Diskussion unter Regierungsmitgliedern von ressourcenschwachen Kantonen: Barbara Egger-Jenzer (Bern, v. l.), David Eray (Jura) und Jacques Melly (Wallis). (Bild: Keystone)
Die Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung (NFA) hat den Schweizer Föderalismus massgeblich gestärkt. Ein Kernstück des 2008 in Kraft getretenen Reformvorhabens ist der vom Bund und von den ressourcenstarken Kantonen gemeinsam finanzierte Ressourcenausgleich: Er soll die Finanzautonomie der Kantone erhöhen und die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit sowie in der Steuerbelastung abbauen. Dabei sollen die Kantone steuerlich wettbewerbsfähig bleiben und eine minimale Ausstattung an finanziellen Ressourcen erhalten. Ein weiterer Pfeiler der NFA ist der Lastenausgleich, der vom Bund finanziert wird: Übermässige finanzielle Lasten der Kantone werden damit aufgrund von geografisch-topografischen beziehungsweise soziodemografischen Faktoren kompensiert. Ein drittes Finanzausgleichsgefäss ist der zeitlich befristete Härteausgleich.
Nebst dem Finanzausgleich im engeren Sinne beinhaltet die NFA eine Neugestaltung der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen. Mit der Reform wurden bisher gemeinsam wahrgenommene Aufgaben entflochten und zahlreiche Aufgaben entweder der vollumfänglichen Verantwortung des Bundes oder der Kantone zugeordnet. Dabei waren die Prinzipien der Subsidiarität und der fiskalischen Äquivalenz massgebend.
Gemäss dem Subsidiaritätsprinzip soll die übergeordnete Gebietskörperschaft eine Aufgabe nur dann übernehmen, wenn sie dies nachweislich besser, d. h. mit tieferen Kosten und/oder höherer Qualität erfüllen kann als die untergeordnete Staatsebene. Das Prinzip der fiskalischen Äquivalenz drückt aus, dass sich im Rahmen einer staatlichen Aufgabe der Kreis der Nutzniesser mit demjenigen der Kosten- und Entscheidträger decken muss. Für diese Prinzipien wurde ein Kriterienkatalog aufgestellt, der im Botschafts- und Gesetzgebungsleitfaden des Bundes aufgeführt ist und dafür sorgen soll, dass beim Entwerfen von neuen Gesetzen bzw. von Gesetzesanpassungen den beiden Prinzipien Rechnung getragen wird. Beide Prinzipien wurden mit der NFA in die Bundesverfassung aufgenommen.
Bund gibt strategische Ziele vor
Trotz Entflechtungen verbleibt eine grössere Anzahl von Aufgaben im gemeinsamen Verantwortungsbereich von Bund und Kantonen, die sie auch gemeinsam finanzieren. Die meisten dieser Verbundaufgaben werden neu mit sogenannten Programmvereinbarungen gesteuert. Eine zentrale Neuerung ist dabei die Outputsteuerung, welche die Inputsteuerung ablöst: Statt an den effektiven Kosten orientiert sich der Bundesbeitrag am Grad der Zielerreichung. Die strategischen Ziele definiert der Bund im Rahmen einer für vier Jahre abgeschlossenen Programmvereinbarung. Den Kantonen belässt er dabei einen genügend grossen operativen Spielraum für die Umsetzung.
Neben diesen Programmvereinbarungen umfasst die Zusammenarbeit zwischen Bund und Kantonen – bereits zur Zeit vor der NFA – den sogenannten Vollzugsföderalismus. Mit anderen Worten: Die Kantone sind zuständig für den Vollzug des Bundesrechts. Ohne dieses Element müsste der Bund eigene Strukturen in den Kantonen etablieren. Dies würde Doppelspurigkeiten schaffen und Mehrkosten generieren. Mit dem Vollzugsföderalismus kann der Bund auf die Institutionen und Strukturen der Kantone abstellen.
