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Eng verbunden: Budgetplanung des Bundes und BIP-Prognosen

Bei der Berechnung des Bundesbudgets stützt sich die Eidgenössische Finanzverwaltung auf die BIP-Prognosen. Je präziser diese sind, desto treffsicherer fällt das Budget aus.
Die Höhe des privaten Konsums spiegelt sich in den Mehrwertsteuereinnahmen. (Bild: Keystone)

Das Bundesbudget ist ein zentrales Planungsinstrument des Bundesrates. Der Voranschlag mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan zeigt auf, welche öffentlichen Güter und Dienstleistungen der Bund bereitstellt, welche Massnahmen er für die Erreichung seiner Verteilungs- und Stabilisierungsziele ergreift und welche Ressourcen ihm dafür zur Verfügung stehen. Eine entscheidende Rolle für die Budgetierung spielt das wirtschaftliche Umfeld.

Damit die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) ein möglichst präzises Budget erstellen kann, muss sie über ein detailliertes Bild der aktuellen und künftigen Verfassung der Wirtschaft verfügen. Wichtige Arbeitsinstrumente sind dabei die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung sowie die Konjunkturprognosen der Expertengruppe des Bundes. Auf Basis dieser Werte analysiert die Eidgenössische Finanzverwaltung die Haushaltslage und passt die Finanzpolitik entsprechend an.

Zu Beginn des Budget- und Finanzplanungsprozesses werden die volkswirtschaftlichen Referenzgrössen für das Budgetjahr und die drei folgenden Finanzplanjahre festgelegt. Dazu werden die entsprechenden Prognosen der Expertengruppe übernommen und für die Finanzplanjahre ergänzt. Neben den Prognosen zum realen Wirtschaftswachstum umfassen sie auch Arbeitsmarktprognosen wie Lohnentwicklung und Arbeitslosenquote sowie Annahmen zum monetären Umfeld wie Zinsen, Inflation und Wechselkurse. Die EFV stellt dadurch sicher, dass die unterschiedlichen Ämter der Bundesverwaltung auf einer einheitlichen und konsistenten Grundlage budgetieren.

Einnahmen: BIP als zentrale Grösse


Für die Schätzung der Einnahmen ist das makroökonomische Referenzszenario, welches sich aus den Prognosen ergibt, von grosser Relevanz. Je genauer die Wirtschaftsprognose ausfällt, umso kleiner sind auch die Budgetabweichungen bei den Einnahmen (siehe Abbildung 1).

Abb. 1: Prognosefehler bei den ordentlichen Bundeseinnahmen und dem nominalen BIP (2000–2016)




Anmerkung: Die Abbildung zeigt, wie stark die Güte der Einnahmenschätzungen von den Wirtschaftsprognosen abhängt. Auf der y-Achse sind die Prognosefehler bei den ordentlichen Einnahmen des Bundes dargestellt. Auf der x-Achse sind die Abweichungen zwischen dem prognostizierten nominalen BIP gemäss Budget und dem tatsächlich realisierten nominalen BIP gemäss den vorläufigen Schätzungen des Seco abgetragen. Die Punkte entsprechen den Jahreswerten von 2000 bis 2016.


Quelle: EFV, Seco, Berechnungen Martínez (y = 1.1854x, R² = 0.5035) / Die Volkswirtschaft


Da die Einnahmenentwicklung meist ausserhalb des Einflussbereiches von Bundesrat und Verwaltung liegt, wird für die Schätzungen auf Modelle zurückgegriffen, welche die Einnahmenentwicklung in Abhängigkeit von exogenen Einflussgrössen beschreiben. Beispielsweise fliessen die Prognosen zum nominalen Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) unmittelbar in die Schätzung der Mehrwertsteuereinnahmen ein, da zwischen der Veränderung des BIP und jener der Mehrwertsteuereinnahmen ein enger Zusammenhang besteht. So stellt der private Konsum sowohl für die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer als auch für das BIP die wichtigste Bestimmungskomponente dar. Ökonometrische Schätzungen zeigen, dass die kurzfristige Elastizität der Mehrwertsteuerforderungen in Bezug auf das BIP sehr nahe bei 1 liegt. Mit anderen Worten: In der Vergangenheit führte ein BIP-Wachstum von 1 Prozent zu einer gleich hohen Expansion der Mehrwertsteuerforderungen.

Auch bei der direkten Bundessteuer – neben der Mehrwertsteuer die ergiebigste Fiskaleinnahme des Bundes – wäre eine Budgetierung ohne Prognosen zu einzelnen makroökonomischen Variablen undenkbar. Neben dem Wirtschaftswachstum (Unternehmensgewinnsteuern) werden für die Schätzung beispielsweise die Inflation («kalte Progression») sowie die erwartete Entwicklung der Haushaltseinkommen (Einkommenssteuer) berücksichtigt.

Die BIP-Prognosen fliessen nicht nur in die Schätzung der einzelnen Steuern ein, sondern werden auch für die Plausibilisierung der aggregierten Einnahmenschätzungen verwendet. Ähnlich wie die Mehrwertsteuereinnahmen sind auch die gesamten ordentlichen Einnahmen des Bundes eng mit der nominalen Wertschöpfung verknüpft (siehe Abbildung 2).

Dieser Zusammenhang wird noch deutlicher, wenn die entsprechenden Einnahmen um Strukturbrüche wie beispielsweise Mehr- oder Mindereinnahmen aus Steuerreformen bereinigt werden. Auf diese Weise wird bei der Budgetierung die erwartete Einnahmenentwicklung mit dem BIP verglichen und überprüft, ob die langfristig beobachtete Aufkommenselastizität der Bundeseinnahmen auch in den Budget- und Finanzplanjahren eingehalten wird.

