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Die Wohnraumversorgung in der Schweiz ist insgesamt gut, regional bestehen jedoch Unterschiede. Anstelle neuer gesamtschweizerischer Regulierungen braucht es deshalb regional angepasste Strategien für mehr Wohnraum.
Kathrin Strunk, Volkswirtschaftliche Mitarbeiterin, Hauseigentümerverband Schweiz (HEV), Zürich

Standpunkt

In den letzten Jahren wurden in der Schweiz jährlich über 50’000 Wohnungen gebaut. Durch die hohe Zuwanderung zwischen 2008 und 2012 sind diese Wohnungen auf eine grosse Nachfrage gestossen. Seit 2013 ist die Zuwanderung jedoch deutlich zurückgegangen, die Zahl der neu gebauten Wohnungen blieb hingegen gleich hoch. Die Gründe für den Bauboom sind unter anderem das tiefe Zinsniveau und der sogenannte Anlagenotstand. Dieser führt dazu, dass Investitionen in Immobilien weiterhin attraktiv erscheinen, auch wenn die Gefahr besteht, dass einige Wohnungen leer stehen.

Der Stabilitätsindikator des Beratungsunternehmens Wüest Partner zeigt, dass sich der Mietwohnungsmarkt seit 2015 von einem Vermieter- zu einem Mietermarkt gewandelt hat, der die Verhandlungsposition der Mieter stärkt. Dies zeigt auch die Leerstandsziffer: Sie ist seit dem Jahr 2000 kontinuierlich angestiegen und betrug im Juni 2017 für die Gesamtschweiz 1,47 Prozent, was 52’000 leer stehenden Wohnungen entspricht. Laut Bundesamt für Statistik lag die Leerwohnungsziffer in den Kantonen Solothurn, Schaffhausen, Appenzell Innerrhoden, Appenzell Ausserrhoden, Aargau, Thurgau, Wallis und Jura sogar über der 2-Prozent-Marke. Auch die Zahl der auf Vermietungsportalen angebotenen Mietwohnungen hat in den letzten Jahren zugenommen: Gemäss Wüest Partner wurden 2017 pro Quartal etwa 150’000 Wohnungen angeboten. Das entspricht rund 450’000 Wohnungswechseln jährlich. Dass das Wohnangebot steigt, zeigt auch die Angebotsziffer, welche die Wohnungsinserate dem gesamten Mietwohnungsbestand gegenüberstellt. Sie beträgt heute 6,8 Prozent. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag sie noch bei 5,2 Prozent.[1]

Überangebot in den Berggebieten


Vergleicht man den Mittellandbogen mit den Berggebieten, lässt sich eine regelrechte Zweiteilung des Wohnungsmarkts feststellen. Das Bevölkerungswachstum konzentriert sich auf das Mittelland, während die Bevölkerung in den Bergen abnimmt. Die Angebotsmieten in den Tourismusgemeinden sind zwischen 2015 und 2017 um 8,6 Prozent zurückgegangen. Wüest Partner erklärt dies damit, dass nach der Abstimmung über das Zweitwohnungsgesetz die Märkte dort nicht nur mit Ferienwohnungen, sondern auch mit Mietwohnungen überflutet wurden, da viele Gemeinden den Bau von Ferienwohnungen an den Bau von Mietwohnungen für Einheimische geknüpft hatten. Infolge der Herausforderungen in der Tourismus- und Baubranche und der daraus folgenden Abwanderung stehen viele dieser Wohnungen nun leer.[2]

Anders sieht es auf dem Markt für Wohneigentum aus. Dort halten sich Nachfrage und Angebot einigermassen die Waage, obwohl die Hypothekarzinsen sehr tief sind, was Wohneigentum attraktiv macht. Doch die Preise sind sehr hoch, und die Finanzierungsregeln wurden 2014 durch die Finanzmarktaufsicht so verschärft, dass die Nachfrage nach Wohneigentum stark eingedämmt wurde. Zudem wird weniger im Eigentumssegment gebaut, der Hauptanteil neu gebauter Wohnungen entfällt auf das Mietsegment.

Regionale Strategien gesucht


Wenn man über das Wohnangebot in der Schweiz spricht, muss man zwischen den Entwicklungen in den verschiedenen Regionen unterscheiden. Neben Regionen, wo hohe Leerstände herrschen und die Vermarktungsdauer von Wohnungen deutlich zugenommen hat, ist die Nachfrage nach Wohnraum in Städten wie Genf, Basel oder Zürich unvermindert hoch. Die Herausforderung besteht also hauptsächlich darin, den vorhandenen Wohnraum besser zu nutzen. Es braucht daher keine gesamtschweizerischen Massnahmen, sondern regional angepasste Strategien.

Insbesondere in den städtischen Gebieten sollte das verdichtete Bauen vorangetrieben werden. Dazu braucht es eine Lockerung der Vorschriften in den Bauzonenordnungen wie höhere Ausnützungsziffern sowie Erleichterungen bei der Umnutzung von Büroflächen als Wohnraum. Um die Akzeptanz der baulichen Verdichtung zu erhöhen, sollte auch die Bevölkerung in die Planung einbezogen werden, und die Qualität der Bebauungen muss besser werden.

  1. Wüest Partner (2018). Immo-Monitoring 2018.1. []
  2. Wüest Partner (2018). Immo-Monitoring 2018.1: 28. []

Zitiervorschlag: Kathrin Strunk (2018). Standpunkt: Das Wohnangebot ist ausreichend. Die Volkswirtschaft, 18. Februar.