Programmvereinbarungen und Vollzugsföderalismus stehen dabei in einem gewissen Spannungsverhältnis: Bei den Programmvereinbarungen steht die partnerschaftliche Aufgabenerfüllung im Vordergrund, bei der sich der Bund entsprechend finanziell beteiligt, während im Rahmen des Vollzugsföderalismus die Kantone unentgeltlich das Bundesrecht zu vollziehen haben.
Mit der NFA wurde auch die interkantonale Zusammenarbeit gestärkt. Damit können die Kantone unter anderem Grössenvorteile besser ausschöpfen und eine gegenseitige Abgeltung von unerwünschten räumlichen externen Effekten («Spillover») regeln. Seit 2008 hat sich die interkantonale Zusammenarbeit merklich verstärkt – insbesondere bei den Hochschulen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Finanzföderalismus ist von der Zusammenarbeit, aber auch vom Wettbewerb zwischen den Gebietskörperschaften – insbesondere im Steuerbereich – geprägt. Damit der Wettbewerb auf die Dauer funktionieren kann, ist ein finanzieller Ausgleich zwischen den starken und schwachen Gliedern notwendig. Aus diesem Grund ist der Finanzausgleich auf nationaler Ebene ein Kernelement des Finanzföderalismus.
NFA ist auf Kurs
Alle vier Jahre evaluiert der Bundesrat in einem Bericht die Wirksamkeit des nationalen Finanzausgleichs und der horizontalen Zusammenarbeit. Nebst der Zielerreichung prüft er die Funktionsweise der NFA und formuliert Vorschläge für die Dotation der einzelnen Gefässe sowie für allfällige Gesetzesanpassungen. Den jüngsten Wirksamkeitsbericht zur Periode 2016 bis 2019 schickte der Bundesrat am 9. März in die Vernehmlassung. Das Parlament wird voraussichtlich in der ersten Hälfte 2019 darüber befinden.
Wie der inzwischen dritte Wirksamkeitsbericht zeigt, wurden die gesetzlichen Ziele des Finanzausgleichs grösstenteils erfüllt: Die kantonale Finanzautonomie wurde gestärkt, und die Disparitäten in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone nahmen ab. Weiter blieb die steuerliche Wettbewerbsfähigkeit im nationalen und internationalen Verhältnis erhalten, übermässige finanzielle Lasten der Kantone aufgrund ihrer geografisch-topografischen Lage oder ihrer soziodemografischen Bedingungen wurden reduziert, und ein angemessener interkantonaler Lastenausgleich ist gewährleistet. Einzig bei der Steuerbelastung wurde das Ziel nicht erreicht: Die Unterschiede zwischen den Kantonen haben seit Einführung der NFA leicht zugenommen.
Ressourcenausgleich: Ziel übertroffen
Der Ressourcenausgleich strebt an, dass der ressourcenschwächste Kanton finanzielle Ressourcen von 85 Prozent des schweizerischen Durchschnitts erreicht. Dieses Ziel wurde mehr als erfüllt: Mit 88,3 Prozent für das Jahr 2018 liegt der derzeit ressourcenschwächste Kanton Jura deutlich über der Vorgabe. In Franken ausgedrückt, bedeutet dies, dass 937 Millionen mehr im System sind, als notwendig wären (siehe Abbildung 1). Dieser Betrag wird durch den Bund (knapp 60 Prozent) und die sieben ressourcenstarken Kantone Zürich, Zug, Genf, Schwyz, Basel-Stadt sowie Ob- und Nidwalden finanziert (siehe Abbildung 2).
Abb. 1: Ressourcenausgleich: Abweichung vom Mindestausstattungsziel von 85 Prozent (2008–2018)
Quelle: EFV / Die Volkswirtschaft
Abb. 2: Ressourcenindex der Kantone (2018; Durchschnitt = 100)
Anmerkung: Kantone mit einem Ressourcenindex von <100 sind ressourcenschwach. Sie erhalten Zahlungen aus dem Ressourcenausgleich. Demgegenüber müssen die ressourcenstarken Kantone (>100) einzahlen.
