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Fintech-Unternehmen treiben den Wandel im Bankenwesen voran

Seit Jahren nimmt die Anzahl Bankinstitute auf dem Schweizer Finanzplatz ab. Innovationen im Finanzbereich bedrängen die traditionellen Geschäftsmodelle der Banken auch in Zukunft.
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Die Börsenbetreiberin SIX Group ist eines der grössten Fintech-Unternehmen der Schweiz. SIX-Chef Urs Rüegsegger (r.) und seine Geschäftsleitungskollegen an einer Medienkonferenz. (Bild: Keystone)

Die Anzahl der Banken in der Schweiz nimmt ab.[1] 1989 zählte man hierzulande noch 631 Bankinstitute. Seither hat sich diese Zahl mehr als halbiert und lag 2015 noch bei 266 (siehe Abbildung 1).[2]

Abb. 1: Rückgang der Anzahl Bankinstitute in der Schweiz (1987–2015)




SNB / Die Volkswirtschaft

Der absolut grösste Rückgang erfolgte bei den Regionalbanken und Sparkassen, deren Anzahl sich zwischen 1987 und 2015 um 152 Bankinstitute vermindert hat. Die einzige Bankengruppe, die eine – wenn auch geringe – Zunahme erfuhr, sind die Filialen ausländischer Banken, die im selben Zeitraum um 9 Institute wuchsen. Beide Entwicklungen dürften als Zeichen der Globalisierung und zunehmenden internationalen Vernetzung der Finanzmärkte gewertet werden.

Für einen Rückgang der Anzahl Bankinstitute kann es verschiedene Gründe geben. Er kann das Ergebnis von Zusammenschlüssen beziehungsweise Übernahmen oder Konkursen sein. Ebenso kann in seltenen Fällen eine (freiwillige) Rückgabe der Lizenz vorliegen. Umgekehrt kann eine Zunahme der Anzahl Bankinstitute durch Neugründungen und den Marktzutritt ausländischer Institute erfolgen. Die Statistik zeigt letztlich nur den zumeist abnehmenden Gesamtsaldo.

Schweizweit deutlich weniger Filialen


Betrachtet man die Entwicklung der Anzahl Geschäftsstellen (Sitze und Filialen) am Standort Schweiz, ergibt sich ein etwas differenzierteres Bild des Strukturwandels. Die Zahl der Geschäftsstellen in der Schweiz hat zwischen 1987 und 2015 von 5486 auf 3131 abgenommen (siehe Abbildung 2). Das entspricht einem Rückgang von 43 Prozent. Da sich im selben Zeitraum die Zahl der Bankinstitute um 57 Prozent reduzierte, verfügt ein Bankinstitut heute im Durchschnitt über mehr Geschäftsstellen.[3]

Die Daten zur Anzahl Geschäftsstellen auf kantonaler Ebene zeigen, dass in den letzten 30 Jahren in keinem einzigen Kanton eine Zunahme erfolgte. Appenzell Innerrhoden und Glarus bilden hierbei die relativen Extremwerte: In Appenzell Innerrhoden veränderte sich die Anzahl Geschäftsstellen zwischen 1987 und 2015 gar nicht, während in Glarus eine Reduktion um 60 Prozent erfolgte. Auch in den Kantonen Genf, Zürich und Tessin, die eine starke Verankerung im Finanzwesen haben, hat sich die Zahl der Geschäftsstellen reduziert. In Genf liegt der Rückgang mit 42 Prozent nahezu im Schweizer Durchschnitt, während die Abnahme in Zürich (–37%) und dem Tessin (–31%) unterdurchschnittlich war. Für diesen Konzentrationsprozess können mehrere Gründe verantwortlich sein, wie etwa Einsparungen beim Personal und bei den Gebäuden aufgrund von Zentralisierungstendenzen, aber auch steuerliche Aspekte.

