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Mehr Mittel für Entwicklungsbanken

Die UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung und anstehende Infrastrukturprojekte fordern die Finanzen der Weltbank und der regionalen Entwicklungsbanken. Sechs mögliche Lösungen, um ihre Finanzkraft zu stärken.
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Die Entwicklungsbanken haben in den letzten Jahren viele Kredite für Infrastrukturprojekte vergeben. Strassenbau in Sri Lanka. (Bild: Deshan Tennekoon/World Bank)

Die Weltbank und die grossen regionalen multilateralen Entwicklungsbanken sind noch immer sehr leistungsfähige Instrumente, um Ressourcen und Fachwissen so zu kanalisieren, dass sich Fehlentwicklungen am Markt ausgleichen lassen.[1] Denn solche Fehlentwicklungen können zu geringem Wirtschaftswachstum und sozialer Ungleichheit führen und verursachen letztlich auch Instabilität und Migration. Die multilateralen Entwicklungsbanken sind hierfür eine extrem kostengünstige Form, da sich ihr potentes Finanzierungsmodell vor allem auf die Anleihenmärkte abstützt. Die Unterstützung durch die Mitgliedsländer – in Form von Kapitalerhöhungen oder politischen Reformen zur Stärkung der Kapitaladäquanz der Entwicklungsbanken – ist eine effiziente Art, um auf der ganzen Welt das Wirtschaftswachstum zu fördern und die Lebensstandards zu verbessern.

In den letzten Jahren haben die multilateralen Entwicklungsbanken auf Drängen ihrer Mitgliedsländer mehr Kredite vergeben, um die UNO-Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen, und nachhaltige Infrastrukturinvestitionen getätigt, die es braucht, um mit dem Wirtschaftswachstum Schritt zu halten.

Wie bei allen Finanzinstitutionen ist das Kreditvolumen auch bei den Entwicklungsbanken vom Eigenkapital abhängig. Doch dieser Handlungsspielraum wird immer kleiner: Viele Unterorganisationen der Weltbank, wie etwa die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (IBRD) – ihre wichtigste Finanzierungseinrichtung –, werden bei der Kapitalunterlegung in Kürze an ihre Grenzen stossen. Ebenso ergeht es den grossen regionalen multilateralen Entwicklungsbanken: der Afrikanischen, der Asiatischen und der Interamerikanischen Entwicklungsbank sowie der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD). In diesem Artikel sollen sechs Möglichkeiten evaluiert werden, die momentan zur Lösung dieses Problems diskutiert werden.

Allgemeine Kapitalerhöhung vorantreiben


Oberste Priorität ist es, die Anteilseigner der Entwicklungsbanken davon zu überzeugen, zusätzliches Kapital zur Verfügung zu stellen. Durch eine allgemeine Kapitalerhöhung liessen sich die benötigten Ressourcen so direkt und zielführend wie möglich steigern. Zudem würden die multilateralen Entwicklungsbanken dadurch auch von den Investoren, von denen sie für die operationelle Kapitalbeschaffung abhängig sind, besser wahrgenommen werden. Zumindest in der kurzen Frist stehen die Chancen für eine allgemeine Kapitalerhöhung aber alles andere als gut. Denn insbesondere die USA werden sich wahrscheinlich dagegenstellen.

Trotz der USA sollten andere Mitgliedsländer sich aber um eine allgemeine Kapitalerhöhung bemühen. Denn die multilateralen Entwicklungsbanken sind äusserst effizient, wenn es darum geht, private Anlagegelder in Entwicklungsprojekte zu leiten, die für die Anteilseigner sehr vorteilhaft sind. Ein Beispiel: In den letzten rund 70 Jahren haben die Mitgliedsländer insgesamt 15,8 Milliarden Dollar in die IBRD investiert. Damit hat die IBRD mindestens 658 Milliarden Dollar an Darlehen gewährt und mehrere Milliarden aus den Gewinnen verteilt, um den ärmsten Ländern zu helfen.

Eigenkapitalanforderungen reformieren


Auch über eine Lockerung der Eigenkapitalanforderungen liesse sich die Finanzkraft der multilateralen Entwicklungsbanken stärken. Dadurch dürften mit dem bereits vorhandenen Kapital mehr Darlehen gewährt werden, und so würden Hunderte Milliarden von Dollar für zusätzliche Kredite freigesetzt. Die finanzielle Stabilität der Entwicklungsbanken wäre deshalb nicht gefährdet. Denn das Finanzmanagement der Entwicklungsbanken agiert sehr konservativ, trotz der ausgezeichneten Performance ihres Kreditportfolios.

