Suche

Abo

Tourismuspolitik des Bundes gewinnt an Schlagkraft

Mit der überarbeiteten Tourismusstrategie bündelt der Bund die Kräfte: Inhaltlich legt er einen Schwerpunkt auf die Unternehmen und die Digitalisierung. Methodisch stehen die Fokussierung der Aktivitäten sowie die stärkere Projekt- und Prozessorientierung im Vordergrund.
Schriftgrösse
100%

Der Furkapass ist eine Etappe der «Grand Tour of Switzerland», einer Marketing-Kampagne von Schweiz Tourismus. (Bild: Schweiz Tourismus, Silvan Widmer)

Die Schweizer Tourismuswirtschaft kämpft seit dem Ausbruch der Finanz- und Weltwirtschaftskrise mit einer stagnierenden Nachfrage. So blieb die Zahl der Hotellogiernächte zwischen 2009 und 2016 stabil. Allerdings bestehen zwischen den Tourismusregionen grosse Unterschiede: Während die Nachfrage in den Städten im erwähnten Zeitraum um 20 Prozent stieg, ging sie im Alpenraum um 10 Prozent zurück (siehe Abbildung 1).

Im vergangenen Jahr zeichnete sich eine Trendwende ab – wovon auch der Tourismus im Alpenraum profitierte.[1] Bemerkenswert ist, dass die Nachfrage aus europäischen Herkunftsmärkten wie Deutschland, den Niederlanden und Belgien nach mehreren Jahren mit Rückgängen wieder im Plus ist. Am kräftigsten war das Wachstum auf den asiatischen Märkten. So stieg die Zahl der Hotellogiernächte von chinesischen und indischen Touristen in zweistelligen Wachstumsraten. Gemäss den Tourismusprognosen der KOF Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich setzt sich das Wachstum im laufenden Jahr fort. Für das Tourismusjahr 2018 (November 2017 bis Oktober 2018) wird eine Zunahme der Zahl der Hotellogiernächte um 3,2 Prozent erwartet.

Abb. 1: Entwicklung der Hotellogiernächte nach Tourismusräumen (2005 bis 2017)




Anmerkung: Im Jahr 2016 gab es in der Schweiz 35,5 Millionen Logiernächte: Alpenraum (15,4 Mio.), städtische Gebiete (13,9 Mio.), übrige Gebiete (6,1 Mio.).

Quelle: Bundesamt für Statistik / Die Volkswirtschaft

Neue Tourismusstrategie des Bundes


Der Bundesrat strebt einen international wettbewerbsfähigen, attraktiven und leistungsfähigen Schweizer Tourismus an. Dies hat er in seiner neuen Tourismusstrategie vom November 2017 festgehalten.[2] Die Tourismusstrategie ist federführend vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) erarbeitet worden. Das Seco ist dabei von einer Expertengruppe bestehend aus Tourismusakteuren und -unternehmern sowie aus Vertretern der Politik, der Tourismusverbände, der Kantone und der Wissenschaft unterstützt worden.

Konkret will die Tourismusstrategie die Rahmenbedingungen verbessern, das Unternehmertum fördern, die Chancen der Digitalisierung nutzen sowie die Attraktivität des Angebots und den Marktauftritt stärken (siehe Abbildung 2). Anhand dieser vier Ziele werden Handlungsfelder definiert und prioritäre Projekte bestimmt.

Umgesetzt wird die Tourismuspolitik des Bundes durch die bestehenden Förderinstrumente. Dazu zählen die Förderung von Innovation, Zusammenarbeit und Wissensaufbau im Tourismus (Innotour), die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH), Schweiz Tourismus (ST) und die Neue Regionalpolitik (NRP). Letztere wird neu als integraler Bestandteil der Tourismuspolitik aufgeführt, da der Tourismus einen thematischen NRP-Förderschwerpunkt bildet.

Abb. 2: Die zentralen Elemente der neuen Tourismusstrategie


Fokus auf Digitalisierung und Unternehmen


Die Tourismusstrategie bringt inhaltliche Neuerungen mit sich. Wie erwähnt steht die Digitalisierung im Zentrum: Der Bund betrachtet dabei die mit der Digitalisierung verbundenen Veränderungen in erster Linie als Chance für die Unternehmen. Mittels Wissenstransfer sowie einer gezielten Projektförderung unterstützt der Bund deshalb die digitale Transformation der Geschäftsprozesse und -modelle. Als Querschnittsthema wird der Digitalisierung in allen Zielen der Tourismusstrategie Rechnung getragen.