Eine zu tiefe Dotation bestand letztmals in den Jahren 2010 und 2011. Seither geht der Trend in die andere Richtung. Angesichts einer Überdotation von durchschnittlich 330 Millionen Franken schlug der Bundesrat im Jahr 2013 vor, die Dotation um diesen Betrag zu reduzieren. Nach intensiven Debatten einigte sich das Parlament auf eine Reduktion um 165 Millionen. Trotz dieser Kürzung nahm die Überdotation seither noch einmal stark zu, was auf einen politischen Handlungsbedarf hinweist.
Die Ursache für die Abweichungen ist ein Automatismus in der Berechnungsmethode, welcher die Dotation erhöht, auch wenn sich die Unterschiede in der finanziellen Leistungsfähigkeit der Kantone verringern: Im heutigen System legt das Parlament die Dotationshöhe alle vier Jahre fest. Da die Dotation innerhalb der folgenden vier Jahre mit einer Wachstumsrate des Ressourcenpotenzials fortgeschrieben wird, führt dies dazu, dass der ressourcenschwächste Kanton nie genau 85 Prozent des schweizerischen Mittels erreicht, sondern entweder darüber- oder darunterliegt.
Kompromissvorschlag der Kantone
Im Jahr 2019 wird das Parlament die Dotation erneut festlegen. Im Hinblick auf die bevorstehende Debatte hat eine Arbeitsgruppe im Auftrag der Konferenz der Kantonsregierungen (KDK) einen Lösungsvorschlag ausgearbeitet. Dieser sieht vor, dass die Mindestausstattung in Zukunft bei 86,5 Prozent fixiert werden soll: Damit erreicht der ressourcenschwächste Kanton in jedem Jahr genau 86,5 Prozent des nationalen Mittels. Auf Basis der Zahlen 2018 würde der Bund um 280 Millionen Franken und die ressourcenstarken Kantone um 227 Millionen Franken entlastet. Mit der garantierten Mindestausstattung kommt es somit zu einem Systemwechsel im Ressourcenausgleich: Statt über die Höhe der Dotation erfolgt die politische Steuerung über die Höhe der garantierten Mindestausstattung von 86,5 Prozent. Die Auszahlung erfolgt dabei weiterhin progressiv, das bedeutet, dass die Mittel hauptsächlich den ressourcenschwächsten Kantonen zugutekommen. Der Bundesrat schlägt im Wirksamkeitsbericht eine gegenüber der KDK leicht modifizierte Variante vor, um die Volatilität der Ausgleichszahlungen zu reduzieren.
Ein oft kritisiertes Problem vermag jedoch auch eine garantierte Mindestausstattung nicht zu lösen: Für die ressourcenschwächsten Kantone besteht weiterhin wenig Anreiz, sich zu verbessern, da bei einem Anstieg des Ressourcenindex die Ausgleichszahlungen stark zurückgehen. Steuersenkungen rechnen sich für diese Kantone kaum. Es besteht somit ein Zielkonflikt: Je effizienter die Mittel auf die schwächsten Kantone verteilt werden, desto geringer ist der Anreiz dieser Kantone, sich zu verbessern. Insbesondere bei den Unternehmensgewinnen ist der Anreizeffekt besonders schwach, da hier die Steuersätze normalerweise deutlich tiefer sind als bei den natürlichen Personen.
In der Praxis zeigt sich aber, dass verschiedene Kantone trotz fehlender Anreize in den vergangenen Jahren die Steuerbelastung teilweise deutlich verringert haben. Eine weitere Entspannung bringt die Steuervorlage 17, welche vorsieht, dass die Gewinne von juristischen Personen reduziert in das Ressourcenpotenzial einfliessen. Damit wird es für alle Kantone wieder attraktiver, neue Firmen anzusiedeln.
Zitiervorschlag: Utz, Pascal (2018). Finanzausgleich: Anpassungen sind nötig. Die Volkswirtschaft, 24. Mai.