bereits durch Bewertungs- und Monitoringsysteme erledigt werden. Aus Sicht der Autoren drängen sich deshalb für den Gesetzgeber sechs Massnahmen auf, die zusammengenommen eine Art regulatorisches Rahmenwerk bilden, das Marktversagen korrigiert, die Wirtschaft entlastet und für die nötige Rechtssicherheit sorgt:
- Historisch gewachsene und nicht mehr zeitgemässe Regulierungen in der «traditionellen» Wirtschaft sollten abgeschafft werden. Beispiele dafür sind etwa die Ortskundeprüfung für Taxifahrer oder die quantitative Beschränkung der Taxiunternehmen.
- Bewertungs- und Monitoringsysteme sollten als Form der Selbstregulierung besser legitimiert werden. Sie sind imstande, herkömmliche Regulierungen zu ersetzen und deren Ziele effizienter zu erreichen.
- Gewisse staatliche Mindestvorschriften sollten auch für die Sharing-Economy gelten: etwa ein Backgroundcheck für Fahrer.
- Die rechtliche Unterscheidung von Gewerbe und Privat beim Ausführen einer Dienstleistung lässt sich kaum auf die Sharing-Economy anwenden. Deshalb sollten nachgewiesene Aspekte von Marktversagen, insbesondere die konkreten Gefährdungslagen, Ausgangspunkte für Mindestvorschriften sein. So sollte beispielsweise die Pflicht für elektronische und traditionelle Fahrtenvermittler, bei ihren Fahrern einen Backgroundcheck durchzuführen, nicht von der Gewerbsmässigkeit abhängen, sondern dem Gefährdungspotenzial entsprechen und generell gelten. Die Effektivität der Regelungen wäre periodisch zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
- Durch eine Zusammenarbeit zwischen den Behörden und den Plattformbetreibern liessen sich Abgaben wie z. B. Kurtaxen ohne grossen administrativen Aufwand erheben.
- Eine ähnliche Lösung ist auch bei der sozialen Absicherung der Erwerbstätigen anzustreben: Mithilfe eines digitalen Tools liesse sich die Abrechnung der Beitragssätze für die Sozialversicherungen problemlos bewerkstelligen – sowohl für Unternehmen als auch für Einzelpersonen oder Vermittlungsplattformen. Die Unterscheidung zwischen selbstständig und unselbstständig Erwerbstätigen stünde dann nicht mehr im Vordergrund.
Literaturverzeichnis
- Deloitte (2015): Sharing Economy: Teile und verdiene!
- Deloitte und ZHAW School of Law and Management (2016): Die Sharing Economy in der Schweiz: mehr, weniger oder neue Regulierungen?
- European Parliamentary Research Service (2016): The Cost of Non-Europe in the Sharing Economy.
Bibliographie
- Deloitte (2015): Sharing Economy: Teile und verdiene!
- Deloitte und ZHAW School of Law and Management (2016): Die Sharing Economy in der Schweiz: mehr, weniger oder neue Regulierungen?
- European Parliamentary Research Service (2016): The Cost of Non-Europe in the Sharing Economy.
Zitiervorschlag: Abegg, Andreas; Grampp, Michael; Zobrist, Luc (2017). Neue Technologien machen viele Regulierungen überflüssig. Die Volkswirtschaft, 23. Februar.