Abb. 2: Entwicklung der ordentlichen Bundeseinnahmen im Vergleich zum BIP (1990–2016)




Quelle: EFV, BFS / Die Volkswirtschaft

Schuldenbremse erhöht Wichtigkeit der Prognosen


Mit Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2003 haben BIP-Prognosen im Budgetprozess zusätzlich an Bedeutung gewonnen. Die Schuldenbremse verlangt, dass sich die Einnahmen und Ausgaben des Bundes über einen Konjunkturzyklus hinweg ausgleichen: In guten Zeiten sollen Budgetüberschüsse erzielt und in schlechten Zeiten Defizite zugelassen werden. Entsprechend muss die aktuelle Wirtschaftslage in der Budgetierung berücksichtigt und in Relation gesetzt werden zu ihrem langfristigen Potenzial, das nicht beobachtbar ist.

Als Mass für die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung dient das preisbereinigte BIP. Anhand eines statistischen Filters[1] wird daraus die nicht beobachtbare stetige Entwicklung, der sogenannte BIP-Trend, bestimmt. Die Budgetierung basiert dabei auf dem BIP der Vorjahre und den jüngsten Schätzungen für das aktuelle sowie den Prognosen für das Budgetjahr. Die Schätzung für das laufende Jahr erstellt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Rahmen der Quartalsschätzungen, während die Expertengruppe des Bundes wie erwähnt die BIP-Prognosen macht.

Das Kernstück der Budgetierung ist es, eine Ausgabenobergrenze festzulegen, die den strukturellen bzw. konjunkturell bereinigten Einnahmen des Bundes entspricht. Diese Bereinigung geschieht mithilfe des sogenannten Konjunkturfaktors, des Quotienten aus BIP-Trend und -Jahreswert. Vereinfacht gesagt, dürfen die Ausgaben höchstens im Umfang der erwarteten Produktionslücke von den Einnahmen abweichen.

Ausgaben: Konjunktur ebenfalls wichtig


Auf die Budgetausgaben haben makroökonomische Prognosen naturgemäss einen kleineren Einfluss als auf die Einnahmen. So sind die Ausgaben in der Regel keine exogenen Grössen, sondern das Ergebnis staatlichen Handelns. Bundesrat und Parlament legen sie als verbindliche Vorgabe fest, zum Beispiel in Form rechtlicher Erlasse oder mehrjähriger Sachplanung.

Dennoch gibt es Ausgabenbereiche, in denen Konjunkturprognosen eine Rolle spielen. So beeinflusst die Konjunkturentwicklung indirekt Ausgaben, die von den Einnahmen abhängig sind. Dazu gehören insbesondere die Anteile der Kantone und der Sozialversicherungen an den Bundeseinnahmen sowie die Rückerstattung von Lenkungsabgaben und die Einlagen in die beiden Verkehrsfonds, Bahninfrastrukturfonds und Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds. Zusammen machen diese Ausgaben immerhin rund ein Fünftel des Budgets aus.

Direkt beeinflussen die Prognosen, wie hoch der Zinsaufwand des Bundes budgetiert wird, welcher einerseits durch das Schuldenniveau und andererseits durch die Zinsentwicklung bestimmt wird. In der Regel übernimmt die EFV für das Bundesbudget sowohl die kurzfristigen als auch die langfristigen Zinsprognosen der Expertengruppe.

Eine besondere Bedeutung im Budgetprozess haben jüngst die Teuerungsannahmen erlangt. Ab dem Voranschlag 2019 wird der Bundesrat die Teuerung nur noch ausgleichen, wenn diese auch tatsächlich anfällt. Das Parlament hat im Frühjahr 2017 eine entsprechende Motion überwiesen.[2] Hintergrund des Beschlusses ist die Tatsache, dass das Preisniveau gemessen am Landesindex der Konsumentenpreise seit dem Jahr 2009 kaum mehr gestiegen ist. Gleichzeitig wurde den gesetzlich schwach gebundenen Ausgaben, welche über mehrjährige Finanzbeschlüsse gesteuert werden, jeweils eine Teuerung von rund 1 Prozent gewährt. Dadurch kam es zu einem ungeplanten realen Ausbau der staatlichen Tätigkeit, der mit entsprechenden Sparprogrammen wieder gebremst werden musste.

Abschliessend lässt sich sagen: Über die Budgetierung des Bundes hinaus bildet das BIP in der Finanzpolitik grundsätzlich eine wichtige Referenzgrösse. Auf ihm basieren die wichtigsten finanzpolitischen Kennzahlen, mit denen die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen beurteilt wird (bspw. Fiskal-, Staats- und Schuldenquote). Es ist daher aus finanzpolitischer Sicht wichtig, dass die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung die wirtschaftlichen Realitäten in der Schweiz möglichst genau abbildet.

  1. Modifizierter Hodrick-Prescott-Filter. Siehe Bruchez Pierre-Alain (2003a), A Modification of the HP Filter Aiming at Reducing the End-Point Bias, Working Paper, Eidgenössische Finanzverwaltung, ÖT/2003/3. []
  2. Motion 16.3705 des Ständerats Josef Dittli (FDP, UR). []

Zitiervorschlag: Adrian Martínez (2018). Eng verbunden: Budgetplanung des Bundes und BIP-Prognosen. Die Volkswirtschaft, 26. Februar.