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Die Schweiz muss sich und ihre Kompetenzzentren besser vermarkten

Das Image eines Landes oder einer Region ist für den Standortentscheid eines Unternehmens von entscheidender Bedeutung. Die Schweiz und ihre Kompetenzzentren sind solche «Marken», die es besser zu nutzen gilt.

Die Schweiz muss sich und ihre Kompetenzzentren besser vermarkten

In der Genferseeregion hat sich ein Innovationscluster für Biotechnologie herausgebildet. Der portugiesische Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa (r.) besichtigt 2016 den Campus Biotech in Genf. (Bild: Keystone)

Zahlreiche Analysen befassen sich mit der Frage, wie attraktiv bestimmte Wirtschaftsstandorte für Unternehmen sind. In den daraus abgeleiteten Rankings liegt der Schwerpunkt in der Regel auf den Rahmenbedingungen oder der Steuerbelastung. Eher selten wird untersucht, wie bedeutend das Image einer Region für den Standortentscheid ist. Doch seit einigen Jahren beruhen die Strategien zur Standortförderung zunehmend auf solchen immateriellen Kriterien, um Unternehmer und Investoren anzulocken. Denn ein Wirtschaftsstandort kann wie eine Art Marke betrachtet werden. Der aufstrebende Wissenschaftsbereich des «Place Branding» befasst sich mit diesen Fragen.

Die hohe Mobilität der Unternehmen hat weltweit zu einem härteren Standortwettbewerb zwischen den verschiedenen Wirtschaftsregionen geführt. Jede Region möchte Firmen mit wertschöpfungsintensiven Arbeitsplätzen für sich gewinnen. Um die Investoren zu überzeugen, erarbeiten die Wirtschaftsförderer deshalb stichhaltige Argumente und beschreiben die Pluspunkte ihrer Region in allen Einzelheiten. Abgesehen von den objektiven und messbaren Aspekten achten die Entscheidungsträger in den Unternehmen teilweise aber auch auf das Renommee einer Region.

Mehrstufige Schweizer Standortförderung


Die Massnahmen des Bundes zur Standortförderung haben subsidiären Charakter, denn hauptsächlich sind die Kantone dafür zuständig. Die Standortförderung des Bundes hat den Zweck, ausländischen Investoren die Vorzüge der Schweiz aufzuzeigen. Dazu hat der Bund den privatrechtlichen und nicht gewinnorientierten Verein Switzerland Global Enterprise (S-GE) beauftragt. Ausserdem arbeitet der Bund eng mit den Kantonen zusammen. Während S-GE ausländische Investoren über die Vorteile der Schweiz informiert, sind die Kantone dafür zuständig, die Einzelheiten einer potenziellen Unternehmensansiedlung auszuarbeiten. Dieser Prozess setzt eine umfangreiche Zusammenarbeit von Bund und Kantonen voraus. Ausserdem sind vier interkantonale Wirtschaftsförderungsstellen auf internationaler Ebene tätig: Die Greater Geneva Bern Area (GGBA), die Greater Zurich Area, die St. Gallen Bodensee Area und die BaselArea.swiss. Wenn ein ausländisches Unternehmen bei S-GE sein Interesse bekundet, wird das Investitionsvorhaben diesen vier Standortpromotionsstellen und den 26 Kantonen übergeben, die dem interessierten Unternehmen unabhängig voneinander je ein Dossier zusenden können.[1]

Auf internationaler Ebene sind die einzelnen Kantone also sowohl durch die Schweiz als gesamten Wirtschaftsraum als auch als einzelne Standorte vertreten. So wird für den Kanton Waadt beispielsweise dreimal Standortpromotion betrieben: erstens als Teil der Schweiz durch S-GE, zweitens als Teil der Westschweiz durch die GGBA und drittens durch eine kantonale Standortförderungsstelle (siehe Abbildung). Neben dem Ruf von Lausanne als olympische Hauptstadt wird auch die Bekanntheit von Genf bei der Standortpromotion für diese Region genutzt. Denn ein Teil der Waadt gehört zur Agglomeration des Grossraums Genf, und der Tourismusslogan des Kantons Waadt lautet «Vaud Lake Geneva Region». Ausserdem haben die Behörden seit einigen Jahren die Absicht, ihr eigenes Image über die Gebietsmarke «Vaud» zu entwickeln, um branchenübergreifend für den ganzen Kanton Standortpromotion zu betreiben.