Als wichtigste Kennziffer zur Beurteilung ihrer Kreditfähigkeit verwenden die multilateralen Entwicklungsbanken das sogenannte Einlagen-Kredit-Verhältnis. Es zeigt den Anteil der Einlagen der Anteilseigner an den ausstehenden Krediten im Portfolio. Im Vergleich zu privaten Finanzinstituten, bei denen dieses Verhältnis zwischen 10 und 15 Prozent liegt, sind die multilateralen Entwicklungsbanken sehr gut kapitalisiert (siehe Abbildung 1). Eine Senkung dieses Verhältnisses auf die bei der IBRD üblichen 20 Prozent würde einen zusätzlichen Kreditrahmen von 200 Milliarden Dollar bedeuten. Ein weiteres Absenken auf immer noch relativ konservative 15 Prozent würde zusätzliche 380 Milliarden Dollar verfügbar machen.

Ein Grund für das konservative Einlagen-Kredit-Verhältnis bei den multilateralen Entwicklungsbanken sind die übertrieben strengen Methoden zur Beurteilung der Kreditfähigkeit, wie sie die Ratingagenturen – insbesondere Standard and Poor’s – verwenden. Um die Ängste vor einer Herabstufung zu zerstreuen, könnte zusätzlich auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die Kapitaladäquanz der multilateralen Entwicklungsbanken beurteilen. Neben den Beurteilungen der Entwicklungsbank-Mitarbeitenden und der Ratingagenturen würde so eine weitere Referenz für die Anteilseigner hinzukommen. Zudem würde es die Ratingagenturen unter Umständen dazu veranlassen, ihre Methoden zu überdenken.

Abb. 1: Einlagen-Kredit-Verhältnis der Entwicklungsbanken (2005–2016)




Quelle: Jahresabschlüsse der multilateralen Entwicklungsbanken 2005–2016, Berechnungen Humphrey / Die Volkswirtschaft.

Bilanzen zusammenführen


Eine neuere Initiative zur Maximierung der Finanzkraft von multilateralen Entwicklungsbanken besteht darin, die konzessionären und die nicht konzessionären Kreditfenster zusammenzuführen. Konzessionäre Kreditfenster sind grosse Treuhandfonds für die ärmsten Länder, die nicht über die Ausgabe von Anleihen, sondern über die Zahlungen von reichen Ländern finanziert werden. Führt man sie mit den wichtigsten Kreditfenstern der Entwicklungsbanken zusammen, profitieren sie auf den Anleihenmärkten von sogenannten Leverage-Effekten. Im Januar 2017 wurde die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) mit ihrem konzessionären Fonds fusioniert und konnte ihr Eigenkapital so auf 53 Milliarden Dollar verdreifachen. Das ist eine massive Eigenkapitalsteigerung ohne zusätzliche Kosten für die Anteilseigner. Auch die Interamerikanische Entwicklungsbank (IADB) wurde mit ihrem konzessionären Kreditfenster zusammengeführt. Da dieser Fonds jedoch deutlich kleiner war, war auch die Wirkung entsprechend klein.

Am grössten wäre das finanzielle Potenzial wohl bei einer Zusammenführung der Bilanzen der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) der Weltbank mit derjenigen der IBRD. Denn die IDA verfügt bereits alleine über ein Eigenkapital von 154,7 Milliarden Dollar. Da die IDA und die IBRD rechtlich getrennte Einheiten sind, wäre eine solche Zusammenführung allerdings relativ kompliziert. Zudem bedient die IDA vor allem in Afrika immer noch viele grosse und einkommensschwache Länder. In einer ähnlichen Lage befindet sich auch der Afrikanische Entwicklungsfonds (ADF) der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB). Angesichts des enormen finanziellen Potenzials sollten die Weltbank und die AfDB eine Zusammenführung aber dennoch in Erwägung ziehen. Möglich wäre eine teilweise Zusammenführung, bei der ein Teil der Kredite der konzessionären Struktur an die nicht konzessionäre Struktur übertragen wird. Dabei bliebe die konzessionäre Struktur aber weiterhin für die Bedürfnisse der ärmsten Länder zuständig.

Zweckgebundene Zuweisungen reduzieren


Ohne Kapitalerhöhung können die multilateralen Entwicklungsbanken ihre Eigenmittel nur dann stärken, wenn ein Teil ihrer jährlichen Nettoeinnahmen in ihre Reserven fliesst. Deshalb sollten sie weitere Reserven aufbauen, indem sie pro Jahr weniger Nettoeinnahmen zweckgebunden einsetzen und durch höhere Einkünfte und Budgetrestriktionen Mehreinnahmen generieren.

Die zweckgebundenen Zuweisungen der Entwicklungsbanken sind teilweise erheblich (siehe Abbildung 2). Insbesondere die Anteilseigner aus Ländern, die keine Kredite aufnehmen, setzen grosse Summen der Nettoeinnahmen für bestimmte Zwecke ein, anstatt sie aus ihrem eigenen Haushaltsbudget zu finanzieren. Wären diese Mittel stattdessen in die Reserven geflossen, wäre die Finanzkraft der Entwicklungsbanken deutlich höher. Die Anteilseigner sollten diese Programme deshalb besser aus ihrer eigenen Staatskasse bezahlen und die Nettoeinnahmen zum Aufbau der Eigenkapitalreserven der Entwicklungsbanken nutzen.

