Der Bund setzt sich bei Unternehmen für Corporate Social Responsibility ein: Bundesrat Johann Schneider-Ammann (l.) mit damaligem Nestlé-Chef Paul Bulcke (m.) und Fabrikdirektor Olivier Michaud in Konolfingen BE. (Bild: Keystone)
Gesellschaft und Politik erwarten von Unternehmen, dass sie bei ihrer Geschäftstätigkeit im In- und Ausland verantwortungsvoll handeln. Zur gesellschaftlichen Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) gehören unter anderem fortschrittliche Arbeitsbedingungen, die Einhaltung von Umweltstandards, die Achtung der Menschenrechte, der Verzicht auf Korruption und Täuschung der Konsumenten. Heutzutage reagiert die Öffentlichkeit – nicht zuletzt über Social Media – schneller und vehementer auf vermutete oder tatsächliche Verstösse gegen die Grundsätze der CSR. Beim langfristigen Streben nach Gewinn spielen Nachhaltigkeitsaspekte somit eine wichtige Rolle.
Da die gesellschaftliche Verantwortung über die Einhaltung der Gesetze hinausgeht, gilt es neben der Legalität auch international anerkannte Standards zu beachten. Der stete gesellschaftliche und technologische Wandel stellt Unternehmen vor Herausforderungen: Inwieweit akzeptieren die Kunden beispielsweise das Sammeln und Nutzen von persönlichen Daten? Um Antworten auf solche Fragen zu finden, müssen sich Unternehmen nicht nur mit dem gesetzlichen Datenschutz, sondern auch mit sich ändernden Werthaltungen und Kundenbedürfnissen auseinandersetzen.
Positionspapier des Bundesrates
Der Bund engagiert sich seit langem für Corporate Social Responsibility. Bereits in den Neunzigerjahren hat er beispielsweise Fairtrade-Initiativen unterstützt und im Jahr 2000 richtete er den Nationalen Kontaktpunkt für die Leitsätze der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für multinationale Unternehmen ein.[1]
In den vergangenen zwei Jahren hat der Bundesrat das bestehende Engagement in zwei Grundlagenberichten systematisch aufgearbeitet und strategisch auf die Zukunft ausgerichtet. So hat er im Jahr 2015 ein Positionspapier zur Verantwortung der Unternehmen für Gesellschaft und Umwelt verabschiedet, das einen Aktionsplan beinhaltet. Dieses sogenannte CSR-Positionspapier legt die Ziele, die Erwartungen und das Verständnis des Bundes in Bezug auf die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen gegenüber Gesellschaft und Umwelt dar. Die CSR bezieht sich auf die gesamte Tätigkeit eines Unternehmens im In- und Ausland. Sie berücksichtigt die Interessen der Anspruchsgruppen und umfasst Arbeitsbedingungen, Menschenrechte, Umweltschutz, Korruptionsprävention, fairen Wettbewerb, Verbraucherinteressen, Steuern und Transparenz.
Vier Stossrichtungen
Zur Förderung der CSR verfolgt der Bund vier strategische Stossrichtungen. Erstens setzt er sich für die Gestaltung von Rahmenbedingungen ein, zweitens sensibilisiert und unterstützt er Schweizer Unternehmen bei der Umsetzung der CSR. Drittens stärkt er die CSR in Entwicklungs- und Transitionsländern, und viertens fördert er die Transparenz von CSR-Aktivitäten.
Konkret unterstützt der Bund internationale Organisationen wie die UNO und die OECD aktiv – zum Beispiel bei der Erarbeitung von branchenspezifischen OECD-Instrumenten zur verantwortungsvollen Unternehmensführung für den Finanz-, den Textil-, den Rohstoff- und den Landwirtschaftssektor. Weiter referieren Bundesvertreter regelmässig an öffentlichen Anlässen zu CSR-Themen und nehmen an Dialogforen wie dem «Swiss Global Compact Dialogue on Responsible Business» teil. Dieses im Februar 2017 mit Unterstützung des Bundes erstmals durchgeführte Forum wurde vom Schweizer Netzwerk «Global Compact» organisiert und zählte rund 200 Teilnehmende. Im März hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zudem das Webportal Csr.admin.ch eingerichtet. Es bietet Anwendungshilfen für Unternehmen sowie Informationen zum Engagement des Bundes, zu internationalen Entwicklungen und zu branchenspezifischen Instrumenten.