Die mehrstufige Standortförderung der Schweiz und ihre Promotionsstellen in Genf und Lausanne


Entscheidende Faktoren für Unternehmensleiter


In einer Studie wurden diese gemeinsamen Massnahmen der Standortförderung analysiert und teilstrukturierte Interviews mit Managern geführt, die sich in den Jahren 2010 bis 2016 für eine Unternehmensansiedlung im Kanton Waadt entschieden hatten.[2] Diese Umfrage hat ergeben, dass insbesondere die Steuerbelastung, das flexible Arbeitsrecht, das Marktpotenzial und der Schutz des geistigen Eigentums die massgebenden Faktoren für den Standortentscheid waren. Anschliessend wurden die Befragten gebeten, anhand dieser Faktoren eine Auswahl aus verschiedenen Wirtschaftsstandorten zu treffen. In einem zweiten Schritt wurden ihnen diese Wirtschaftsstandorte wieder vorgelegt, wobei einige mit dem Hinweis versehen waren, dass sie sich im Kanton Waadt, in der Schweiz, befinden. Mit dieser Methode lässt sich das jeweilige Gewicht der Faktoren erfassen, die für die Standortattraktivität und damit für eine Standortwahl massgebend sind. Ausserdem kann damit bestimmt werden, wie stark ein Standortentscheid vom Image des Kantons und des Landes abhängt.

Insgesamt wurden 30 Interviews geführt. Die in der Stichprobe vertretenen Branchen entsprechen den Wirtschaftsbereichen, die von den kantonalen Behörden priorisiert werden: umweltfreundliche Technologien und Energie, Lifesciences, Dienstleistungen, Engineering und Präzisionsindustrie, internationaler Sport, Informations- und Kommunikationstechnologien, Finanzindustrie und Rohstoffhandel.

Aus den Ergebnissen lassen sich drei hauptsächliche Lehren ziehen. Über zwei Drittel der befragten Manager werden vom Image des Wirtschaftsstandorts beeinflusst, da sie dessen Namen mit bestimmten Faktoren assoziieren, die für die Standortattraktivität entscheidend sind: Dies kann man als «zusammenfassenden Effekt» bezeichnen. Die Erwähnung des Kantons Waadt ist nach Auffassung der Befragten ein Hinweis darauf, dass bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Im internationalen Vergleich assoziieren sie die Region Waadt mit einer hohen Lebensqualität, einem stabilen politischen System, hoch qualifizierten Arbeitskräften und leistungsfähigen Infrastrukturen. Im Weiteren gehen aus der Analyse zwei Trends hervor: Die Entscheidungsträger achten sowohl auf die «Marke Schweiz» als auch auf das Renommee bestimmter Kompetenzzentren («Cluster») in unserem Land.

«Marke Schweiz» und Kompetenzzentren


Die grosse Mehrheit der befragten Unternehmensleiter nimmt das Gebiet der Waadt als grossen Raum ohne klar definierte Grenzen wahr. In unserem Fall entspricht es der Westschweiz oder der Genferseeregion.

Nach Auffassung der befragten Manager hängt die Ausstrahlung der Region teilweise mit der Bekanntheit ihrer Städte und hauptsächlich mit dem Ansehen der Schweiz zusammen. Die Schweiz vermittelt ein Image von hoher Qualität, was für die Aktivitäten des Unternehmens von Vorteil ist («Made in»-Effekt). Ausserdem steht die Schweiz für gute Lebensbedingungen und politische Stabilität. Das Argument, dass die Schweiz ein innovativer Wirtschaftsstandort ist, überzeugt auch dank ihren spezifischen Kompetenzzentren. Diese generieren hohe Investitionen in die Forschung und die Entwicklung. Doch dieses Argument scheint nicht direkt mit dem Image der Schweiz zusammenzuhängen. Um sich von den zahlreichen anderen Ländern zu unterscheiden, die sich auch als Innovationsführer profilieren, ist es daher von entscheidender Bedeutung, spezifische Faktoren hervorzuheben und überzeugende Vorteile anzubieten, anstatt sich auf einem insgesamt positiven Image in diesem Bereich auszuruhen.

Die Analyse zeigt, dass objektive und greifbare Faktoren der Standortattraktivität für die Standortwahl am wichtigsten sind. Im schweizerischen Föderalismus können die Bedingungen, die den Unternehmen geboten werden, zwar je nach Kanton unterschiedlich sein. Doch für die Manager sind die Kriterien massgebend, die über die Kantonsgrenzen hinausgehen. Das heisst: Im internationalen Vergleich potenzieller Unternehmensstandorte ist die Leistung der Kompetenzzentren jedenfalls relevanter als die kantonalen Unterschiede.

Diese Wahrnehmung der befragten Unternehmer und Investoren zeigt, dass eine doppelte Positionierung massgebend ist – zum einen als gesamter Wirtschaftsstandort («Nation Branding») und zum andern als spezifischer Tätigkeitsbereich («Cluster Branding»). Diese Wahrnehmung steht den derzeitigen Strategien der Standortförderung entgegen, die auf politisch-institutionelle Ebenen wie die Kantone fokussiert. Aus funktioneller Sicht ist dieser Fokus nicht sehr zweckmässig.

Verbesserungsmöglichkeiten


Auf der Grundlage dieser Studie und als Weiterführung anderer Arbeiten zu diesem Thema[3] geben wir folgende Empfehlungen ab.

