Die OECD will ihre Standards auf Asien ausweiten. Inspektor in vietnamesischer Textilfabrik. (Bild: Keystone)
Im Interesse der Gesellschaft als Ganzes, menschenwürdiger Arbeit, der Menschenrechte und einer sauberen Umwelt braucht es globale Standards zur verantwortungsvollen Unternehmensführung. Dies ist auch im Interesse der Unternehmen – schliesslich sind diese weltweit in denselben Märkten tätig und auf gleiche Spielregeln angewiesen.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) setzt sich über Kontakte zu Regierungen und Unternehmen weltweit stark für die Vereinheitlichung der Wettbewerbsbedingungen ein. Die OECD-Mitgliedsländer übernehmen aufgrund ihrer bilateralen Kooperationen und Finanzierungsbemühungen in dieser Hinsicht eine führende Rolle.
Ein wichtiges Instrument sind die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen – ein multilaterales Abkommen, das spezifische Empfehlungen und Richtlinien zur verantwortungsvollen Unternehmensführung gibt (siehe Kasten). Die 47 Unterzeichnerstaaten decken die grosse Mehrheit der globalen Wertschöpfungsketten ab und umfassen nicht nur die 35 OECD-Mitglieder, sondern auch Staaten wie Argentinien, Brasilien, Costa Rica, Kolumbien, Marokko und die Ukraine.
Im Jahr 2016 feierten die Leitsätze ihr 40-jähriges Bestehen. Sie sind weltweit das wichtigste Instrument für verantwortungsvolle Unternehmensführung und ein Massstab für die Einhaltung sozialer und ökologischer Standards im internationalen Handels- und Investitionsumfeld. Überdies sind sie ein wichtiges Hilfsmittel zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der UNO (SDGs). Im gesamten SDG-Bereich dienen die OECD-Leitsätze der Steuerung unternehmerischen Handelns, nicht nur im Hinblick auf eine Maximierung der positiven Auswirkungen für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, sondern auch zur Vermeidung nachteiliger Folgen von Tätigkeiten des Privatsektors.
Die Unterzeichnerstaaten der OECD-Leitsätze haben sich zu einer Arbeitsgruppe zusammengeschlossen. Um Probleme zu lösen, haben sie sogenannte Nationale Kontaktpunkte eingerichtet, welche als Vermittlungs- und Schlichtungsstellen fungieren.[1] Die Kontaktpunkte behandeln Beschwerden aus der Zivilgesellschaft, namentlich von Gewerkschaften und anderen interessierten Parteien, wenn Unternehmen gegen die Leitsätze verstossen. Sie bieten dabei Vermittlungsdienste an. Ist dies nicht möglich, unterbreiten sie dem Unternehmen Empfehlungen, wie es seine Praktiken mit den OECD-Leitsätzen in Einklang bringen kann. In rund der Hälfte der behandelten Fälle wird durch die Vermittlung unter den Parteien eine Übereinkunft erzielt. Das Kontaktpunktesystem ist weltweit aktiv, denn die Fälle betreffen oft auch Nichtmitgliedstaaten der OECD wie beispielsweise Bangladesch, Kambodscha oder Kamerun.
Ebenso wichtig wie die Problemlösung ist die Vorbeugung. Um den Unternehmen dabei zu helfen, die Verantwortung für ihre Wertschöpfungsketten wahrzunehmen und anspruchsvolle Herausforderungen einzelner Sektoren und Kontexte anzugehen, wurden sektorspezifische Leitlinien für verantwortungsvolle Wertschöpfungsketten in der Mineralienindustrie, der Landwirtschaft, der Rohstoffindustrie sowie in der Bekleidungs- und Schuhindustrie formuliert.
Fokus auf Branchen
Allerdings wird der Nutzen dieser Standards infrage gestellt, weil insbesondere einige asiatische und afrikanische Firmen diese nicht respektieren. Deshalb setzt sich die OECD für eine Ausweitung der Leitlinien ein.
Auf Branchenebene gibt es bereits konkrete Erfolge vorzuweisen. So verabschiedete China 2015 im Rohstoffbereich die Chinese Due Diligence Guidelines for Responsible Supply Chains of Minerals, die mit Unterstützung der OECD und auf Basis der OECD-Leitsätze für den Bereich Mineralien entwickelt wurden. Einige Nichtunterzeichnerstaaten, die Rohstoffe abbauen – insbesondere Burundi, die Demokratische Republik Kongo und Ruanda – haben die Leitsätze in ihre Gesetzgebung aufgenommen.