Im Sinne einer Vorbildrolle beachtet der Bund bei seinen eigenen Aktivitäten als Arbeitgeber, Beschaffer, Anleger und Unternehmenseigentümer die CSR-Kriterien. So handelt der Bund beispielsweise als fortschrittlicher Arbeitgeber mit marktgerechten Anstellungsbedingungen, guten Instrumenten zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und Chancengleichheit sowie fortschrittlichen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.[2] Im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklungszusammenarbeit fliessen CSR-Kriterien in die Förderung von nachhaltigen Wertschöpfungsketten – zum Beispiel im Kakao-, Gold- und Textilsektor – ein. Bezüglich Transparenz fördert der Bund unter anderem die unternehmerische Nachhaltigkeitsberichterstattung, was zur Glaubwürdigkeit der CSR-Massnahmen, zur Verbreitung guter Praktiken und zum Dialog von Unternehmen mit deren Anspruchsgruppen beiträgt.
Nationaler Aktionsplan zu Wirtschaft und Menschenrechten
Den zweiten Bericht verabschiedete der Bundesrat im Dezember 2016. Er enthält einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzungsstrategie der UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Die vom Menschenrechtsrat im Juni 2011 beschlossenen UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte beruhen auf drei Pfeilern:
- die Pflicht der Staaten, die Menschenrechte zu schützen;
- die Verantwortung der Unternehmen;
- angemessene und wirksame Beschwerdeverfahren bei Fällen von Menschenrechtsverletzungen durch wirtschaftliche Akteure.
Die Schweiz gehört zu den ersten Ländern, die über eine Strategie zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien und zur Förderung der Kohärenz von wirtschaftlichen Aktivitäten und Menschenrechten verfügen. Die Strategie konzentriert sich auf den ersten Pfeiler: die Verantwortung des Staates. Der Nationale Aktionsplan enthält fünfzig Instrumente zur Förderung der Einhaltung der Menschenrechte durch den Bund und durch Schweizer Unternehmen, die im In- und Ausland tätig sind, sowie zur Wiedergutmachung von Menschenrechtsverletzungen. Dazu gehören beispielsweise das Einbringen der Thematik Unternehmen und Menschenrechte im Rahmen politischer Konsultationen mit anderen Staaten oder die Information und Sensibilisierung von Unternehmen durch Schweizer Auslandvertretungen.
Gewappnet für zukünftige Herausforderungen
Die meisten Schweizer Unternehmen nehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung bereits heute wahr. Insbesondere grössere Unternehmen orientieren sich dabei an internationalen CSR-Richtlinien wie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen oder den UNO-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Aber auch KMU, die ihr Handeln oft nicht explizit als CSR benennen, verhalten sich verantwortungsvoll, indem sie unter anderem Arbeitsplätze schaffen, Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf anbieten, Aus- und Weiterbildung fördern und die Umwelt schonen.
Zukünftige Herausforderungen stehen etwa im Zusammenhang mit gesellschaftlichen oder demografischen Entwicklungen im Arbeitsleben. Konkret geht es dabei um die Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf oder um den Umgang mit älteren Mitarbeitenden. Weiter verändern sich im Zuge der Digitalisierung sowohl die Geschäftsmodelle als auch die Kundenbedürfnisse: Der Onlinehandel bietet neue, direkte internationale Beschaffungs- und Absatzkanäle mit grossen Chancen für Produzenten, Händler und Kunden. Dabei gilt es aber zu klären, inwieweit CSR-Standards auch bei diesen Geschäftsmodellen gebührend berücksichtigt und überprüft werden können. Schliesslich werden die Wertschöpfungsketten immer komplexer – was insbesondere für KMU bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien im Beschaffungsprozess eine grosse Herausforderung darstellt.
Die Schweizer Wirtschaft hat gute Voraussetzungen, um diese Herausforderungen zu meistern und neue Chancen zu nutzen. Eine wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der CSR auf Unternehmensebene ist die Vorbildrolle des Managements, dessen Dialogbereitschaft und die Integration der CSR in die Unternehmenskultur. Eine verantwortungsvolle Unternehmensführung kommt letztlich allen zugute: den Firmen, den Betroffenen und der Umwelt.
Zitiervorschlag: Ineichen-Fleisch, Marie-Gabrielle (2017). Corporate Social Responsibility – die Rolle des Bundes. Die Volkswirtschaft, 22. Juni.