Als Erstes könnte die Kommunikation durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Standortpromotionsstellen von Bund, Kantonen und auf interkantonaler Ebene verbessert werden. Einige Unternehmensführer schätzen zwar einen gewissen Wettbewerb, da er ihres Erachtens die Wettbewerbsfähigkeit fördert. Doch die Mehrheit der Befragten ist der Auffassung, dass die Vielzahl von Ansätzen und Standortmarketingorganisationen die Botschaft der Standortförderung verneble. Einer der befragten Unternehmensverantwortlichen drückt es so aus: «Die Schweiz besteht eigentlich aus 26 verschiedenen Ländern.» Die meisten kantonalen und interkantonalen Standortförderungsstellen beziehen sich bei ihrem Auftritt bereits auf die Schweiz, insbesondere durch das weisse Kreuz auf rotem Grund im Logo. Wäre es nicht sinnvoll, eine gesamtschweizerische Strategie zu lancieren, um die «Swissness» besser zu nutzen?

Abgesehen von den interkantonalen Standortpromotionsstellen sind auch Branchenplattformen Ausdruck der Zusammenarbeit der Kantone. So tragen in der Westschweiz beispielsweise Bioalps, Alp ICT, Micronarc und Cleantechalps zum Entstehen kantonsübergreifender Cluster bei. Doch die gemeinsamen Massnahmen sind nach wie vor nicht sehr ambitiös. Anscheinend sind die Kantone nur bedingt gewillt, ihre Kompetenzen an gemeinsame Strukturen zu übertragen. Beispielsweise hätte das Projekt für die wirtschaftliche Entwicklung des Gesundheitsbereichs in der Westschweiz, das sogenannte Health Valley, ein grosses Potenzial, das bislang zu wenig genutzt wird. Seine Verknüpfung mit den bestehenden Plattformen ist weiterhin unklar, und mögliche Synergien mit anderen bekannten Clustern wie dem Bio Valley in der Region Basel wurden zweifellos nicht untersucht. Das Watch Valley – ein gemeinsames Projekt der Schweizer Uhrenindustrie – beschränkt sich gegenwärtig trotz seines grossen wirtschaftlichen Potenzials auf eine Route für Touristen.

Auf gesamtschweizerischer Ebene ist der Switzerland Innovation Park vielversprechend. Diese neue Plattform, die Kontakte zwischen Hochschulen und Unternehmen unterstützt, könnte Synergien zwischen den verschiedenen Innovationsclustern erleichtern. Dadurch könnte der Wirtschaftsstandort Schweiz auf internationaler Ebene als Ganzes gefördert werden. In einem zweiten Schritt würden dann die Wettbewerbsvorteile der einzelnen Regionen und Kompetenzzentren hervorgehoben.

Die Schweizer Standortförderung müsste also auf das ganze Land und die verschiedenen kantonsübergreifenden Kompetenzzentren ausgerichtet werden. Ein einheitlicher, pragmatischer Ansatz auf gesamtschweizerischer Ebene ohne Verbindung zur politisch-institutionellen Ebene der Kantone hätte den Vorteil, dass dem Bedarf nach einer branchenbezogenen Differenzierung entsprochen werden könnte, um Unternehmen anzulocken. Gleichzeitig könnte man so die Stärke der «Marke Schweiz» nutzen.

  1. Monnier (2015). []
  2. Diese Studie wurde im Rahmen der Dissertation des Autors am Idheap realisiert. []
  3. Siehe Rufer und Wagner (2015) und von Stokar et al. (2014). []

Literaturverzeichnis

  • Monnier P. D. (2015). Promotion économique de la Suisse occidentale: radiographie sans complaisance, Genf, Slatkine.
  • Rufer R., und Wagner A. (2015). Standortförderung in internationaler Perspektive, in : Die Volkswirtschaft, 3/4-2015, S. 4 ff.
  • Von Stokar T., Vettori A., Zandonella R., Scherer R., Zumbusch K. und Schoenenberger A. (2014). Evaluation nationale Standortpromotion Schweiz, im Auftrag des Seco. Zürich, Infras / Universität St. Gallen / Eco’Diagnostic.

Bibliographie

  • Monnier P. D. (2015). Promotion économique de la Suisse occidentale: radiographie sans complaisance, Genf, Slatkine.
  • Rufer R., und Wagner A. (2015). Standortförderung in internationaler Perspektive, in : Die Volkswirtschaft, 3/4-2015, S. 4 ff.
  • Von Stokar T., Vettori A., Zandonella R., Scherer R., Zumbusch K. und Schoenenberger A. (2014). Evaluation nationale Standortpromotion Schweiz, im Auftrag des Seco. Zürich, Infras / Universität St. Gallen / Eco’Diagnostic.

Zitiervorschlag: Renaud Vuignier (2018). Die Schweiz muss sich und ihre Kompetenzzentren besser vermarkten. Die Volkswirtschaft, 25. Juni.