Schulbeginn am Gymnasium Kirschgarten in Basel. Nach der Matura studieren viele Gymnasiasten an einer Hochschule. (Bild: Keystone)
Vor der Modernisierung der Erhebungen im Bildungsbereich und der Einführung der 13-stelligen AHV-Nummer war das Wissen über die Bildungsverläufe in der Schweiz nur bruchstückhaft vorhanden. Es beschränkte sich häufig auf wenige Kantone oder beruhte auf begrenzten Stichproben. Beispielsweise war nicht genau bekannt, wie viele Menschen keine nachobligatorische Ausbildung absolvieren – obwohl dies sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ein strategischer Indikator ist. Das Programm «Längsschnittanalysen im Bildungsbereich» (Labb) des Bundesamtes für Statistik (BFS) ermöglicht nun eine kontinuierliche, detaillierte Nachverfolgung der Bildungsverläufe nach der obligatorischen Schule und liefert damit wertvolle Informationen für die politischen Entscheidungsträger (siehe Kasten).
Im Jahr 2015 lag die Quote der Erstabschlüsse auf der Sekundarstufe II bis zum 25. Altersjahr bei 90,9 Prozent – und befand sich damit etwa 10 Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt. Bei den Erstabschlüssen handelte es sich hauptsächlich um eidgenössische Berufsatteste (EBA), eidgenössische Fähigkeitszeugnisse (EFZ), Fachmittelschulausweise sowie gymnasiale Maturitäten. Umgekehrt verfügten 9,1 Prozent der Jugendlichen in der Schweiz lediglich über einen obligatorischen Schulabschluss. Da sie ohne zusätzlichen Abschluss ins Erwerbsleben eintreten, erfüllen sie die Mindestanforderungen für eine nachhaltige und erfolgreiche Integration in die Wirtschaft und die Gesellschaft des Landes nicht. Das politische Ziel ist eine Quote von 95 Prozent.
Die Abschlussquote der Frauen (93%) liegt 4 Prozentpunkte höher als jene der Männer (siehe Abbildung 1). Grosse Unterschiede bestehen auch je nach Migrationsstatus. Während sich die Abschlussquote der im Inland geborenen Schweizer auf 94 Prozent beläuft, liegt sie bei den in der Schweiz geborenen Ausländern 8 Prozentpunkte tiefer.
Betrachtet man die Abschlussquoten nach Wohnbezirk, sticht nebst der räumlichen Komplexität des Indikators eine starke Stadt-Land-Dynamik ins Auge (siehe Abbildung 2). So sind die Quoten in den Bezirken mit den Zentren Lausanne, Genf, Basel, Luzern, Lugano, Zürich und Biel mit Werten zwischen 80 und 87 Prozent relativ tief.
Abb. 1: Erstabschluss-Quote auf Sekundarstufe II bis zum 25. Altersjahr (nach Geschlecht, Migrationsstatus und Sprachregion; 2015)
Quelle: BFS / Die Volkswirtschaft
Abb. 2: Erstabschluss-Quote auf Sekundarstufe II bis zum 25. Altersjahr (nach Wohnbezirk; 2015)
Anmerkung: Die Quoten von Bezirken mit weniger als 200 Abschlüssen innerhalb von drei Jahren sind nicht angegeben, da die Werte von Jahr zu Jahr stark variieren können.
Unterschiede akzentuieren sich mit der Zeit
Die Analyse der Übergänge nach der obligatorischen Schule sowie der Bildungsverläufe auf Sekundarstufe II zeigt, dass die Unterschiede zwischen den Personengruppen im Zeitverlauf grösser werden. Auch zwischen der West- und der Deutschschweiz gibt es Differenzen. So treten in der Westschweiz – innerhalb von zwei Jahren – weniger Jugendliche in die Sekundarstufe II ein (92%) als in der Deutschschweiz (95%).[1]
Die Analyse der Verläufe auf Sekundarstufe II zeigt zweierlei.[2] Erstens vergrössern sich die Unterschiede, die zum Zeitpunkt des obligatorischen Schulabschlusses vorliegen, bei allen analysierten Aspekten. Zweitens variieren die Erfolgsquoten beim Abschluss der Sekundarstufe II stärker, wenn nur die gradlinigen Bildungsverläufe betrachtet werden. Beispielsweise erlangen Jugendliche mit Schweizer Staatsangehörigkeit nicht nur häufiger, sondern auch schneller einen Abschluss auf Sekundarstufe II.
Integration in den Arbeitsmarkt
Ein weiterer Bereich, der bisher auf nationaler Ebene kaum näher untersucht wurde, betrifft die Übergänge nach dem Erwerb eines Abschlusses auf Sekundarstufe II. In einer neuen BFS-Studie wird ersichtlich, dass Jugendliche mit Maturitätsabschluss (gymnasiale, Berufs- oder Fachmaturität) ihre Ausbildung sehr häufig auf Tertiärstufe fortsetzen.[3] Sie zeigt auch, dass sich Personen mit beruflicher Grundbildung sehr gut in den Arbeitsmarkt integrieren. So finden 85 Prozent der Personen mit einem eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) innerhalb von drei Monaten nach ihrem Abschluss eine erste Anstellung, und 46 Prozent bleiben in ihrem Lehrbetrieb. Allerdings dauert die erste Anstellung für nahezu die Hälfte dieser Jugendlichen weniger als ein Jahr. Gemäss der Studie waren 19 Prozent innerhalb der 30 Monate nach dem Erwerb ihres Abschlusses mindestens einmal als erwerbslos registriert und hatten demzufolge Schwierigkeiten bei der beruflichen Eingliederung. Besonders ausgeprägt ist dieses Phänomen in der italienischsprachigen (38%) und der französischsprachigen Schweiz (28%) – während der Anteil in der Deutschschweiz (17%) deutlich geringer ist. In den meisten Fällen handelt es sich um eine kurzfristige Arbeitslosigkeit von insgesamt maximal einem halben Jahr.
