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Auf dem Arbeitsmarkt steigt angesichts der Digitalisierung die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften. Sämtliche Ausbildungsstätten müssen sich konsequent auf diese neuen Anforderungen ausrichten. Regulierungen auf Vorrat sind hingegen kontraproduktiv.
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Roland A. Müller, Prof. Dr. iur., Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes, Zürich

Die Auswirkungen der Digitalisierung sorgen weltweit für Schlagzeilen. Insbesondere die Debatte über die technologisch bedingte Veränderung von Wirtschaft und Gesellschaft wird kontrovers geführt und verunsichert weite Teile der Bevölkerung. Um die Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt abschätzen zu können, muss man die Entwicklungen aus zwei Blickwinkeln betrachten: Während in einer quantitativen Analyse die Nachfrage nach Arbeitskräften insgesamt stark vom Automatisierungspotenzial der Stellen abhängt, sind die neuen Anforderungen an die Arbeitnehmenden qualitativer Natur.

Beide Fragestellungen können grösstenteils voneinander unabhängig analysiert werden. Dabei darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Digitalisierung ein stetiger Prozess ist, der die Struktur des Arbeitsmarkts bereits in der Vergangenheit stark verändert hat. Die Arbeitgeber schulen ihre Mitarbeitenden in den meisten Fällen «on the job», damit sie mit den neuen Technologien Schritt halten können.

In entwickelten Volkswirtschaften fördern neue Technologien die Verlagerung der Arbeit in jene Branchen, die nur beschränkt zur Steigerung der Produktivität beitragen. Entsprechend kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem beschleunigten Strukturwandel, wodurch zahlreiche Arbeitsplätze im zweiten Sektor ab- und im dritten Sektor aufgebaut wurden. Gemäss dem Bundesamt für Statistik entstanden in den letzten 25 Jahren in der Schweiz beinahe 950’000 zusätzliche Stellen. Anders als in der Privatwirtschaft kam es im öffentlichen Sektor und in staatsnahen Branchen wegen einer unterdurchschnittlichen Produktivitätsentwicklung zu einem stark überdurchschnittlichen Beschäftigungswachstum. So stieg die Anzahl Stellen im Gesundheits- und Sozialwesen, in der Verwaltung sowie in den Bereichen Erziehung und Bildung.[1]

Qualifizierte Arbeitskräfte

Das starke Stellenwachstum der vergangenen Jahre legt den Schluss nahe, dass der Schweiz in den nächsten Jahren die Arbeitsplätze nicht wegbrechen werden. Handlungsbedarf dürfte hingegen bei der Qualifizierung der Arbeitnehmenden entstehen. Denn der Strukturwandel führt dazu, dass zunehmend Arbeitskräfte für bildungsintensive Tätigkeiten nachgefragt werden.

Um diesen Wandel möglichst reibungslos zu vollziehen, wird es entscheidend sein, die Aus- und Weiterbildungsangebote rasch an die Herausforderungen der Digitalisierung anzupassen. Auf diese Aufgabe ist die Schweiz auch dank ihren angesehenen Hochschulen und dem dualen Bildungssystem hervorragend vorbereitet. Das hiesige Bildungssystem erlaubt eine berufsnahe Ausbildung und Spezialisierung und deshalb eine breite Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Die Schwierigkeit wird jedoch darin bestehen, die Ausbildungsinhalte sowohl der Bildungsinstitutionen als auch der Lehrbetriebe den sich schnell verändernden Erfordernissen der Wirtschaft anzupassen.

Die Digitalisierung stellt die Wirtschaft zweifellos vor neue Herausforderungen, namentlich im Bereich der Qualifizierung und Weiterbildung von Arbeitskräften. Ungleich grösser sind jedoch die Vorteile, die sich durch die Digitalisierung für das Land ergeben, sofern sie nicht vorzeitig durch unkluge und schwerfällige Regulierungen im Keim erstickt werden. Will die Schweiz im internationalen Standortwettbewerb erfolgreich bleiben, muss sie die Chance nutzen, ihre Attraktivität für Arbeitskräfte und Unternehmen weiter zu erhöhen.

  1. Vgl. P. Zenhäusern und S. Vaterlaus (2017): Digitalisierung und Arbeitsmarktfolgen, Fondation CH2048. []

Zitiervorschlag: Müller, Roland A. (2017). Die Chancen der Digitalisierung nicht im Keim ersticken. Die Volkswirtschaft, 21. Dezember.