Gut geführte Pensionskassen weisen höhere Performance aus
Die grösste Pensionskasse der Schweiz – die BVK – steht unter Beobachtung: Stiftungsratspräsident Bruno Zanella und Geschäftsführer Thomas Schönbächler vor den Medien in Zürich. (Bild: Keystone)
Mit über vier Millionen aktiv Versicherten und knapp 2000 Pensionskassen unterhält die Schweiz eines der grössten Systeme der beruflichen Vorsorge Europas. So war das Gesamtvermögen aller Pensionskassen Ende 2016 mit über 800 Milliarden Franken grösser als das Bruttoinlandprodukt (BIP). Angesichts dieser Summe sind professionelle Managementstrukturen und Prozesse bei den Pensionskassen von volkwirtschaftlicher Bedeutung, da Vorsorgeeinrichtungen mit Schwächen in den Governancestrukturen beträchtliche Risiken für Versicherte, Rentner und Finanzmärkte verursachen können.
Um dieses systemische Risiko einzudämmen, hat der Gesetzgeber verschiedene Massnahmen ergriffen, die auf die Verbesserung der Governancequalität von Pensionskassen abzielen – so traten 2011 beispielsweise neue Bestimmungen zu Transparenz und Interessenkonflikten in Kraft. Zusätzlich fördert der Schweizerische Pensionskassenverband (Asip) seit Jahren selbst-regulatorische Ansätze, unter anderen im Rahmen einer «Governance-Charta».[1]
Governance geht allerdings über rein regulatorische Anforderungen hinaus und ist umfassender zu verstehen. Schlüsselaspekte sind die Organisations- und Führungsstrukturen, Anreizsysteme für das Management, Planungs- und Strategieprozesse sowie Investment- und Risikomanagementprozesse.
Empirische Studie anhand von umfangreicher Stichprobe
In einer Studie haben die Autoren untersucht, inwiefern Governancearchitekturen mit der realisierten Anlageperformance zusammenhängen.[2] Empirische Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Governance und Performance in der Altersvorsorge sind heute immer noch rar. Besser untersucht ist der Unternehmenssektor, wo die Evidenz einen positiven Zusammenhang zwischen guter Governance und Unternehmensperformance und -bewertung findet.
In den bisherigen Studien zu Pensionskassen wurde die Governancequalität oft auf subjektive Weise gemessen, beispielsweise basierend auf Selbstwahrnehmungen oder Meinungen von Pensionsfondsmanagern und Stiftungsräten. Im Gegensatz dazu untersuchten die Autoren den Zusammenhang zwischen Governancestrukturen, Anlageperformance und Vermögensallokation für eine Stichprobe von 139 Schweizer Pensionskassen, wobei die Messung der Governancequalität ausschliesslich auf objektiv nachprüfbaren Kriterien beruht. Da historische Performancedaten sowie detaillierte Daten zu Governancestrukturen von beruflichen Vorsorgeeinrichtungen der zweiten Säule in der Schweiz nicht in ausreichend detaillierter Form öffentlich verfügbar sind, wurden diese Informationen mithilfe eines standardisierten Fragebogens erhoben. Der verwendete Datensatz enthält Daten von 139 Pensionskassen mit einem Kassenvermögen von über 260 Milliarden Schweizer Franken per Ende 2012 – was 43 Prozent des gesamten Schweizer Pensionskassenvermögens entsprach.
Index bildet Governance ab
Um die Governancestrukturen der Kassen möglichst objektiv zu messen, entwickelten die Autoren den Governanceindex «Swiss Pension Fund Score» (G-Score), welcher wiederum aus sechs Subindizes besteht (siehe Kasten). Obwohl einige der Komponenten des G-Score aus Governanceperspektive vorteilhaft erscheinen, werden diese weder als absolut erachtet, noch wird behauptet, dass Schweizer Pensionsfonds diese notwendigerweise erfüllen sollen, um ihre Governancequalität zu verbessern. Es wird daher keine Aussage darüber getroffen, wie eine optimale Governancestruktur einer Pensionskasse aussieht oder aussehen sollte. Tatsächlich werden einige Elemente des Scoring-Modells aufgrund von widersprüchlicher empirischer Evidenz kontrovers diskutiert – wie zum Beispiel die Anwendung taktischer Vermögensallokation oder die performanceabhängige Vergütung von Stiftungsräten. Die Studie nimmt solche Elemente lediglich als praktische Referenzpunkte zur Hand, um einen möglichen Zusammenhang zwischen Governance, Performance und Vermögensallokation zu untersuchen.
