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Nationaler Kontaktpunkt fördert die verantwortungsvolle Unternehmensführung

Setzen multinationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz die OECD-Leitsätze für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung um? Dieser Fragestellung widmet sich der im Seco angesiedelte Nationale Kontaktpunkt. Im Fokus stand jüngst beispielsweise die Fifa.
Im Fokus des Nationalen Kontaktpunkts: Stadion-Baustelle in Katar, Austragungsort der Fussball-WM 2022. (Bild: Alamy)

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat 1976 einen Verhaltenskodex für multinationale Unternehmen erarbeitet.[1] Die letztmals im Jahr 2011 aktualisierten Leitsätze sind die weltweit umfassendsten multilateralen Verhaltensnormen für eine verantwortungsvolle Unternehmensführung (Corporate Social Responsibility, CSR). Sie stellen Empfehlungen der Regierungen der 35 OECD-Mitglieder sowie 12 weiterer Staaten an die Unternehmen dar und finden überall dort Anwendung, wo diese ihre Geschäftstätigkeit ausüben (siehe Abbildung).

Geografische Bedeutung der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen (2016)




Anmerkung: Bis Ende 2016 behandelten die Nationalen Kontaktpunkte insgesamt über 400 Eingaben, welche Unternehmensaktivitäten in über 100 Ländern betrafen.

Die OECD-Leitsätze beziehen sich beispielsweise auf das Unternehmensverhalten in Bereichen wie Arbeitsbeziehungen, Umwelt, Menschenrechte oder Korruptionsbekämpfung. Die Unterzeichnerstaaten der Leitsätze sind verpflichtet, einen Nationalen Kontaktpunkt (NKP) einzurichten. In der Schweiz ist das Sekretariat des NKP im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) angesiedelt.[2]

Die Aufgabe des NKP ist es, die Leitsätze bei den Unternehmen bekannt zu machen und deren Anwendung zu fördern. Interessengruppen oder Einzelpersonen können beim NKP vermutete Verstösse gegen die Leitsätze melden, worauf dieser ein Schlichtungsverfahren anbieten kann. Eingaben sind grundsätzlich beim NKP jenes Landes einzureichen, in dem der mutmassliche Verstoss stattgefunden hat. Ist dieses Land kein Unterzeichnerstaat der Leitsätze, kann die Eingabe im Land des Hauptsitzes des multinationalen Unternehmens eingereicht werden.

Ziel des Schweizer NKP bei der Behandlung von Eingaben ist, dass sich die Parteien in einem Mediationsverfahren auf eine zukunftsorientierte und mit den Leitsätzen vereinbare Lösung einigen. Der NKP agiert dabei – oft unter Beizug eines externen Mediators – als Vermittler. Er ist also keine quasi-richterliche Instanz, die darüber urteilt, ob die Leitsätze verletzt worden sind. Mit Blick auf die für eine erfolgreiche Mediation wichtige Vertrauensbildung zwischen den Parteien findet das Vermittlungsverfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.  Der NKP veröffentlicht jedoch einen begründeten Entscheid, ob er auf eine Eingabe eintritt, und nach einer erfolgten Mediation veröffentlicht er einen Abschlussbericht.

Für die Behandlung jeder Eingabe setzt der NKP eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der von der Thematik des jeweiligen Falls betroffenen und über entsprechendes Fachwissen verfügenden Bundesstellen ein. Bei seiner strategischen Ausrichtung und Anwendung der Leitsätze wird der NKP von einem Beirat beraten. Dieser besteht aus der Seco-Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch und drei weiteren Mitgliedern der Bundesverwaltung sowie je zwei Vertreter von Arbeitgeberverbänden, Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und der Wissenschaft.

Mediation mit Fifa zeigt Wirkung


Seit seiner Errichtung im Jahr 2000 hat der Schweizer NKP 18 Eingaben erhalten, wobei die Zahl und Komplexität der Eingaben in den letzten fünf Jahren zugenommen hat. So hatte der Schweizer NKP beispielsweise als einer der ersten über die Anwendbarkeit der Leitsätze auf Sportorganisationen sowie auf NGOs zu befinden. Bei Eingaben zum Weltfussballverband Fifa und der Umweltorganisation WWF International, die beide in der Schweiz ihren Sitz haben, erachtete er die Voraussetzungen zur Anwendung der Leitsätze aufgrund der konkreten Umstände als erfüllt und bot den Parteien daher eine Mediation an.