Als weiteren Schwerpunkt fördert der Bund das unternehmerische Denken und Handeln. Mittels der intensivierten Förderung von Start-ups und der Verbesserung der Strategiefähigkeit und -orientierung der touristischen Akteure will der Bund einen Beitrag zur Produktivitätssteigerung leisten. Gleichzeitig wird beim touristischen Arbeitsmarkt angesetzt. Dort soll unter anderem geprüft werden, wie die digitalen Kenntnisse der Arbeits- und Führungskräfte im Tourismus gesteigert werden können.

Nebst inhaltlichen Neuerungen verfolgt die Tourismusstrategie auch methodisch einen neuen Ansatz. Zentral ist dabei eine verstärkte «Fokussierung» der Kräfte. So konzentriert sich die Strategie künftig beispielsweise noch stärker auf den Querschnittscharakter der Tourismuspolitik. Konkret steht die Weiterentwicklung des Tourismus-Forums Schweiz (TFS) zu einer Dialog- und Koordinationsplattform im Vordergrund. Des Weiteren wird die Tourismusförderung stärker fokussiert. Zum einen werden die vorhandenen Fördermittel gezielter eingesetzt, und es ist eine engere Begleitung von strategischen Projekten durch das Seco vorgesehen. Zum anderen werden die Steigerung der Attraktivität des touristischen Angebots und die Stärkung des Marktauftritts in einem Ziel zusammengefasst.

Nebst der Fokussierung gewinnt die Projekt- und Prozessorientierung an Gewicht. Neu ist die Tourismusstrategie operativ ausgerichtet und beinhaltet konkrete Umsetzungsaktivitäten. Damit wird die Tourismusstrategie flexibilisiert und dynamisiert. Es ist deshalb künftig nicht mehr vorgesehen, für die Umsetzung der Tourismusstrategie separate und auf einen bestimmten Zeitraum ausgerichtete Umsetzungsprogramme zu verabschieden.

Koordination und Kooperation stärken


Die Umsetzung der Tourismusstrategie hat bereits begonnen. Derzeit werden die beiden Förderinstrumente Innotour und Schweiz Tourismus von externen Experten evaluiert. Dabei geht es insbesondere darum, zu analysieren, welchen Beitrag die Instrumente zur Umsetzung der neuen Tourismusstrategie des Bundes leisten können. Des Weiteren wird im laufenden Jahr die Botschaft des Bundesrates an das Parlament über die Standortförderung 2020–2023 vorbereitet.

Da der Erfolg der Tourismusunternehmen von einer Vielzahl an Politikbereichen beeinflusst wird, strebt die Politik des Bundes nach einer stetigen Verbesserung der Koordination und Kooperation der relevanten Akteure sowie der Förderinstrumente. Aus diesem Grund wird das Tourismus-Forum Schweiz zu einer Dialog- und Koordinationsplattform weiterentwickelt. Im Kern ist das TFS eine jährliche Veranstaltung des Seco zu strategischen Fragen der Tourismuspolitik. Sie richtet sich an Akteure des Bundes, der Kantone und des Tourismus, und es steht unter dem Patronat des Schweizer Tourismus-Verbandes (STV) und der Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren (VDK).

Die Weiterentwicklung des TFS zielt darauf ab, aus Vertretern der Tourismuswirtschaft, der Kantone, der Gemeinden und der Bundesverwaltung zeitlich befristete Projektgruppen zu bilden, welche sich regelmässig treffen und austauschen. Die themen- und projektspezifische Zusammenarbeit im Rahmen der Projektgruppen soll dazu dienen, zielgerichtet Herausforderungen zu identifizieren und bei Bedarf Handlungsoptionen und Lösungsansätze zu entwickeln. Anlässlich der jährlichen TFS-Hauptveranstaltung soll über die Arbeiten der Projektgruppen informiert werden.

Themen, die von den Projektgruppen behandelt werden könnten, sind unter anderem die Erhaltung und Stärkung der landschaftlichen und baukulturellen Qualitäten des Tourismusstandortes Schweiz, das touristische Regulierungsumfeld, die hohe Konzentration von Touristen an spezifischen Orten («Overtourism»), die Auswirkungen des Klimawandels, die spezifischen Herausforderungen des alpinen Tourismus (insbesondere die Saisonalität der Nachfrage) sowie die digitale Transformation. Je nach Thema soll die Führung der Projektgruppen vom Seco, von Verbänden und Kantonen oder von weiteren touristischen Akteuren übernommen werden.