Abb. 2: Zweckgebundene Zuweisungen der Nettoeinnahmen (2005–2015)




Quelle: Jahresabschlüsse der multilateralen Entwicklungsbanken 2005–2016 / Die Volkswirtschaft

Zur Steigerung der Nettoeinnahmen könnten beispielsweise die Kreditgebühren, insbesondere für rasch auszahlbare Darlehen oder Kredite mit längeren Laufzeiten, erhöht werden. Auch Einsparungen bei den Verwaltungskosten wären denkbar (siehe Abbildung 3): etwa bei der Forschung, die keinen direkten entwicklungspolitischen Mehrwert hat, oder beim administrativen Aufwand. So ist beispielsweise der Entwicklungsnutzen des ständigen Verwaltungsrates bei der Weltbank und den regionalen Entwicklungsbanken äusserst fraglich, und trotzdem werden jährlich Hunderte Millionen Dollar dafür ausgegeben.

Abb. 3: Verwaltungskosten der multilateralen Entwicklungsbanken pro 1 Million Dollar ausstehender Kredite (2005–2015)




Quelle: Jahresabschlüsse der multilateralen Entwicklungsbanken 2005–2016, Berechnungen Humphrey / Die Volkswirtschaft.

Bilanzoptimierung


Die Afrikanische und die Interamerikanische Entwicklungsbank sowie die Weltbank haben kürzlich mit einer kreativen finanztechnischen Massnahme ihre Bilanzen optimiert, um eine Abstrafung durch die Ratingagentur Standard and Poor’s (S&P) für Portfoliokonzentrationen zu umgehen. Im Dezember 2015 tauschten diese drei Entwicklungsbanken ihre Kreditengagements so untereinander aus, dass die Gesamtverpflichtungen zwar gleich blieben, die Länderkonzentrationen bei der AfDB und der IADB dadurch aber deutlich reduziert wurden. Die bessere Beurteilung durch S&P, hat bei beiden Banken mehrere Milliarden für zusätzliche Kredite freigesetzt. Trotzdem: Weitere solche Zugewinne sind aus rechtlichen wie auch aus finanziellen Gründen eher beschränkt.

Eine weitere neue Idee der Entwicklungsbanken sind Portfoliogarantien. 2016 bot Schweden der ADB erstmals eine solche Garantie zur Absicherung einer Kreditsumme von 155 Millionen Dollar an. Dadurch wurden in der Bilanz der ADB zusätzliche 500 Millionen Dollar für die Kreditvergabe frei. Ein ähnliches Geschäft führte die Weltbank Ende 2016 durch, um mit Garantien von Kanada und Grossbritannien Darlehen an den Irak abzusichern. Wahrscheinlich wird es auch in Zukunft noch mehr solcher Portfoliogarantien geben, doch die Bereitschaft der Geberländer ist beschränkt. Deshalb wird auch dieser Weg nicht ausreichen, um den zusätzlichen Kapitalbedarf der Entwicklungsbanken nachhaltig zu decken.

Abrufbares Kapital besser nutzen


Eine Finanzquelle, die von den Entwicklungsbanken noch viel zu wenig genutzt wird, ist das sogenannte abrufbare Kapital, das eine Art Garantie der Anteilseigner ist. Bei der IBRD beträgt dieses 247,5 Milliarden Dollar, und bei den vier regionalen multilateralen Entwicklungsbanken sind es zusammen weitere 420 Milliarden. Anders als bei den meisten Finanzgarantien wird dieses Kapital nicht automatisch beim Eintreten einer bestimmten Situation abgerufen. Der Abruf muss von den Anteilseignern, die dafür bezahlen müssen, beschlossen werden. Ausserdem sind der Zeitrahmen der Rückzahlung und das genaue Verfahren zur Auszahlung nicht klar definiert. Darum messen Investoren und Ratingagenturen dem abrufbaren Kapital keinen hohen Stellenwert bei.

Die Anteilseigner sollten deshalb das Verfahren zum Abruf dieses Kapitals präzise definieren, um es stärker zu automatisieren und transparenter zu machen. Das bietet den Investoren mehr Sicherheit. Trotz politischer und finanzieller Hürden würde sich eine solche Reform lohnen: Denn das abrufbare Kapital könnte die Finanzkraft der Entwicklungsbanken deutlich stärken.

  1. Eine ausführlichere Version dieses Artikels ist auf Englisch verfügbar unter Odi.org[]

Zitiervorschlag: Humphrey, Christopher (2017). Mehr Mittel für Entwicklungsbanken. Die Volkswirtschaft, 25. Juli.