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Arbeit ist der beste Schutz

Individuelle Angebote sollen dabei helfen, arbeitslose Personen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Davon profitiert letztlich auch die Gesellschaft.

Arbeit ist der beste Schutz

Ein Gastrobetrieb in Uster hilft Sozialhilfeempfängern beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt. (Bild: Keystone)

Armut ist kein Zufall. Die Wahrscheinlichkeit, ob jemand arm ist oder nicht, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein ganz zentraler Faktor ist die Arbeit. Wer einer Erwerbsarbeit nachgeht, ist einem geringeren Armutsrisiko ausgesetzt. Während 7 Prozent der Gesamtbevölkerung in Armut leben, trifft es bei den Erwerbstätigen «nur» 3,9 Prozent. Der Zugang zu Arbeit ist demnach ein sehr wichtiges Element im Kampf gegen die Armut. Insbesondere die nachhaltige und erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt spielt deshalb eine grundlegende Rolle.

Finanzielle und soziale Konsequenzen


Arbeit bedeutet in der Schweiz nicht nur Existenzsicherung, sondern stellt auch die Grundlage für die soziale Integration dar. Was es bedeutet, nicht arbeiten zu können, zeigt der Bericht zur Langzeitarbeitslosigkeit, welchen das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) 2018 veröffentlicht hat. Aus finanzieller Sicht bedeutet Arbeitslosigkeit für die betroffenen Personen in der Regel, dass ihnen die Existenzgrundlage wegbricht. Für die Gesellschaft führt ein Anstieg der Arbeitslosenzahlen zu einer stärkeren Belastung der sozialen Institutionen und der öffentlichen Hand. Gleichzeitig hat sie auch Mindereinnahmen bei den Steuern und den Sozialversicherungen zur Folge.

Neben den finanziellen Konsequenzen hat die Arbeitslosigkeit auch Folgen für das soziale Leben. Arbeitslosigkeit bedeutet für die Betroffenen und ihre Angehörigen oftmals den Rückzug aus dem sozialen Leben, gesundheitliche Probleme, familiäre Spannungen und Konflikte sowie den Verlust des Selbstwertgefühls. Hinzu kommt, dass mit fortschreitender Arbeitslosigkeit auch die erworbenen Qualifikationen an Wert verlieren. Auf gesellschaftlicher Ebene kann ein Anstieg der Arbeitslosigkeit den sozialen Frieden und die Solidarität gefährden. Insbesondere dann, wenn die Kriminalität aufgrund fehlender Perspektiven zunimmt oder sich die Ausländerfeindlichkeit verstärkt, weil ausländische Arbeitnehmende als Bedrohung für den eigenen Arbeitsplatz wahrgenommen werden. Deshalb ist es sowohl im Interesse des Individuums wie auch der Gesellschaft, möglichst viele Personen in den Arbeitsmarkt zu (re)integrieren.

Gründe für Arbeitslosigkeit


Die Risiken, den Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht erfolgreich zu bewältigen oder aus diesem wieder herauszufallen, sind vielfältig. Neben strukturellen Gründen gibt es verschiedene individuelle Merkmale. Dazu gehören mangelnde Qualifikationen, Alter über 50 Jahre, gesundheitliche Einschränkungen, die Nationalität sowie die angestammte Berufsgruppe. Auch wenn jemand bereits früher arbeitslos war, ist das Risiko für eine erneute Arbeitslosigkeit grösser.

Verliert jemand seine Arbeit, gibt es unterschiedliche Institutionen, welche Betroffene bei der Rückkehr in den Arbeitsmarkt unterstützen. Dazu gehören in erster Linie die Arbeitslosen-, die Invaliden- und die Unfallversicherung sowie die Sozialhilfe. Ähnliches gibt es auch im Bereich der Migration. Diese Institutionen vermitteln den arbeitsuchenden Personen bei Bedarf einen Platz in einem Angebot einer Organisation der Arbeitsintegration. Ein solches Angebot kann eine individuelle Beratung oder ein Arbeitstraining, beispielsweise in einer organisationsinternen Velowerkstatt oder in externen Partnerfirmen, umfassen. Das Arbeitstraining kann auch um zusätzliche Bildungsangebote wie Sprach- oder Computerkurse ergänzt werden.

Individuelle Lösungen sind zentral


Die Angebote dieser Organisationen ermöglichen es den Personen auf Arbeitssuche, an ihren allfälligen Defiziten zu arbeiten. Das Ziel ist es, die Chancen auf eine längerfristige berufliche und soziale Integration zu erhöhen. Die Integrationsmassnahmen stärken und mobilisieren gezielt die persönlichen Ressourcen und unterstützen die Betroffenen auf dem Weg aus der Abhängigkeit hin zu mehr Eigenverantwortung. Doch wie genau kann dies gelingen?

