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Bund fördert Wirtschaft in «funktionalen Räumen»

Wirtschaftsräume gehen häufig über die Kantonsgrenzen hinaus. Eine effiziente Wirtschaftsentwicklung fokussiert deshalb – statt auf Kantone und Gemeinden – auf sogenannte funktionale Räume.
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Das Mattertal setzt auf nachhaltigen Tourismus: Hängebrücke in Randa VS. (Bild: Keystone)

Für Arbeit, Ausbildung und Freizeitaktivitäten bewegen wir uns in immer grösseren Räumen. Dazu beigetragen haben verbesserte Verkehrsangebote, die Digitalisierung und der gesellschaftliche Wandel. Dank Telearbeit ist es beispielsweise möglich, für eine weiter entfernte Firma tätig zu sein. Demgegenüber haben sich die institutionellen Grenzen in den letzten Jahren wenig weiterentwickelt. So haben sich Kantonsfusionen bisher als nicht mehrheitsfähig erwiesen, und Gemeindefusionen wurden nur in einzelnen Kantonen – wie beispielsweise im Kanton Glarus – grossflächig vorgenommen.

Wenn politische Räume und Beziehungsräume nicht mehr übereinstimmen, entstehen «funktionale Räume», die Grenzen überschreiten. Sie umfassen jeweils ein oder mehrere Zentren und deren Peripherie. Je nach Themenfeld ändert sich die Raumgrösse. So sind Einzugsgebiete von Universitäten und Spitälern zum Beispiel nicht deckungsgleich.

In funktionalen Räumen ergänzen sich Zentren und ländliche Räume. Städtische Räume bringen Dichtevorteile: Sie sind oft Innovationshubs und Sitz von Unternehmenszentralen, haben aber auch entsprechende Nachteile wie etwa Verkehrsüberlastungen oder Platzmangel. Demgegenüber können sich ländliche Räume für spezialisierte kleine und mittlere Unternehmen (KMU) eignen und spielen eine wichtige Rolle für die Naherholung, den Tourismus, die Nahrungsproduktion und den Landschaftsschutz. Sie sind jedoch oft schlechter erreichbar und wirtschaftlich insgesamt weniger attraktiv. Da Stadt und Land heute nicht mehr klar getrennt sind, gehen ländliche und städtische Räume ineinander über.

Ein «Raumkonzept» für die Schweiz


Bund, Kantone, Städte und Gemeinden sind sich einig: Funktionale Räume stellen eine wichtige Ergänzung unseres föderalistischen Staatssystems dar. Viele Aufgaben erfolgen sinnvoller und effizienter in funktionalen Räumen als beschränkt auf eine Gemeinde oder einen Kanton. Entsprechend empfiehlt das «Raumkonzept Schweiz», welches im Jahr 2012 von den drei Staatsebenen und den Städten verabschiedet wurde, vermehrt in funktionalen Räumen zu handeln.[1]

Die verschiedenen Ebenen nutzen das Raumkonzept heute in der Planung ihrer raumrelevanten Sektoralpolitiken. Vielerorts entstanden regionale Raumkonzepte auf kleinerer Massstabsebene. Etliche Kantone organisieren Standortpromotionsaktivitäten in funktionalen Räumen, wie etwa die Greater Zurich Area. Beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) ist das Raumkonzept insbesondere für die Regionalpolitik eine wichtige Orientierungshilfe.

Auch verwaltungsexterne Akteure sehen die Wichtigkeit der funktionalen Räume. So empfahl die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem Territorialexamen Schweiz bereits im Jahr 2011, vermehrt in funktionalen Räumen zu denken, und der liberale Thinktank Avenir Suisse macht in seinem letztjährigen Bericht zum Strukturwandel in Berggebieten auf die funktionalen Räume der einzelnen Talschaften aufmerksam.[2]

Funktionale Räume haben diverse Vorteile: Durch Zusammenarbeiten über Grenzen hinweg werden Synergien genutzt, und es können oft effizientere Gesamtlösungen gefunden werden. Dank der Zusammenarbeit mit Nachbarn kann jede Region ihre eigenen Stärken ausspielen und von Leistungen der Nachbarn profitieren. Oft wird erst dank Räumen, die politische Grenzen überschreiten, eine kritische Grösse erreicht, die Massnahmen in Wirtschaft, Bildung oder Verkehr umsetzbar machen.

Denken und Handeln in funktionalen Räumen ist jedoch auch mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. So verfügen funktionale Räume normalerweise weder über eine administrative Struktur noch über Ressourcen, was ihre Handlungsmöglichkeiten beschränkt. Auch besteht bei Entscheiden in funktionalen Räumen ein gewisses «Demokratiedefizit», da diese Räume keine eigene Parlamentsstufe haben. Zum Teil existieren grenzüberschreitende parlamentarische Kommissionen. Demgegenüber ist es häufig einfacher, eine gemeinde- oder kantonsweite Lösung umzusetzen, weil die staatlichen Entscheidungsträger in institutionellen Räumen verankert sind.