Die Analysen zeigen, dass Pensionskassen-Governance positiv mit der durchschnittlichen Anlageperformance der befragten Kassen in den Jahren 2010 bis 2012 korreliert. Diejenigen Pensionskassen, die im höchsten Governancequartil lagen, erzielten eine um 1 Prozent höhere durchschnittliche Überschussrendite und Benchmark-Outperformance als diejenigen, die sich im niedrigsten Quartil befanden (siehe Tabelle).
Quartil-Analyse
Performance-Metrik | 1. Quartil | 2. Quartil | 3. Quartil | 4. Quartil | Differenz Q1 – Q2 |
Durchschnittliche Überschussrendite der Jahre 2010 bis 2012 | 2,65% | 2,21% | 1,81% | 1,62% | +1,02a |
Durchschnittliche Abweichung zur passiven Benchmark der Jahre 2010 bis 2012 | –0,36% | –0,83% | –1,20% | –1,33% | +0,97a |
Durchschnittliche Abweichung zur Benchmark, die von den Pensionskassen selbst angegeben wurde | –0,31% | –0,60% | –0,88% | –1,06% | +0,75b |
Sharpe Ratioc der Pensionskassen: | 0,376 | 0,299 | 0,295 | 0,271 | +0,105b |
a1-Prozent-Signifikanzniveau b5-Prozent-Signifikanzniveau cKennzahl für das Verhältnis zwischen Überrendite und Risiko einer Geldanlage
Anmerkung: Die Tabelle zeigt den arithmetischen Durchschnitt der vier analysierten Performancemetriken pro Quartil. In der rechten Spalte ist die Differenz zwischen dem Quartil mit den besten Governancewerten (1. Quartil) und dem Quartil mit den schlechtesten Governancewerten (4. Quartil) abgebildet.
Quelle: Ammann und Ehmann (2017)
Rendite hängt mit Risikomanagement zusammen
Vor allem die Subkategorien Zielsetzung und Anlagestrategie sowie Risikomanagement zeigen eine signifikant positive Korrelation zur durchschnittlichen Rohrendite. Ebenfalls einen signifikant positiven Effekt zeigt sich bei der Kassengrösse: Grössere Pensionskassen in der Stichprobe haben eine höhere durchschnittliche Überschussrendite über die Jahre 2010 bis 2012 ausgewiesen als kleinere. Einen Teil der höheren Rendite erzielen sie dabei durch ein höheres Risiko-Exposure, indem sie beispielsweise einen grösseren Anteil ihres Vermögens in alternative Investments, Aktien und Fremdwährungen investieren als kleinere Kassen.
Pensionskassen-Governance ist für alle vier analysierten Performancemasse relevant (siehe Tabelle). So erzielten Pensionskassen mit einer guten Governance höhere Überschussrenditen sowie kleinere negative Abweichungen zu ihrer Benchmark als Kassen mit tiefen Governancewerten. Auch die Analyse der von den Pensionskassen angegebenen individuellen Benchmarks zeigt ähnliche Ergebnisse. Das Bestimmtheitsmass des Regressionsmodells ist hier jedoch relativ niedrig, was eine Indikation für suboptimal definierte individuelle Benchmarks der Kassen ist. Für die Sharpe Ratio – die Kennzahl für das Verhältnis zwischen Überrendite und Risiko einer Geldanlage – findet die Studie ebenfalls einen signifikant positiven Koeffizienten für die Variable G-Score.