Abb. 2: Rückgang der Anzahl Geschäftsstellen in der Schweiz nach ausgewählten Kantonen (1987–2015)




Der für sämtliche Abbildungen einheitlich gewählte Zeitraum erklärt sich mit den erst ab 1987 verfügbaren Daten zu den Geschäftsstellen in den einzelnen Kantonen.

SNB / Die Volkswirtschaft

Kaum Verschiebungen der Marktanteile


Im Grundsatz geht eine Reduktion der Anzahl Bankinstitute mit einer angebotsseitigen Verminderung der Wettbewerbskräfte einher. Anhand der sogenannten Konzentrationsrate lässt sich jedoch zeigen, dass eine solche Entwicklung nicht zwingend eintreten muss: Angenommen, von 100 Banken verfügt eine einzelne Bank über einen Marktanteil von 80 Prozent, und die restlichen 99 Banken teilen sich die verbleibenden 20 Prozent des Marktes gleichmässig zu je rund 0,2 Prozent. Dann ist dies wettbewerbspolitisch eine deutlich schlechtere Situation, als wenn sich 10 Banken den Markt gleichmässig zu je 10 Prozent teilen.

Im Zeitraum von 1987 bis 2015 haben sich die Marktanteile allerdings kaum verschoben. Das zeigt die Entwicklung des prozentualen Anteils der Bankengruppen an der Gesamtbilanzsumme (siehe Abbildung 3). So hat in den letzten 30 Jahren kein dauerhafter Konzentrationsprozess der Bilanzsumme auf eine einzelne Bankengruppe stattgefunden – ein Resultat, das wettbewerbspolitisch als positiv beurteilt werden darf.

Den relativ grössten Verlust ihres Anteils haben die Privatbanken mit einem Rückgang von 64 Prozent[4] erfahren, dicht gefolgt von den Regionalbanken und Sparkassen mit einem Anteilsrückgang von 56 Prozent. Am deutlichsten zugenommen haben – wenn auch auf tiefem Niveau – die Anteile der Börsenbanken (+455%) sowie der Raiffeisenbanken (+138%). Die Änderungen der restlichen Bankengruppen bewegen sich innerhalb von +/–10 Prozent.

Auffällig ist zudem der temporäre Anstieg des Marktanteils der Grossbanken: Mitte der Neunzigerjahre betrug dieser noch rund 50 Prozent. In den Jahren 1998/99 (kurz vor dem Platzen der New-Economy-Blase) sowie in den Jahren 2005 bis 2007 (kurz vor Ausbruch der globalen Finanzkrise und der damit verbundenen breiteren Wahrnehmung der Too-big-to-fail-Problematik) bewegte sich dieser Anteil bei rund 70 Prozent.[5]

Abb. 3: Anteil pro Bankengruppe an der Gesamtbilanzsumme (1987–2015)




Die Bankengruppe der Auslandbanken setzt sich aus den ausländisch beherrschten Banken und den Filialen ausländischer Banken zusammen.

SNB, Berechnungen Schmuki / Die Volkswirtschaft

Gründe für den Konzentrationsprozess


Aus volkswirtschaftlicher Warte stellt eine zunehmende respektive hohe Konzentration der Banken auf einem Markt eine Herausforderung dar, weil sie einer Wettbewerbsbeschränkung gleichkommt. Dass es auf einem Markt zu Konzentrationsprozessen kommt, kann von mehreren Gründen abhängen. Eine Ursache sind sicherlich Marktkräfte. Die Finanz- und die Realwirtschaft beeinflussen sich gegenseitig. Wo zuvor kleingewerbliche Regionalbetriebe nach einer Finanzierung durch lokale Bankhäuser suchten, da verlangen heute grössere und international ausgerichtete Industrie- und Dienstleistungskonzerne nach einer Finanzierung durch kapitalintensivere und leistungsstärkere Universalbanken. Zudem werden grössere Unternehmen vermehrt über den Kapitalmarkt und somit die Börse finanziert.[6] Grosse Banken profitieren durch Grössenvorteile von sogenannten Skalenerträgen sowie Verbundvorteilen vom Globalisierungsprozess und gestalten diesen auch mit. Allerdings stellen sie auch ein Systemrisiko dar.

