Im Mai dieses Jahres haben die Aktionäre des amerikanischen Mineralölkonzerns Exxon Mobil ihr Unternehmen per Resolution dazu verpflichtet, Implikationen einer weltweiten CO2-Reduktion transparenter zu machen (siehe Kasten 1).[1] Dies, nur wenige Tage nachdem US-Präsident Donald Trump laut über den später vollzogenen Austritt der USA aus dem Pariser UNO-Klimaabkommen nachgedacht hatte. Der Entscheid der Aktionäre ist jedoch nicht primär als politische Antwort auf den Richtungswechsel im Weissen Haus zu verstehen. Vielmehr zeigt die Resolution, dass institutionelle Anleger in Zeiten des weltweiten Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ihre Risiken korrekt einschätzen und die Rentabilität sichern wollen.
Klimawandel bringt Chancen und Risiken
Das Weltwirtschaftsforum (WEF) erachtet den Klimawandel als eines der grössten globalen Risiken unserer Zeit.[2] Veränderte klimatische Bedingungen können bekanntlich Überschwemmungen, Trockenheit, Schädlingsbefall oder steigende Meeresspiegel auslösen. Der Klimawandel kann auch Infrastrukturen gravierend schädigen, neue Regulierungen veranlassen, Konsumverhalten beeinflussen oder technologische Veränderungen bewirken. Fehlt die Fähigkeit, mit solchen eintretenden Risiken umzugehen, kann dies bei Unternehmen zu Produktionsausfällen, höheren Beschaffungskosten oder rückläufigen Absätzen führen. Der weltweit grösste unabhängige Vermögensverwalter Black Rock rät Kapitalanlegern deshalb, den Klimawandel nicht zu ignorieren. Selbst Investoren, die wissenschaftliche Erkenntnisse über den Klimawandel bestritten, müssten zumindest die durch die Klimawandeldiskussion verursachte Flut regulatorischer und technologischer Veränderungen akzeptieren.[3]
Neben Risiken bringen die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen und die Bekämpfung des Klimawandels aber auch neue Geschäfts- und Investitionschancen. Laut dem Weltklimarat der Vereinten Nationen braucht es alleine im Energieversorgungssektor bis 2050 jährlich zwischen 190 und 900 Milliarden Dollar. Die Internationale Energieagentur rechnet von 2015 bis 2030 mit 13,5 Billionen Dollar für die Umsetzung der von den UNO-Mitgliedsstaaten im Pariser Klimaabkommen eingegangenen Klimaverpflichtungen. Davon gehen 8,3 Billionen Dollar in die Förderung von Energieeffizienz und der grosse Rest in den Aufbau kohlenstoffarmer Energieproduktionskapazitäten.[4]
Gemäss Climate Policy Initiative – einer auf Finanzierungsfragen spezialisierten internationalen Klimainitiative – wurden bereits im Jahr 2014 394 Milliarden Dollar in ein kohlenstoffarmes und klimawandelresistentes Wirtschaftswachstum investiert. 61 Prozent dieser Mittel stammten aus dem Privatsektor[5], und dessen Interesse am Thema dürfte weiter zunehmen: In einer Befragung der Global Adaptation and Resilience Investment Working Group, die über 150 private Investoren und andere Interessengruppen vereint, zeigten sich bereits heute 70 Prozent der befragten Portfolioinvestoren an Investitionen in Klimaanpassungen und in die Widerstandsfähigkeit beim Klimawandel interessiert. Weitere 23 Prozent wollen solche Investitionen in den kommenden ein bis drei Jahren in Betracht ziehen.[6]
Marktprognosen beachten
Neben Marktrisiken, Liquiditätsrisiken und operationellen Risiken müssen Investoren bei Investitionsentscheiden künftig also auch die Widerstandsfähigkeit bei Klimaereignissen und dem Klimawandel vertieft prüfen. Dabei können sie Marktprognosen beiziehen, die momentan vermehrt produziert werden. Laut einer kürzlich von Black Rock veröffentlichten Studie steigen beispielsweise physische Klimarisiken und durch den Klimawandel verursachte Konjunkturrisiken tendenziell bei einem längeren Anlagehorizont. Ein langfristiger Investitionshorizont kann aber bei neuen Technologien von Vorteil sein, die erst längerfristig Gewinn abwerfen. Demgegenüber sind kurzfristig orientierte Investoren stärker regulatorischen Risiken ausgesetzt. Insgesamt glaubt Black Rock aber, dass Gewinnstreben und klimabewusstes Investieren vereinbar sind. So habe etwa der MSCI Low Carbon Target Index den Aktienindex MSCI ACWI übertroffen. Zudem seien global tätige Unternehmen, welche ihren CO2-Fussabdruck verringert hätten, generell rentabler als «CO2-Bummler».[7]
Gemäss einer Studie des Beratungsunternehmens Mercer dürften insbesondere die Sektoren erneuerbare Energien und Nuklearenergie vom Klimawandel profitieren. Kohle, Öl und Stromversorgungsbetriebe könnten demgegenüber am negativsten betroffen sein. Ein ungleiches Bild zeigt sich auch bei den Anlageklassen: Während die Rendite von Eigenkapital in entwickelten Märkten voraussichtlich zurückgehen wird, ist der prognostizierte Effekt des Klimawandels auf Staatsanleihen in entwickelten Märkten mit wenigen Ausnahmen neutral. Bei einer Erderwärmung von 2 °C werden gemäss Mercer Anlagen in Schwellenländer-Aktien, Infrastruktur, Immobilien, Holz- und Landwirtschaft profitieren. Steigt die Erwärmung auf 4 °C, würden solche Positionen jedoch verlieren.[8]
Offenlegung von Informationen einfordern
Zusätzlich zu Marktforschungsergebnissen sollten Investoren auch von Unternehmen offengelegte wesentliche Informationen über den Umgang mit dem Klimawandel beiziehen. Nachdem die Task Force on Climate-related Financial Disclosures der G-20 Ende Juni 2017 vier Offenlegungsempfehlungen für Unternehmen abgegeben hat, dürften Unternehmen solche Informationen in Zukunft vermehrt zugänglich machen. Die von über 100 namhaften Unternehmen mitunterzeichneten Empfehlungen betreffen die Gouvernanz, die Strategie, das Risikomanagement sowie die Ziele der Offenlegung und wie diese gemessen werden können. Entsprechende Informationen sollten Unternehmen im Jahresbericht publizieren.