Seco: Digitalisierungsoffensive 


Ein bereits 2017 lanciertes Seco-Projekt ist die Digitalisierungsoffensive. Sie will die digitale Transformation von Geschäftsprozessen und -modellen im Tourismus verstärkt unterstützen – nicht zuletzt, da es hinsichtlich der Folgen der Digitalisierung für den Tourismus Wissenslücken gibt. Im November 2017 hat sich das TFS mit der Thematik befasst.[3]

Im Fokus der Digitalisierungsoffensive stehen die gezielte Förderung von Digitalisierungsprojekten sowie der Wissenstransfer. In diesem Zusammenhang wird im Auftrag des Seco zurzeit von einem Konsortium unter der Leitung der Universität St. Gallen, Institut für Systemisches Management und Public Governance, ein umfassender Grundlagenbericht zur digitalen Tourismuswirtschaft erarbeitet, welcher im zweiten Quartal 2018 veröffentlicht wird. Dabei geht es unter anderem um die digitale Transformation des Marketings bzw. der Marktbearbeitung sowie um die zentrale Fragestellung der Voraussetzungen dafür, dass die Tourismuswirtschaft in Zukunft verstärkt datenbasiert arbeiten kann. Im Kern geht es dabei um das Verständnis von Daten als wichtige immaterielle Infrastruktur für den Tourismusstandort Schweiz.

Bund gewährt Darlehen und Subventionen


Die neue Tourismusstrategie ist grundsätzlich so ausgelegt, dass sie mit den heute der Tourismuspolitik des Bundes zur Verfügung stehenden Mitteln umgesetzt werden kann. Aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Förderansätze ist es nicht möglich, eine Gesamtsumme der Förderleistung zu bilden.

Für die Umsetzung der Tourismuspolitik des Bundes in den Jahren 2016 bis 2019 hat das Parlament für das touristische Landesmarketing von Schweiz Tourismus ordentliche Mittel in der Höhe von 230 Millionen Franken beschlossen. Für die Förderung von Innovation, Zusammenarbeit und Wissensaufbau im Tourismus (Innotour) stehen in diesem Zeitraum 30 Millionen Franken zur Verfügung, wovon 10 Millionen Franken für ein tourismuspolitisches Impulsprogramm reserviert sind.

Weiter hat das Parlament das Zusatzdarlehen an die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit für die Förderung der Beherbergungswirtschaft im Umfang von 100 Millionen Franken bis Ende 2019 verlängert. Des Weiteren wurden Einlagen in den Fonds für Regionalentwicklung in der Höhe von 230 Millionen Franken für die Jahre 2016 bis 2023 beschlossen. Zusätzlich stehen im Rahmen des erwähnten tourismuspolitischen Impulsprogramms aus dem Fonds für Regionalentwicklung 200 Millionen Franken für die Jahre 2016 bis 2019 zur Verfügung, wovon 150 Millionen Franken rückzahlbare Darlehen und 50 Millionen Franken À-fonds-perdu-Beiträge sind.

Die Umsetzung sowie die Wirkung der neuen Tourismusstrategie sollen regelmässig überprüft werden. Vorgesehen ist, dass das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) dem Bundesrat im Jahr 2021 erstmals über die Umsetzung der Tourismusstrategie Bericht erstattet. Eine Expertengruppe, die sich einmal pro Jahr trifft und als Austauschgremium konzipiert ist, begleitet die Umsetzung. Bereits bei der Erarbeitung der Tourismusstrategie hat die Expertengruppe sichergestellt, dass die Formulierung der Zielsetzungen und Handlungsfelder fokussiert und praxisnah erfolgte. Das Seco wird der Zusammenarbeit mit der Expertengruppe deshalb auch bei der Umsetzung der Tourismusstrategie eine bedeutende Rolle beimessen.

Arbeitsweise im Seco ändert


Die neue Tourismusstrategie des Bundes ist ein Meilenstein. Sie gibt die Stossrichtungen der Tourismuspolitik in den kommenden Jahren vor. Aufgrund der neuen Ziele im Zusammenhang mit der Digitalisierung und dem Unternehmertum verschieben sich die inhaltlichen Schwerpunkte der Tourismuspolitik spürbar.

Mit der mit der neuen Strategie einhergehenden tourismuspolitischen Fokussierung sowie der ausgeprägten Projekt- und Prozessorientierung verändert sich auch die Arbeitsweise des Ressorts Tourismuspolitik im Seco markant. Insgesamt wird die Tourismuspolitik des Bundes mit der neuen Strategie flexibler, dynamischer sowie aktions- und reaktionsfähiger.

  1. Neueste Zahlen unter dem Stichwort Tourismus auf Bfs.admin.ch abrufbar[]
  2. Neue Tourismusstrategie des Bundes, Medienmitteilung vom 15. November 2017. []
  3. Siehe Tourismusforumschweiz.ch[]

Zitiervorschlag: Grob, Ueli; Kämpf, Richard (2018). Tourismuspolitik des Bundes gewinnt an Schlagkraft. Die Volkswirtschaft, 26. Februar.