Die Existenz von (zu) wenigen grossen Banken kann auch das Ergebnis einer fehlerhaften Finanzarchitektur, einer mangelhaften Regulierung oder einer unzureichenden Wettbewerbspolitik sein. Ebenso kann der Staat durch die bewusste Ausgestaltung seiner Industriepolitik die Förderung nationaler Champions beabsichtigen und dadurch die Marktkonzentration möglicherweise weiter verstärken. Gleichwohl kann eine Marktkonzentration im Interesse der Regulierungsbehörden sein, da weniger Banken besser und effizienter zu überwachen sind.

Ein weiterer Grund kann auch eine mangelnde interne Corporate Governance sein. Das «Bankensterben» in der Schweiz zeigte sich bereits in einer Kette von Zusammenbrüchen, die sich zwischen 1910 und 1914 vor allem in den Kantonen Thurgau und Tessin abspielten. Der Ökonom und spätere Zürcher FDP-Bundesrat Ernst Wetter (1877–1963) ortete in unsoliden Geschäftspraktiken die Ursachen für die abnehmende Anzahl Banken. In seiner 1918 veröffentlichten Habilitationsschrift «Bankkrisen und Bankkatastrophen der letzten Jahre in der Schweiz» wies er darauf hin, dass kleinere Bankinstitute mit der zunehmenden Industriefinanzierung finanziell und organisatorisch überfordert seien.

Schliesslich kann auch der technische Fortschritt weit über die Grenzen eines einzelnen Wirtschaftsbereiches langfristig und tiefgreifend die Wirtschaftsstruktur und die Gesellschaft beeinflussen. Insbesondere Schlüsseltechnologien können in revolutionärer Art und Weise einen Innovationsschub auslösen. Mit Blick auf den Finanzsektor sind vor allem die Informations- und Kommunikationstechnologien zu nennen, deren Anwendungen teilweise unter dem Begriff Fintech zusammengefasst werden. Der Einsatz dieser Technologien könnte den Konzentrationsprozess weiter verstärken, da sie angebotsseitig neue Möglichkeiten für Fusionen und Übernahmen schaffen und nachfrageseitig Kundenbedürfnisse dezentraler befriedigen können. Dies führt zu veränderten Geschäftsmodellen, wobei solche gerade auch kleineren Instituten eine Chance bieten, die gegenüber grösseren Banken wendiger auf dem Markt agieren können. So betreibt die Glarner Kantonalbank seit 2012 die Online-Hypothekenplattform Hypomat.ch, und seit April 2016 ist die Freiburger Kantonalbank erste Lizenznehmerin. 2014 hat auch die Basellandschaftliche Kantonalbank zwei Crowdfunding-Modelle in ihr Produkteangebot aufgenommen.[7]

Fintech-Unternehmen fordern Banken heraus


Innovationen sind ein wesentlicher Treiber des wirtschaftlichen Strukturwandels, wie der österreichischstämmige Nationalökonom Joseph Alois Schumpeter (1883–1950) gezeigt hat. In diesem Zusammenhang hat er den Begriff der kreativen respektive schöpferischen Zerstörung geprägt. Die Kernaussage lautet, dass jede ökonomische Entwicklung eine Neukombination von Produktionsfaktoren bedingt, wodurch alte Strukturen verdrängt und schliesslich eliminiert werden. Die Zerstörung ist also notwendig − und nicht etwa ein Systemfehler −, damit eine Neuordnung der Gesamtwirtschaft stattfinden kann und mögliche Ineffizienzen bereinigt werden können.