Ein weiterer Aspekt, der in der Schweiz bislang kaum untersucht wurde, ist die ausgeprägte Dynamik zwischen Ausbildung und Erwerb nach einem Abschluss auf Sekundarstufe II. So zeigt sich, dass sich Ausbildung und Erwerbstätigkeit nach dem Abschluss eines eidgenössischen Fähigkeitszeugnisses während mehrerer Jahre überlappen: Viele Jugendliche treten sofort ins Erwerbsleben ein, wobei ein Viertel innerhalb der folgenden drei Jahre ins Bildungssystem zurückkehrt, um eine Berufsmaturität, ein Hochschulstudium oder eine zweite Berufslehre zu absolvieren.
Abb. 3: Bildungsübergänge von Personen, die 2012 ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis (EFZ) erworben haben
Quelle: BFS / Die Volkswirtschaft
Bei Personen, die ein eidgenössisches Fähigkeitszeugnis erworben haben, sind die Bildungsübergänge während der analysierten 42 Monate nach dem Abschluss komplex (siehe Abbildung 3). Insbesondere lässt sich feststellen, dass 66 Prozent der Personen, die 6 Monate nach ihrem Abschluss zunächst weder erwerbstätig noch in Ausbildung waren, ein Jahr später wieder arbeiteten. Ausserdem sind starke Wechselwirkungen zwischen Erwerb und Ausbildung ersichtlich. So kehrten 11 Prozent der Personen, die 6 Monate nach ihrem Abschluss erwerbstätig waren, 12 Monate später wieder ins Bildungssystem zurück. Dass die Überlappung von Erwerb und Ausbildung auch zwischen dem 30. und dem 42. Monat weiterhin stark bleibt, zeigt, dass der Bildungsübergang nach der Sekundarstufe II oft nicht vollständig abgeschlossen ist.
Abschliessend lässt sich sagen: Dank dem Programm Labb kann ein detaillierteres, facettenreicheres Bild der Bildungsverläufe in der Schweiz gezeichnet werden als bisher. Nun liegt es an der Forschung, die beobachteten Unterschiede zu erklären und mögliche Verbesserungsansätze zu erarbeiten. Da dies nur mit neuen Daten möglich ist, könnten die Labb-Ergebnisse beispielsweise systematisch mit jenen aus nationalen oder internationalen Erhebungen verknüpft werden.
Literaturverzeichnis
- Gaillard, L. und Babel, J. (2018). Quote der Erstabschlüsse auf Sekundarstufe II und Maturitätsquote, BFS, Neuenburg.
- Gaillard, L., Laganà, F. und Babel, J. (2016). Der Übergang am Ende der obligatorischen Schule, BFS, Neuenburg.
- Laganà, F. und Babel, J. (2018). Bildungsverläufe auf Sekundarstufe II, BFS, Neuenburg.
- Strubi, P. und Babel, J. (2015). Übergänge und Verläufe auf Tertiärstufe, BFS, Neuenburg.
- Strubi, P., Veselá, J. und Babel, J. (2018). Übergänge nach Abschluss der Sekundarstufe II und Integration in den Arbeitsmarkt, BFS, Neuenburg.
Bibliographie
- Gaillard, L. und Babel, J. (2018). Quote der Erstabschlüsse auf Sekundarstufe II und Maturitätsquote, BFS, Neuenburg.
- Gaillard, L., Laganà, F. und Babel, J. (2016). Der Übergang am Ende der obligatorischen Schule, BFS, Neuenburg.
- Laganà, F. und Babel, J. (2018). Bildungsverläufe auf Sekundarstufe II, BFS, Neuenburg.
- Strubi, P. und Babel, J. (2015). Übergänge und Verläufe auf Tertiärstufe, BFS, Neuenburg.
- Strubi, P., Veselá, J. und Babel, J. (2018). Übergänge nach Abschluss der Sekundarstufe II und Integration in den Arbeitsmarkt, BFS, Neuenburg.
Zitiervorschlag: Babel, Jacques (2018). Wie weiter nach der obligatorischen Schule? Die Volkswirtschaft, 25. Juni.
Die Einführung des in den Personenregistern der Bundesverwaltung verwendeten einheitlichen Personenidentifikators (13-stellige AHV-Nummer) vor rund zehn Jahren eröffnet neue Möglichkeiten für die statistische Analyse im Bildungsbereich. Auf dieser Basis konnte im Jahr 2014 das Programm Längsschnittanalysen im Bildungsbereich (Labb) des Bundesamtes für Statistik (BFS) eingeführt werden, mit dem sämtliche Bildungsverläufe nach der obligatorischen Schule nachverfolgt werden können. Das Projekt basiert auf zwei Pfeilern. Einerseits werden zur Erleichterung der Analysen und zur Veröffentlichung von kohärenten Daten vom BFS harmonisierte und strukturierte Längsschnittdatensätze zur Verfügung gestellt. Andererseits systematisiert das BFS die Messung der Übergänge und publiziert in regelmässigen Abständen Studien zu den Übergängen und Bildungsverläufen. Die sich daraus ergebenden Daten können mit den beim BFS bereits vorhandenen Informationen ergänzt werden. Daraus können wertvolle Erkenntnisse gezogen werden, ohne dass spezifische Erhebungen durchgeführt werden müssen.