In einer Studie im Auftrag des Bundesamtes für Sozialversicherung (BSV) hat ein Forscherteam der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI) und der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) Hypothesen zu den Wirkungszusammenhängen erarbeitet.[1] Eine der Hypothesen lautet, dass das Leistungspotenzial der Klienten, welches von der persönlichen Motivation und den individuellen Integrationshemmnissen beeinflusst wird, das zentrale Element für den Prozess der Arbeitsintegration darstellt (siehe Abbildung).

Das Ziel des Arbeitsintegrationsangebots ist es, dieses Leistungspotenzial in Leistungsfähigkeit zu wandeln. Dazu dienen sowohl die konkrete Arbeitstätigkeit der Klienten als auch Begleitprozesse wie Beratung, Coaching oder Bildungsangebote. Sie sind nicht nur für die Kompetenzerweiterung förderlich, sondern helfen den Betroffenen auch auf psychosozialer Ebene, die Leistungsfähigkeit zu erreichen.

Organisationen der Arbeitsintegration können dann zur arbeitsmarktlichen Integration beitragen, wenn sie die Ausgangslage und das Leistungspotenzial im Einzelfall genau erfassen. Zudem müssen sie zur individuellen Ausgangslage passende, geeignete Produktions- und Begleitprozesse anbieten, um die notwendigen beruflichen und persönlichen Kompetenzen der Teilnehmer zu entwickeln. Mit anderen Worten: Damit die Integrationsangebote die geforderte Wirkung erzielen können, ist das ideale Matching von Klient und Angebot zentral. Es braucht also verschiedene Angebote für verschiedene Zielgruppen, damit individuell am jeweiligen Leistungspotenzial gearbeitet werden kann.

Vermutete Zusammenhänge in der Arbeitsintegration


 



Quelle: Adam et al. (2016), S. 57.

Qualität sichern


Damit Arbeitsintegration die erwünschte Wirkung erzielen kann, ist es zentral, dass die Organisationen der Arbeitsintegration gewisse Qualitätsanforderungen erfüllen. Der Dachverband Arbeitsintegration Schweiz (AIS), der rund 220 Mitgliederorganisationen zählt, setzt sich für die Professionalisierung und die Qualitätssicherung und -entwicklung in der Arbeitsintegration ein.[2] Zu diesem Zweck ist der Verband seit mehr als zehn Jahren Träger der einzigen akkreditierten Fachnorm für die Arbeitsintegration. Dank dieser Fachnorm[3] können Organisationen ein professionelles Qualitätsmanagement zur stetigen internen Prüfung und Verbesserung aufbauen. Gegenüber den Auftraggebern von Arbeitsintegrationsangeboten und der breiten Öffentlichkeit kann mittels Zertifizierung ein entsprechender Ausweis erbracht werden. Bisher sind bereits rund die Hälfte der Mitglieder sowie weitere Nicht-Mitglieder zertifiziert.

  1. Siehe Crivelli et al. (2016, S. 57). []
  2. AIS setzt sich insbesondere für eine erfolgreiche und nachhaltige berufliche und soziale Integration ein und vertritt die Anliegen der Mitglieder gegenüber Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Weitere Informationen auf Arbeitsintegrationschweiz.ch[]
  3. Nach einer umfassenden Revision heisst die Fachnorm zukünftig «IN-Qualis». Die Änderung wird im Frühjahr 2019 in Kraft treten. []

Literaturverzeichnis

  • Adam, S. M., J. Amstutz, G. Avilés, E. Cavedon, L. Crivelli, D. Ferrari, A. Gafner, S. Greppi, A. Lucchini, D. Pozzi, et al. (2016). Explorative Studie zu den Erfolgsfaktoren der Unternehmen der sozialen und beruflichen Integration. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut, Forschungsbericht Nr. 4/16. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen.
  • Caritas Schweiz (2017). Durch berufliche Integration Armut bekämpfen. Luzern
  • Fluder et al. (2017). Berufliche Integration von arbeitslosen Personen. Bern: BFH
  • Staatssekretariat für Wirtschaft (2018). Bericht Langzeitarbeitslosigkeit. Bern

Bibliographie

  • Adam, S. M., J. Amstutz, G. Avilés, E. Cavedon, L. Crivelli, D. Ferrari, A. Gafner, S. Greppi, A. Lucchini, D. Pozzi, et al. (2016). Explorative Studie zu den Erfolgsfaktoren der Unternehmen der sozialen und beruflichen Integration. Beiträge zur sozialen Sicherheit, Nationales Programm zur Prävention und Bekämpfung von Armut, Forschungsbericht Nr. 4/16. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen.
  • Caritas Schweiz (2017). Durch berufliche Integration Armut bekämpfen. Luzern
  • Fluder et al. (2017). Berufliche Integration von arbeitslosen Personen. Bern: BFH
  • Staatssekretariat für Wirtschaft (2018). Bericht Langzeitarbeitslosigkeit. Bern

Zitiervorschlag: Charlotte Miani (2018). Arbeit ist der beste Schutz. Die Volkswirtschaft, 24. September.