Effiziente Wirtschaftsentwicklung


Für die Wirtschaftsentwicklung sind funktionale Räume zentral. Wachstums- und Innovationsmotoren sind dabei oft die Zentren: In einem kleinen funktionalen Raum wie in einer Talschaft kann dies ein Dorf oder eine kleinere Stadt sein, in einem grossen funktionalen Raum ist es meist eine grössere Stadt. Da die Potenziale der verschiedenen Akteure sich ergänzen und so optimal genutzt werden können, ist die Wirtschaftsentwicklung in funktionalen Räumen effizient. Sie hat aber auch viele Hürden vor sich, stehen doch die einzelnen Regionen auch in gegenseitiger Konkurrenz und haben aufgrund der Steuereinnahmen Interesse daran, Wirtschaftswachstum vor allem innerhalb der eigenen Gemeinde- oder Kantonsgrenze zu erwirtschaften.

Damit wirtschaftliche Entwicklung vermehrt in funktionalen Räumen erfolgt, setzt die Standortförderung des Seco unter anderem auf staatliche Anreize: Mit der Neuen Regionalpolitik (NRP) unterstützen Bund und Kantone kantonsübergreifende und Landesgrenzen überschreitende Programme und Projekte.[3] Ein Beispiel ist die Innovationsförderung, welche vom Bund primär in funktionalen Räumen, in sogenannten Regionalen Innovationssystemen (RIS), unterstützt wird. RIS sind Wirtschaftsräume, in welchen Unternehmen, Hochschulen und Innovationsförderung vernetzt sind und sich so innovativ und effizient weiterentwickeln können. Bund und Kantone verstärken etwa mit Vernetzungsanlässen oder Coachings die Dynamik der innovativen Wirtschaftsentwicklung.

Im Tourismus fördert das Seco mit dem «Innotour»-Programm die Innovation, die Zusammenarbeit und den Wissensaufbau auch über die Kantonsgrenzen hinweg (siehe Kasten)[4]. Die Steuererleichterungen der Regionalpolitik des Bundes wiederum fokussieren auf regionale Zentren und sind somit ebenfalls auf funktionale Räume ausgerichtet.

Viele Impulse setzt das Seco gemeinsam mit anderen Bundesstellen. So fördert der Bund mit den «Modellvorhaben nachhaltige Raumentwicklung» innovative, themenübergreifende Ansätze – einige davon spezifisch zur Wirtschaftsentwicklung in funktionalen Räumen. Eine weitere ämterübergreifende Massnahme ist das Pilotprogramm «Handlungsräume Wirtschaft». Es basiert auf dem eingangs erwähnten Raumkonzept Schweiz.

Abschliessend lässt sich sagen: Die effiziente Wirtschaftsentwicklung in funktionalen Räumen ergänzt die Entwicklung innerhalb institutioneller Räume. Damit die administrativen Grenzen überwunden werden können, wird das Seco gemeinsam mit den Kantonen auch künftig entsprechende Projekte besonders fördern.

  1. Siehe Bundesrat et al. (2012). []
  2. OECD (2011) und Avenir Suisse (2017). []
  3. Siehe www.regiosuisse.ch []
  4. Siehe www.seco.admin.ch/innotour []

Literaturverzeichnis

  • Avenir Suisse (2017). Strukturwandel im Schweizer Berggebiet.
  • Bundesrat, KdK, BPUK, SSV, SGV (2012). Raumkonzept Schweiz.
  • OECD (2011). OECD Territorialexamen: Schweiz 2011.

Bibliographie

  • Avenir Suisse (2017). Strukturwandel im Schweizer Berggebiet.
  • Bundesrat, KdK, BPUK, SSV, SGV (2012). Raumkonzept Schweiz.
  • OECD (2011). OECD Territorialexamen: Schweiz 2011.

Zitiervorschlag: Kollbrunner, Sabine (2018). Bund fördert Wirtschaft in «funktionalen Räumen». Die Volkswirtschaft, 24. Mai.

Vom Seco unterstützte Projekte: Drei Beispiele

Im Modellvorhaben Nachhaltige Geotourismusregion Mattertal haben die Gemeinden des Mattertals neue touristische Angebote wie etwa Alpaufzüge oder Besichtigungen von Suonen lanciert, um Touristen zum Verweilen im Zugangstal nach Zermatt zu ermuntern.

Dank der über Innotour unterstützten kantonsübergreifenden Destinationsentwicklung Entwicklungsplattform Luzern-Vierwaldstädtersee kann sich die Zentralschweizer Tourismusregion international besser positionieren und Kräfte bündeln: Luzern und das Bürgenstock-Resort dienen dabei als Tourismusmagnete.

Mit dem Projekt Präsenzwirtschaft im Jurabogen («Economie résidentielle») des Pilotprogramms «Handlungsräume Wirtschaft» soll die Wirtschaftsleistung vermehrt in der Region gehalten werden – beispielsweise über Dienstleistungen, die für die Personen, die in der Region leben und arbeiten, angeboten werden («Präsenzwirtschaft»), oder über regionale Produkte und Co-Working-Spaces.