Auch die Responsible Cobalt Initiative, die auf bessere Arbeitsbedingungen in Kobaltminen abzielt, stützt sich auf die OECD-Leitsätze. Die chinesische Handelskammer für den Import und Export von Metallen, Mineralien und Chemikalien hat diese im November 2016 gemeinsam mit der OECD ausgearbeitet.
Ähnliche Fortschritte wurden bei der Förderung von verantwortungsvollen Wertschöpfungsketten in der Bekleidungs- und Schuhindustrie erzielt. Auch hier bilden die kürzlich veröffentlichten OECD-Leitlinien die Basis. Im vergangenen Dezember organisierten die OECD, die EU und das kambodschanische Ministerium für Arbeit und Berufsbildung gemeinsam einen politischen Dialog über Sorgfaltspflichten in dieser Branche und ebneten damit den Weg für die mögliche Lancierung eines Pilotprojekts zur Einführung der Leitsätze in Kambodscha.
Schliesslich war der chinesische Textil- und Bekleidungsrat (CNTAC) als aktives Mitglied in der Beratungsgruppe zur Entwicklung der OECD-Leitsätze ebenfalls vertreten. Die Leitsätze werden derzeit ins Chinesische übersetzt und die OECD arbeitet mit dem CNTAC an der Entwicklung spezifischer Leitlinien für den chinesischen Kontext.
Ausweitung auf Regierungen
Ein wichtiger Schritt hin zu einheitlichen Standards ist die Ausweitung der formellen Anwendung der Leitsätze auf Nicht-OECD-Länder – insbesondere in Lateinamerika. Auch mit weiteren wichtigen globalen Wirtschaftsakteuren arbeitet die OECD intensiv zusammen. So geht das Arbeitsprogramm OECD-China 2017–2018 beispielsweise ausführlich auf die Kooperation im Bereich der verantwortungsvollen Unternehmensführung ein. Zudem enthalten die neusten OECD-Berichte über die Investitionspolitik in Georgien, in Vietnam, in Laos, in Kambodscha und auf den Philippinen jeweils ein Kapitel zur verantwortungsvollen Unternehmensführung.
In diesen Kapiteln werden nationale Initiativen und politische Strategien untersucht und Empfehlungen zur Schaffung eines günstigen Umfelds für die unternehmerische Verantwortung gegeben. Um das Bewusstsein zu schärfen und Regierungen, Unternehmen und andere Akteure mit den Leitsätzen vertraut zu machen, wurden in diesen Ländern Workshops durchgeführt.
Ein gemeinsames Programm von EU, OECD und der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zu verantwortungsvollen Wertschöpfungsketten legt den Fokus in den nächsten drei Jahren weiter auf Asien. In enger Zusammenarbeit mit den Behörden der Zielländer und der ILO wird die OECD mit China, Thailand, Vietnam, den Philippinen und Myanmar – allesamt Nicht-OECD-Mitglieder – an der Förderung verantwortungsvoller Unternehmensführung arbeiten.
Wie sich zeigt, hat insbesondere die sektorielle Ausweitung auf die Wertschöpfungsketten der Mineralien- und Bekleidungsindustrie zu konkreten Ergebnissen geführt. Auf diesen Erfolgen muss daher weiter aufgebaut werden.
Zitiervorschlag: Nieuwenkamp, Roel (2017). Schrittweise Ausweitung der OECD-Standards. Die Volkswirtschaft, 22. Juni.
Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen behandeln die verantwortungsvolle Unternehmensführung und sind in thematische Kapitel unterteilt. Diese betreffen die Transparenz gegenüber Öffentlichkeit, Menschenrechte, Arbeitsrechte, Umweltstandards, Korruptionsbekämpfung, Konsumentenschutz, Forschung, Wettbewerbspolitik und Steuern. Die im Jahr 2011 letztmals aktualisierten Leitsätze sind Empfehlungen und somit nicht rechtsverbindlich. Eine Zusammenfassung ist abrufbar unter Seco.admin.ch. Der über 90 Seiten umfassende Gesamttext ist in mehreren Sprachen unter Oecd.org/corporate/mne aufgeschaltet.