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Den Berggebieten und ländlichen Räumen weht zurzeit ein rauer Wind entgegen. Potenziale zur Entwicklung dieser Räume sind zwar vorhanden, doch sie werden durch administrative Hürden oft eingeschränkt. Eine Lockerung ist nötig.
Thomas Egger, Nationalrat (CSP/VS) und Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB), Bern

Standpunkt

Von allen Seiten lastet der Druck auf die Berggebiete und ländlichen Räume. Bereits existieren grundlegende Probleme wie etwa die zu klein strukturierten Angebote im alpinen Tourismus. Doch diese werden nun zusätzlich durch externe Schocks wie die Zweitwohnungsinitiative und die Aufhebung des Euro-Franken-Mindestkurses verschärft. Hinzu kommt ein politischer Wind, der sich eindeutig gegen die Berggebiete gewendet hat. Dies zeigt sich etwa in der vorgesehenen Reduktion der Wasserzinse, welche für einige Berggemeinden existenzielle Fragen aufwirft. Die geplante Verschärfung der Lex Koller würde für den alpinen Tourismus einen weiteren schweren Schlag bedeuten.

Die Digitalisierung bietet Chancen

Doch in den Berggebieten und ländlichen Räumen sind durchaus Potenziale vorhanden, wie ein aktueller Bericht[1] der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB) zeigt. Auch die Digitalisierung stellt eine riesige Chance dar. Denn die Produktion von Gütern und Dienstleistungen ist nicht mehr so stark wie bis anhin an einen Standort gebunden: Das Hochhaus in Zürich wird bequem und inspirierend in Vrin entworfen. Das klassische Büro hat ausgedient. Dienstleistungen werden vermehrt von zu Hause, unterwegs oder bei Kunden erledigt. Zudem ermöglicht das Internet dem Tourismus weltweit sichtbare  Marketingkanäle. Doch damit diese Chancen genutzt werden können, braucht es entsprechende digitale Infrastrukturen.

Diesbezüglich macht Avenir Suisse in ihrer kürzlich publizierten Studie über die Berggebiete einen Denkfehler. Auch die Denkfabrik erkennt in der Digitalisierung zwar eine Chance, sie verteufelt auf der anderen Seite aber den Bau von Infrastrukturen. Nur: Ohne leistungsfähige, digitale Infrastrukturen können die Chancen der Digitalisierung nicht genutzt werden. Damit alle Unternehmen und Haushalte in der Schweiz die gleichen Voraussetzungen haben, muss die minimale Bandbreite in der Grundversorgung von heute 3 Megabit pro Sekunde (MBit/s) unverzüglich auf 10 MBit/s angehoben werden. Zudem braucht es eine Breitbandstrategie des Bundes, die aufgezeigt, wie die Gebiete, in denen der Wettbewerb nicht spielt, rasch mit Hochbreitband erschlossen werden. Auch die im internationalen Vergleich übermässig restriktiven Grenzwerte für Mobilfunkantennen müssen korrigiert werden. Sonst können vor allem die ländlichen Räume nur sehr verzögert von schnelleren Mobilfunk-Übertragungsraten wie 5G profitieren.

Zu viele administrative Lasten

Die Einschränkung beim Mobilfunk ist nur einer von zahlreichen Faktoren, welche die Entwicklung der Berggebiete und ländlichen Räume hemmen. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht[2] der SAB zeigt erstmals die administrativen Lasten der Berggebiete. Darin wurden rund 100 solcher Lasten identifiziert. Ein typisches Beispiel ist der Agrotourismus: Während die Agrarpolitik von den Landwirten verlangt, unternehmerisch tätig zu sein, werden ihre Entwicklungspotenziale durch das Umwelt- und Raumplanungsrecht gleich wieder eingeschränkt. Es wäre den Berggebieten sehr gedient, wenn das Korsett, das mit all diesen Auflagen geschnürt wurde, wieder etwas gelockert würde. Dann hätten sie wieder mehr Luft, um die vorhandenen Entwicklungspotenziale auch ohne zusätzliche staatliche Unterstützung in Wert zu setzen.

Für die Zukunft der Berggebiete und ländlichen Räume braucht es einen integralen, sektorübergreifenden Ansatz. Dazu müssen alle raumwirksamen Politikbereiche, alle staatlichen Ebenen und die Zivilgesellschaft zusammenwirken. Der vom Bundesrat im Februar 2015 publizierte Politikbericht für die ländlichen Räume und Berggebiete stellt in dieser Hinsicht einen Meilenstein dar. Er muss nun konkretisiert und in die Tat umgesetzt werden.

  1. Egger et al. (2017). Erfolgsmodelle in den Berggebieten und ländlichen Räumen. Bericht  verfügbar auf Sab.ch[]
  2. Egger et al. (2017). Administrative Lasten im Berggebiet. Bericht verfügbar auf Sab.ch[]

Zitiervorschlag: Thomas Egger (2017). Standpunkt: Das administrative Korsett ist zu eng. Die Volkswirtschaft, 25. September.