Durch die Offenlegung sollen das Vertrauen der Investoren, das Risikomanagement und die Unternehmensstrategie gestärkt und so der Zugang zu Investorenkapital erleichtert werden. Gleichzeitig können Unternehmen, die sich zur Offenlegung entschliessen, allfällige künftige regulatorische Anforderungen bereits im Voraus erfüllen.[9] Bereits im Herbst 2015 hat nämlich Frankreich als erstes Land eine gesetzliche Regelung zur umfangreichen Berichterstattung über Klimarisiken eingeführt. Der entsprechende Artikel[10] betrifft französische börsenkotierte Unternehmen, Banken, Kreditinstitute, Vermögensverwalter und institutionelle Investoren. Ein Jahr später erliess auch die EU eine Richtlinie, welche von allen europäischen Pensionskassen eine Einschätzung der Klimawandelrisiken verlangt.
Die Offenlegung von Informationen über den Umgang mit dem Klimawandel kann auch für die Einstufung der Kreditwürdigkeit relevant sein. Ratingagenturen haben in den letzten Jahren Methoden entwickelt, um die mit dem Klimawandel verbundenen materiellen Risiken zu berücksichtigen. Standard and Poor’s zeigte beispielsweise bereits vor einem Jahr, wie Klimarisiken bei der Einstufung der Kreditwürdigkeit von Finanzunternehmen analysiert werden.[11] Nicht identifizierte und reflektierte Klimarisiken dürften sich also mittelfristig negativ auf die Kreditwürdigkeit auswirken.
Verantwortung wahrnehmen
Auf Offenlegung wesentlicher Informationen über die Auswirkungen des Klimawandels zu bestehen und diese bei Investitionsentscheiden mit einzubeziehen, ist nicht nur für die Gewinnmaximierung wichtig. Es handelt sich auch um eine Frage der unternehmerischen Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft. Insbesondere kapitalstarke institutionelle Investoren verfügen über ein enormes Potenzial, durch klimagerechtes Investieren wichtige Impulse zu setzen und die Transition zu einer nachhaltigeren und kohlenstoffarmen Wirtschaft zu begünstigen. Auch Entwicklungsbanken wie etwa die Weltbankgruppe nehmen eine Sonderrolle ein. Viele Entwicklungsbanken haben sich bereits konkrete Klimafinanzierungsziele gesteckt (siehe Kasten 2). Als öffentlich finanzierte Finanzinstitute stehen sie besonders in der Pflicht, wesentliche Informationen über die Auswirkungen des Klimawandels auf ihr eigenes Geschäft offenzulegen und bei der Finanzierung von Unternehmen auf die Offenlegung solcher Informationen zu beharren.
Für die Gewinnmaximierung und die effiziente Kapitalallokation in Zeiten des Klimawandels müssen Investoren Klimarisiken und -chancen korrekt bewerten und bei Investitionsentscheiden berücksichtigen können. Statt zuzuwarten, bis der entsprechende rechtliche Rahmen für eine umfassendere Offenlegung gesetzt werden muss, sollten Investoren Verantwortung übernehmen, proaktiv agieren und selbst zur Verbesserung der Marktinformation beitragen – genau so, wie dies die Aktionäre von Exxon Mobil getan haben.
- Siehe New York Times (2017). Exxon Mobil Shareholders Demand Accounting of Climate Change Policy Risks. []
- Siehe World Economic Forum (2017). []
- Black Rock (2016). []
- International Energy Agency (2015). []
- Climate Policy Initiative (2015). []
- Global Adaption & Resilience Investment Working Group (2016). []
- Black Rock (2016). []
- Mercer (2015). []
- Task Force on Climate-related Financial Disclosures (2017). []
- Artikel 173 des Loi de Transition Energétique pour la Croissance Verte. []
- S&P Global (2016). []