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Trotz Leerständen steigen die Mieten weiter, und die Wohnkosten von Eigentümern und Mietern driften auseinander. Dagegen hilft nur eins: mehr gemeinnütziger Wohnraum.
Michael Töngi, Generalsekretär Schweizerischer Mieterinnen- und Mieterverband, Bern

Standpunkt

Wer die Karte zur Leerwohnungsquote anschaut, sieht einen bunt gefleckten Teppich. Tatsächlich: Es stehen mehr Wohnungen leer als noch vor einigen Jahren, und es gibt sogar Gemeinden mit zweistelligen Leerwohnungsziffern. Diese liegen in Randregionen und in einem Streifen zwischen dem östlichen Aargau und dem Raum Biel. In den Städten und in den Agglomerationen hat sich wenig verändert. Hier liegt die Leerwohnungsquote bei einem halben Prozent, und viele leer stehende Wohnungen sind im Hochpreissegment. Eine echte Auswahl sieht anders aus.

Sucht jemand aktuell eine neue Wohnung, so muss er mit einem massiv höheren Mietzins rechnen. Die Preisentwicklung der letzten Jahre ist beunruhigend. Laut dem Beratungsunternehmen Wüest Partner sind die Angebotspreise seit dem Jahr 2000 um 50 Prozent gestiegen. Und auch der Gesamtdurchschnitt aller Mieten steigt weiter an. Alleine seit 2008 beträgt der Anstieg 12 Prozent, auch wenn sich in der gleichen Zeit die Hypothekarzinsen halbiert haben und der Referenzzins acht Mal gesunken ist. Hätten sich die Mieten nach den Regeln des Mietrechts entwickelt, so müssten sie heute rund 20 Prozent tiefer liegen als noch vor zehn Jahren.

Renditegetriebener Markt

Dieser Missstand ist die Folge eines Wohnungsmarktes, der immer mehr Rendite hergeben muss. Denn Pensionskassen und Versicherungen müssen Gewinne vorweisen, und auch Kleinanleger wollen von den lukrativen Renditen profitieren. Wüest Partner geht für 2016 von einer Rendite im Mietwohnungsmarkt von 6,4 Prozent aus. Der Immobiliendienstleister Iazi rechnet mit 5,6 Prozent. Und die Credit Suisse schrieb diesen März: «In Anbetracht der hohen Renditedifferenzen zu anderen Kapitalanlagen gibt es für die Anleger kaum Alternativen.»[1]

Wer es sich leisten konnte, hat in den letzten Jahren Wohneigentum gekauft. Dafür wurden zum Teil hohe Preise bezahlt, doch unterm Strich lohnte es sich: Dank Tiefstzinsen geben Eigentümer fürs Wohnen heute viel weniger aus als noch vor zehn Jahren. Wer das nötige Kapital zum Kauf von Wohneigentum hingegen nicht auf der Seite hat, der muss weiter mieten. Davon betroffen sind insbesondere Personen mit kleinen Einkommen. Sie zahlen heute mehr und haben nichts von den tiefen Zinsen.

Das Orakeln über die weitere Entwicklung bringt nichts. Die Zuwanderung und die Bauentwicklung können zunehmen oder zurückgehen, und auch eine Veränderung der wirtschaftlichen Situation wirkt sich auf die Wohnbedürfnisse aus. Klar ist: Der Wohnungsmarkt ist schon immer Zyklen gefolgt – Verschärfungen wie auch Entspannungen der Situation gehören dazu. Daraus kann und soll man keine kurzfristigen Schlüsse ziehen.

Das Rezept gegen die Auswüchse eines renditegetriebenen Mietwohnungsmarktes ist zwar einfach: Es braucht mehr gemeinnützige Wohnungen, die dem Renditemarkt entzogen sind und ein Gegengewicht schaffen. Nur mit einem guten Anteil an gemeinnützigen Wohnungen können wir unabhängig vom Konjunkturverlauf preisgünstige Wohnungen bereitstellen. Doch das ist schwierig durchzusetzen, denn die Hürden dafür sind hoch: exorbitante Land- und Liegenschaftspreise, der Bund, der sich zu wenig engagiert, und Stolpersteine in Gemeinden wie fehlende raumplanerische Instrumente oder eine schwierige Partnersuche für grössere Projekte.

Natürlich werden uns ein paar Schlaumeier weismachen wollen, man müsse nur mehr Markt zulassen – sprich: die letzten mietrechtlichen Vorgaben abschaffen –, und alle Probleme wären gelöst. Sollten durchmischte Städte und die Verhinderung von Ghettobildungen auch in Ihrem Sinne sein, so rate ich von diesem Experiment ab.

  1. Siehe Credit Suisse (2017). Schweizer Immobilienmarkt 2017[]

Zitiervorschlag: Michael Töngi (2018). Standpunkt: Mieten stabilisieren!. Die Volkswirtschaft, 18. Februar.