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Investitionskontrollen sind heikel

Rund 80 Prozent der Aktien der 30 grössten Schweizer Unternehmen werden von ausländischen Investoren gehalten. Man kann die Bedeutung von ausländischem Kapital auch anders zum Ausdruck bringen: Der Bestand an Direktinvestitionen beträgt rund 1 Billion Franken. Über diesen Betrag verknüpft, werden hierzulande in Tochterunternehmen von ausländischen Unternehmen fast eine halbe Million Arbeitsplätze angeboten.

Parlamentarische Vorstösse erwecken den Eindruck, die Schweiz stehe vor einem «Ausverkauf» der Wirtschaft. Sie verweisen auf zahlreiche OECD-Länder, welche ausländische Firmenbeteiligungen einer staatlichen Kontrolle unterstellen. Befürworter solcher Kontrollen stören sich insbesondere an staatlichen Investoren, vor allem, wenn diese ihren Sitz in Schwellenländern haben oder durch staatlich beherrschte Investitionsfonds kontrolliert werden; es wird eine indirekte Verstaatlichung privater Unternehmen beklagt.

Tatsächlich können Staatsunternehmen den Wettbewerb verzerren. Bei ausländischen Staatsfirmen ist insbesondere denkbar, dass sie über Staatsgarantien Finanzierungsvorteile geniessen und vor der disziplinierenden Konkursdrohung geschützt werden. Dank solcher «weichen Budgetrestriktionen» könnten sie im Vergleich zur Privatwirtschaft aggressive Preisstrategien entwickeln oder höhere Investitionsrisiken eingehen. Allerdings gelten solche Einwände für alle staatlichen Investoren – unabhängig davon, ob diese ihren Sitz in Asien, Frankreich oder der Schweiz haben. Ebenso stellt sich für Staatsunternehmen die Frage, ob ein ineffizienter, weil nicht marktgerechter Mitteleinsatz auch langfristig von Erfolg sein kann. Der wirtschaftliche Untergang vieler Staatskonzerne lehrt: Auch öffentliche Unternehmen haben auf längere Sicht «harte» Budgetrestriktionen.

Ebenfalls wird kritisiert, dass in Einzelfällen Kapitalgeber involviert sind, deren Sitzstaaten kein Gegenrecht für Firmenübernahmen in ihrem Land gewähren. Dieser Einwand überzeugt nicht, wenn man von den grundsätzlichen Vorteilen von Direktinvestitionen überzeugt ist: Durch ausländische Investitionen geschaffene Arbeitsplätze sind a priori von Vorteil, weshalb die Schweiz durchaus auch unilateralen Zugang gewähren kann. Natürlich sollte man Gegenrecht einfordern. Allerdings zeigt sich gerade im Falle Chinas, dass Verhandlungen über eine Öffnung zugunsten ausländischer Investoren einen langen Atem voraussetzen. So kann die EU bei den Verhandlungen über ein Investitionsabkommen auch nach sechs Jahren und 17 Verhandlungsrunden noch keinen Durchbruch vermelden.

Schliesslich wird angenommen, dass vor allem Investoren aus aufstrebenden Ländern es auf das Know-how hiesiger Unternehmen abgesehen haben. Hier fragt sich, ob dies ökonomisch wirklich problematisch ist. Schliesslich werden bei Firmenübernahmen die bisherigen Eigentümer marktgerecht für die erwarteten künftigen Erträge ihrer Produktionstechnologie abgegolten. Aus dieser Warte kann kaum zwischen «guten» und «schlechten» Auslandinvestoren unterschieden werden. Letztlich profitieren auch «Schweizer» Firmen von ausländischem Know-how, das sie über Auslandbeteiligungen erschliessen. Dies ist eine der wichtigen Zielsetzungen von Direktinvestitionen schlechthin.

Kein Selbstbedienungsladen


Kommt hinzu: Die Schweiz ist kein freies «Shoppy-Land»: Das Kartellrecht kennt eine Fusionskontrolle, um die Beseitigung des Wettbewerbes bei Firmenübernahmen zu vermeiden. Bei der Übernahme von kotierten Unternehmen regelt das Börsenrecht Meldepflichten für Beteiligungsübernahmen. Und in zahlreichen Wirtschaftsbereichen wie Gesundheit, Telekommunikation, Postwesen, Energie oder Rüstung bietet das Staatseigentum einen absoluten Übernahmeschutz.

Breit angelegte staatliche Investitionskontrollen mögen gut gemeint sein, bergen aber die Saat von politischen Eigeninteressen und damit Protektionismus: Wer bestimmt, was strategische Unternehmen, wichtige Branchen oder schützenswerte Arbeitsplätze sind? Barrieren mit dem Hinweis aufzurichten, es anderen Ländern gleichzutun, ist jedenfalls keine überzeugende Begründung.

Zitiervorschlag: Eric Scheidegger (2018). Investitionskontrollen sind heikel. Die Volkswirtschaft, 19. Juli.