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Kampf um mobiles Zahlen in der Schweiz

In der Schweiz ist das Bezahlen mit dem Handy noch ein Randphänomen. Dennoch ist der Markt bereits stark umkämpft. Gut positioniert sind beispielsweise die Produkte Twint und Apple Pay.
Gewichtiger Marktteilnehmer: Apple-Chef Tim Cook präsentiert den Bezahldienst Apple Pay. (Bild: Keystone)

Die Digitalisierung und die verbreitete Nutzung von Smartphones haben einschneidenden Einfluss auf unseren Alltag – sei es beispielsweise beim Sondieren der optimalen Zugverbindung, beim Suchen einer Adresse oder beim Begleichen einer Rechnung über eine E-Banking-App. Auch im Bereich des Zahlungsverkehrs hat das Smartphone mit Bezahl-Apps wie Twint oder Apple Pay das langfristige Potenzial, einen strukturellen Wandel im Bezahlverhalten auszulösen.

In den letzten 25 Jahren hat sich das Zahlungsverhalten der Schweizer Bevölkerung kontinuierlich geändert: Während heute noch rund die Hälfte des Transaktionsvolumens beim täglichen Konsum mit Bargeld beglichen wird, lag dieser Anteil 1990 bei 90 Prozent.[1] Stetig Marktanteile gewonnen haben vor allem Kredit- und Debitkarten. Der Trend, zunehmend auch kleinere Beträge mit Karte – etwa über die sogenannte Kontaktlos-Funktion – zu begleichen, wird dabei auch für die zukünftigen Entwicklungen des mobilen Bezahlens per Smartphone bedeutend sein.

Kernfunktionen von «Mobile Payment» sind insbesondere das Zahlen mit dem Smartphone an der Ladenkasse, im Webshop und Geldüberweisungen an andere Personen (sogenannte P2P-Geldtransfers). Daneben können Zusatzfunktionen wie das Verknüpfen mit Loyalitätsprogrammen und das Abspeichern von Coupons und Rabatten oder das vereinfachte Tätigen von Spenden in das mobile Zahlungssystem integriert werden, um den Kunden das Kernangebot schmackhaft zu machen.

Erste Opfer


Obwohl der Markt in der Schweiz noch jung und wachsend ist, gab es bereits einige Exits zu verzeichnen. Dazu zählen beispielsweise die Swisscom-App Tapit, die SBB-App Wally und die Applikation Klimpr, welche von einem Zürcher Fintech-Start-up entwickelt wurde. Trotz dieser Rückzüge buhlen immer noch zahlreiche Anbieter um die Gunst der Kunden und Händler. Aktuell sind neben den Lösungen von Schweizer Banken und Start-ups auch grosse ausländische Technologiekonzerne im Markt aktiv. Durch die Fusion von Paymit und Twint zu Twint sind die Marktchancen der Bezahllösung dank der Rückendeckung der grossen Schweizer Banken, der Börsenanbieterin SIX und der Postfinance sicherlich intakt. Demgegenüber haben zum Beispiel die Migros-Bank-App Mobile Pay P2P oder die Start-up-Lösungen Muume und Mobino einen schwierigeren Stand.

Hauptkonkurrenten von Twint sind vor allem die internationalen Technologiekonzerne. Wettbewerber wie Apple Pay, Samsung Pay oder Alipay werden versuchen, den Schweizer Markt mitzuprägen. Des Weiteren kann auch davon ausgegangen werden, dass der Online-Bezahldienst Paypal insbesondere beim Internetshopping weiterhin eine grosse Rolle spielt.

Welche Lösungen Bestand haben, wird sich erst zeigen. Klar scheint: Nur einfach zu handhabende Systeme mit hoher Akzeptanz und Nutzungsbereitschaft von breiten Zielgruppen können sich auf Dauer durchsetzen. Grundsätzlich erreichen Lösungen mit vielen Projektpartnern wie Twint oder mit einer internationalen Reichweite wie Apple Pay eher die notwendigen Skalen- und Netzwerkeffekte, von welchen alle Nutzer profitieren. Allerdings müssen nebst den Kunden auch die Händler von den neuen Bezahllösungen überzeugt werden.

Transaktionen noch im Promillebereich


Bis anhin hat sich in der Schweiz noch kein Mobile-Payment-Anbieter durchsetzen können, und das Transaktionsvolumen ist noch gering. Zwar ist eine exakte Messung des Volumens oder der Anzahl Transaktionen derzeit nicht möglich. Basierend auf den wenigen verfügbaren Zahlen, darf aber davon ausgegangen werden, dass in der Schweiz insgesamt nur 0,2 Prozent aller Transaktionen über das Smartphone bezahlt werden. Insofern sind auch die bisherigen Erfolge von Twint oder Apple Pay an der Ladenkasse mit Vorsicht zu geniessen, da die Relevanz in absoluten Zahlen derzeit noch gering ist.

Die Voraussetzungen für die Verbreitung von Mobile Payment sind in der Schweiz aber durchaus gegeben, wo über drei von vier Mobiltelefonnutzern ein Smartphone besitzen.[2] Zudem sind die meisten Konsumenten gegenüber Mobile Payment positiv eingestellt. Gemäss einer Untersuchung der Hochschule Luzern aus dem Jahr 2014 kann sich eine Mehrheit der Befragten vorstellen, Mobile Payment zu nutzen.[3] In einer ähnlichen Befragung aus Deutschland gibt rund ein Drittel an, sich vorstellen zu können, das Smartphone bis in drei Jahren als gelegentliche Zahlungsmethode zu verwenden.[4]

Zusatzfunktionen entscheidend


Welche Anbieter sich in der Schweiz durchsetzen, ist schwierig abschätzbar. Langfristig überleben wohl höchstens zwei bis drei Bezahllösungen. Insbesondere im stark wachsenden E-Commerce sehe ich ein grosses Potenzial für Mobile Payment, da dieses aus Kundensicht oftmals angenehmer und einfacher zu handhaben ist als Bezahllösungen mit Einzahlungsscheinen oder Kreditkarten. Auch im Bereich des ebenfalls wachsenden P2P-Geldtransfers ist der Nutzen für den Kunden vorhanden. Aus Sicht eines Anbieters ist diese Funktion finanziell aber nicht attraktiv, da man mit dem kostenlos angebotenen P2P-Payment kein Geld verdienen kann. Insofern ist diese Funktion mehr als eine Art Einstieg in die Welt des Mobile Payment zu betrachten.

Über den zukünftigen Erfolg der mobilen Bezahlangebote entscheidet daher vor allem die Entwicklung an der Ladenkasse. Zentral sind dabei die erwähnten App-Zusatzfunktionen wie Loyalitätsprogramme. Denn: Nur wenige Konsumenten dürften alleine aufgrund der Funktion «mobiles Bezahlen» ihre Bezahlgewohnheiten im Supermarkt umstellen. Der Aufbau eines entsprechenden Ökosystems mit Einbezug der Händler und der Mobilisierung der Kunden ist komplex und braucht Zeit. Gleichzeitig ist die Grösse des Ökosystems möglicherweise entscheidend für den Erfolg des Systems.

  1. Ankenbrand (2015) sowie Jäger und Trütsch (2016). []
  2. Comparis (2016). []
  3. Dietrich et al. (2014). []
  4. Hälsig et al. (2015) []

Literaturverzeichnis

Bibliographie

Zitiervorschlag: Andreas Dietrich (2017). Kampf um mobiles Zahlen in der Schweiz. Die Volkswirtschaft, 25. Juli.