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In welchen Branchen schafft die Digitalisierung neue Arbeitsplätze? Eine vorausschauende Wirtschaftspolitik orientiert sich an den Clustern der Zukunft.
Joël Luc Cachelin, Dr. oec. HSG, Wissensfabrik, Dulliken

Standpunkt

Wirtschaftspolitik sollte nicht nur antizipieren, wo Arbeit durch digitale Prozesse, den Einsatz von Robotern, die Auslagerung von Tätigkeiten an Kunden oder künstliche Intelligenz wegfallen könnte. Vielleicht ist es gerade für den Arbeitsmarkt der Hochqualifizierten noch wichtiger, zu reflektieren, wo neue Arbeit entsteht.

Das ermöglicht es, gezielt in die dafür nötige Infrastruktur und Forschung sowie die künftig benötigten Fähigkeiten zu investieren. Banken, Versicherungen und die Pharmaindustrie dürften infolge der Digitalisierung weniger Hochqualifizierte als heute beschäftigen. Aufgrund der heutigen Kompetenzen könnten folgende Themen für die Schweiz wichtiger werden: Datenspeicher, Verschlüsselung, Robotik, künstliche Intelligenz, biologische Speicher – zum Beispiel auf der Haut – oder Recycling.

Auch im Arbeitsmarkt für Wenigerqualifizierte kommt es zu Verlagerungen. Bereits heute ist sichtbar, dass es weniger Arbeit an Schaltern und im Verkauf geben wird. Doch auch in der Sachbearbeitung, in Callcentern und im Transport dürften durch künstliche Intelligenz beziehungsweise selbstfahrende Fahrzeuge Arbeitsplätze wegfallen. Ohne Zweifel wird es aber im Handwerk, in der Pflege, in der Reinigung auch in Zukunft Arbeit geben. Bekennt sich eine Volkswirtschaft zudem zur Kreativität, ist es nichts als konsequent, mehr Menschen als heute zu erlauben, durch Kunst und kritische Reflexion ihr Leben zu finanzieren.

Neben inhaltlichen Verschiebungen verändern sich die Strukturen. Schlagwörter sind Sharing-Economy und Plattformwirtschaft. Es dürfte sich ein Szenario der Ökosysteme durchsetzen, das sich gleichermassen aus globalen Konzernen wie nischenorientierten und flexiblen Mini-Unternehmen zusammensetzt. Die Re-Organisation bewirkt – positiv betrachtet – eine Befreiung der Arbeit aus administrativen Strukturen. Demgegenüber argumentieren Kritiker mit einer «Uberisierung» beziehungsweise mit einer Zunahme von temporären Arbeitsverhältnissen. Sie verweisen auf fehlende Arbeitsplatzsicherheit und abnehmende Solidarität. Gerade für Mitarbeitende im wegfallenden mittleren Management wird dieser Strukturwandel eine Neudefinition ihrer Rolle bedingen. Netzwerkorganisationen setzten auf Selbstorganisation statt Hierarchien und Abteilungen.

Service public für die digitale Zukunft

In Zukunft wird das Spiel der Kombinatorik noch präsenter: Diejenigen Unternehmen und Volkswirtschaften werden gewinnen, denen es am besten gelingt, die Fähigkeiten der Menschen und Maschinen miteinander zu kombinieren. Um weiterhin zu den weltführenden Volkswirtschaften zu gehören, wird es nötig sein, in unsere bisherigen Stärken zu investieren: die politische Stabilität, die Infrastruktur, die Bildung und die Diversität der Einwohner.

Dazu braucht es in einem Kontext der steigenden Vernetzung einen neuen Service public, der sich an den Herausforderungen und Gegebenheiten eines digitalen Zeitalters ausrichtet. Wichtiger als das Fernsehen werden global erfolgreiche Serien sein, wichtiger als ein flächendeckendes Postnetz ein Datentresor, mit dessen Hilfe wir unsere Daten verwalten und verkaufen können. Ebenfalls an Bedeutung gewinnt der Zugang zu künstlicher Intelligenz. Weiter sind neue Mobilitätslösungen wie «Cargo Sous Terrain» oder «Swissloop» gefragt. Schliesslich sollte sich das Bildungssystem ganz an den Fähigkeiten der Zukunft, insbesondere der Kreativität und der Selbstkompetenz, ausrichten.

Zitiervorschlag: Joël Luc Cachelin (2017). Standpunkt: Digitale Cluster für die Schweiz. Die Volkswirtschaft, 21. Dezember.