Auslöser für die schöpferische Zerstörung sind Innovationen, die von den Unternehmern mit dem Ziel vorangetrieben werden, sich auf dem Markt durchzusetzen und Einkommen zu erwirtschaften. Mit Blick auf die heutigen Herausforderungen für die Banken am Standort Schweiz könnten innovative Dienst- und Infrastrukturleistungen im Rahmen von Fintech ein solches Potenzial bieten. Dadurch würden die Geschäftsmodelle traditioneller Finanzdienstleister weiter unter Druck kommen, ihre Wertschöpfungskette aufgegliedert und neu geordnet. Für Fintech-Unternehmen wäre dies eine Möglichkeit, das bisherige Angebot herkömmlicher Banken zu ergänzen oder gar zu ersetzen, beispielsweise mittels Blockchain-Technologie.

Vor diesem Hintergrund hat der Bundesrat Anfang Februar 2017 die Vernehmlassung zur Änderung des Bankengesetzes und der Bankenverordnung im Bereich Fintech[8] eröffnet. Damit sollen Markteintrittshürden für Fintech-Unternehmen verringert und die Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Finanzplatzes gestärkt werden. Die Vernehmlassung dauert bis zum 8. Mai 2017.

  1. Ein besonderer Dank geht an Patrick Winistörfer (SIF/EFD) für seine inhaltlichen Kommentare. []
  2. Der starke Rückgang um 81 Bankinstitute zwischen 1994 und 1995 hat statistische Gründe, da die SNB per 1. Januar 1995 keine Finanzgesellschaften mehr in ihrer Statistik ausweist. Ende 1994 wurden deren 71 gezählt. []
  3. 1987 verfügte die Schweiz mit knapp 1200 Einwohnern pro Geschäftsstelle über ein deutlich dichteres Geschäftsstellennetz als 2015 mit rund 2600 Einwohnern. []
  4. Der Rückgang des Anteils an der Gesamtbilanzsumme von 0,6 Prozent auf 0,2 Prozent entspricht einem Rückgang von 64 Prozent respektive 0,4 Prozentpunkten. []
  5. In ausgewählten Jahren belief sich die Gesamtbilanzsumme auf 902 Mrd. Franken (1987), 2244 Mrd. Franken (1999; Höhepunkt New Economy), 3458 Mrd. Franken (2007; Ausbruch globale Finanzkrise) und 3026 Mrd. Franken (2015). []
  6. Der nächstgelegene Finanzierungskanal über einen Kredit bietet den Banken insbesondere bei KMU Effizienzvorteile. So z. B. bei der Prüfung von finanzierungswürdigen Unternehmen, aber auch bei deren späterer Überwachung. []
  7. Siehe Miteinander-erfolgreich.ch []
  8. Mehr Informationen auf Sif.admin.ch[]

Literaturverzeichnis

  • BAK Basel Economics AG (2016). Finanzplatz Zürich 2016/2017 – Monitoring, Prognosen, Digitalisierung und Industrialisierung am Finanzplatz Zürich, eine Studie des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und der Stadtentwicklung Zürich, Basel.
  • Eidgenössisches Finanzdepartement (2016). Finanzmarktpolitik für einen wettbewerbsfähigen Finanzplatz Schweiz – Bericht des Bundesrates, Bern.
  • Schumpeter, Joseph Alois (1912). Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin.
  • Wetter, Ernst (1918). Bankkrisen und Bankkatastrophen der letzten Jahre in der Schweiz, Zürich.

Bibliographie

  • BAK Basel Economics AG (2016). Finanzplatz Zürich 2016/2017 – Monitoring, Prognosen, Digitalisierung und Industrialisierung am Finanzplatz Zürich, eine Studie des Amtes für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich und der Stadtentwicklung Zürich, Basel.
  • Eidgenössisches Finanzdepartement (2016). Finanzmarktpolitik für einen wettbewerbsfähigen Finanzplatz Schweiz – Bericht des Bundesrates, Bern.
  • Schumpeter, Joseph Alois (1912). Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung, Berlin.
  • Wetter, Ernst (1918). Bankkrisen und Bankkatastrophen der letzten Jahre in der Schweiz, Zürich.

Zitiervorschlag: Schmuki, Daniel (2017). Fintech-Unternehmen treiben den Wandel im Bankenwesen voran. Die Volkswirtschaft, 23. März.