Die 2015 eingereichte Eingabe der Gewerkschaft Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI) gegen die Fifa machte Verstösse gegen die Menschenrechte von Wanderarbeitern beim Bau der Infrastruktur für die Fussballweltmeisterschaft 2022 in Katar geltend. Der Mediationsprozess zwischen den Parteien trug unter anderem dazu bei, dass die Fifa eine menschenrechtliche Sorgfaltsprüfung anhand der OECD-Leitsätze und weiterer international anerkannter Standards vornimmt. Weiter werden Arbeitsinspektionen auf Baustellen durchgeführt sowie auf die Verbesserung von Beschwerdemechanismen für Arbeiter in Katar hingewirkt.[3]

Bemerkenswert ist, dass in Katar, dessen Rechtsordnung keine gewerkschaftlichen Aktivitäten vorsieht, Mitglieder von internationalen Gewerkschaften künftig an gewissen Arbeitsinspektionen teilnehmen können. Die Parteien werden sich neun Monate nach Abschluss der Mediation erneut treffen, um die Umsetzung der Vereinbarung zu besprechen. Zur längerfristigen Wirkung des Mediationsverfahrens trägt zudem die Teilnahme der Gewerkschaft BHI im neu geschaffenen Beirat der Fifa zu den Menschenrechten bei.

Gutes Zeugnis für den Schweizer NKP


Anhand von sogenannten Peer Reviews überprüft die OECD die Funktionsweise der Nationalen Kontaktpunkte. Diese werden auf freiwilliger Basis durchgeführt und haben das Ziel, die NKP zu stärken. Als einer der ersten hat sich der Schweizer NKP einer solchen Prüfung unterzogen. Zu diesem Zweck haben Mitarbeitende der NKP aus Deutschland, Chile und Grossbritannien sowie des OECD-Sekretariats im November 2016 die Schweiz besucht und Vertreter aus Bundesverwaltung, Wirtschaft, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Wissenschaft befragt.

Im jüngst veröffentlichten Prüfungsbericht[4] anerkennt die OECD die professionelle Arbeitsweise des Schweizer NKP und betont dessen Akzeptanz und Bekanntheit bei den Unternehmen. Positiv gewürdigt werden auch die seit 2013 erfolgten Anpassungen der Struktur des NKP, insbesondere die Schaffung des Beirats bestehend aus Vertretern der betroffenen Interessengruppen. Die Empfehlungen der OECD beinhalten, dass der NKP bei der Förderung der Leitsätze noch enger mit NGOs zusammenarbeiten soll. Weiter sollen die Rolle des Beirats bei der Behandlung von Eingaben geklärt und in die Schlussberichte zu den Vermittlungsverfahren vermehrt substanzielle Informationen über die Ergebnisse der Verfahren beziehungsweise Empfehlungen zur Umsetzung der Leitsätze aufgenommen werden.

Der NKP beabsichtigt, vermehrt an Anlässen unter anderen von NGOs teilzunehmen, um die Arbeitsweise des NKP und die Ergebnisse der Mediationsverfahren konkret aufzuzeigen. Er wird auch die weiteren Empfehlungen in Absprache mit dem Beirat umsetzen und der OECD bis im Frühjahr 2018 darüber berichten.

  1. Abrufbar unter Mneguidelines.oecd.org []
  2. In der Schweiz sind Organisation und Zuständigkeit des NKP seit 2013 in einer Verordnung des Bundesrates geregelt, siehe Seco.admin.ch/nkp; siehe auch Beitrag von Seco-Direktorin Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch). []
  3. Abschlussbericht abrufbar unter Seco.admin.ch/nkp []
  4. Bericht abrufbar unter Mneguidelines.oecd.org []

Zitiervorschlag: Lukas Siegenthaler, Alexander Kunze, Nadja Meier, (2017). Nationaler Kontaktpunkt fördert die verantwortungsvolle Unternehmensführung. Die Volkswirtschaft, 22. Juni.