Die Analyse der Vermögensallokation zeigt hingegen keinen signifikanten Zusammenhang zwischen der Governance und den Allokationsentscheiden. Entscheide bezüglich der Vermögensallokation scheinen eher mit institutionellen Faktoren wie der Kassengrösse oder der Rechtsform verbunden zu sein als mit Governancestrukturen.
Externe Berater beeinflussen Performance
Eine detailliertere Analyse der Subindizes zeigt einen ökonomisch und statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der regelmässigen Anwesenheit von externen Beratern an Anlagestrategie-Sitzungen und der Performance auf: Diese ist um durchschnittlich einen halben Prozentpunkt höher, wenn der externe Berater grundsätzlich an den Anlagestrategie-Sitzungen teilnimmt. Umgekehrt haben diejenigen Pensionskassen, welche angaben, «Taktische Asset Allokation» zu betreiben, eine geringere Performance als die Kassen, welche gemäss Umfrage auf diese Praktik verzichten.
Für Stiftungsräte von Pensionskassen stellt sich die Frage, inwiefern ein Investment in gute Governancestrukturen sinnvoll für Versicherte im Sinne von verbesserter Anlageperformance sein könnte. Die Studie zeigt, dass zumindest statistisch für die Jahre 2010 bis 2012 ein Zusammenhang zwischen beiden Faktoren besteht.
Es ist jedoch wichtig, zu erwähnen, dass keine Aussage über die Kausalität zulässig ist. Denn: Obwohl es möglich und plausibel ist, dass eine gute Governance zu einer besseren Anlageperformance führt, könnte die Kausalkette auch umgekehrt sein. Das heisst, Pensionskassen mit guter Performance könnten bessere Governancestrukturen installieren, weil sie möglicherweise mehr finanziellen Spielraum haben. Oder es könnte sein, dass es ein allgemeines Qualitätsmerkmal für Pensionskassen gibt, welches sowohl mit besserer Governance einhergeht als auch zu einer höheren Anlageperformance führt.
Zeitgemässe Governancestrukturen sind für die Versicherten von Pensionskassen vorteilhaft. Viele Kassen werden deshalb weiter an ihrer Governance arbeiten. Dabei sollte nicht nur die formale Erfüllung von erwünschten Anforderungen angestrebt werden, sondern vor allem die materielle Verbesserung der Governance zugunsten der Versicherten im Vordergrund stehen.
- Asip-Charta, Asip.ch []
- Ammann und Ehmann (2017). []
Zitiervorschlag: Ammann, Manuel; Ehmann, Christian (2017). Gut geführte Pensionskassen weisen höhere Performance aus. Die Volkswirtschaft, 25. September.
Der Swiss Pension Fund Score (G-Score) besteht aus den Subkategorien Organisations- und Führungsstruktur, Management-Incentive-Systeme, Zielsetzung und Anlagestrategie, Investmentprozesse, Risikomanagementprozesse sowie Controlling und Transparenz. Diese sechs Governancebereiche sind ihrerseits in insgesamt 60 Kriterien unterteilt. Um zu untersuchen, inwiefern Governance mit Anlageperformance und Vermögensallokation korreliert, wurden multivariate Regressionsanalysen eingesetzt, bei denen vier verschiedene, in der Portfoliomanagementpraxis gängige Performancemasse als abhängige Variablen dienten. Institutionellen Kassenfaktoren wie Kassengrösse, Primatsform, Rechtsform, Risikodeckung, internen Kostenstrukturen sowie dem Verhältnis zwischen aktiv Versicherten und Rentnern wurde ebenfalls Rechnung getragen.
Die «Volkswirtschaft» und die «Schweizerische Zeitschrift für Volkswirtschaft und Statistik» verbessern den Wissenstransfer von der Forschung in die Politik: Aktuelle wissenschaftliche Studien mit einem starken Bezug zur schweizerischen Wirtschaftspolitik erscheinen hier in einer Kurzfassung.