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Technologischer Wandel verlangt nach neuem Mediengesetz

Anders als ihre Grosseltern sehen Jugendliche in der Schweiz kaum noch fern. Das geplante Mediengesetz passt sich diesem veränderten Medienkonsum an, indem es auch Onlineangebote fördern will.

Technologischer Wandel verlangt nach neuem Mediengesetz

Smartphones haben die Mediennutzung in der Schweiz verändert. (Bild: Keystone)

Gesetze hinken immer der Realität hinterher. Das gilt insbesondere in Bereichen, in denen der technologische Fortschritt Bewährtes und Bekanntes grundsätzlich infrage stellt und völlig neue Möglichkeiten entstehen. Gut sieht man das in der Medienbranche. Radio und Fernsehen gehören zwar nach wie vor zu den gut genutzten Medien. Aber die Zeiten, als sich die ganze Schweiz um 12.30 Uhr vor den Radio- und um 19.30 Uhr vor den Fernsehgeräten versammelt hat, um sich über das Weltgeschehen zu informieren, gehören der Vergangenheit an. Das Internet hat die Mediennutzung der Bevölkerung völlig verändert. Die jüngere Generation nutzt Medien fast nur über das Internet, und selbst bei den über 75-Jährigen gehört das Internet für 45 Prozent zum Alltag.

Untersuchungen zeigen, dass Radio- und Fernsehprogramme Mühe haben, die junge Generation zu erreichen (siehe Abbildungen). Daher kam der Bundesrat in seinem Bericht zum Service public von Juni 2016 zum Schluss, dass der Service public mittelfristig auch online präsent sein müsse, denn die Schweiz sei auf einen unabhängigen und umfassenden Service public im Medienbereich angewiesen.[1]

Abb. 1.: Radio-Nutzung – Nettoreichweiten nach Veranstalter- und Altersgruppen in Prozent (2017)




Quelle: Mediapulse 2018, Jahresdurchschnitt Jahr 2017 / Die Volkswirtschaft

Abb. 2: TV-Nutzung: Nettoreichweiten nach Veranstalter- und Altersgruppen in Prozent (2017)




Quelle: Mediapulse 2018, durchschnittliche Nutzung im Jahr 2017 / Die Volkswirtschaft

Ja zum Service public


Nach den parlamentarischen Debatten zum Service-public-Bericht hat die Stimmbevölkerung die Volksinitiative zur Abschaffung der Empfangsgebühr am 4. März 2018 mit 71,6 Prozent deutlich abgelehnt. Dieses Bekenntnis zu einem starken Service public hat der Bundesrat bei der Konzeption eines neuen Bundesgesetzes über elektronische Medien (BGeM) berücksichtigt. Seiner Meinung nach ist ein verlässlich finanziertes, qualitativ hochstehendes und unabhängiges Medienangebot zentral für die Demokratie. Entsprechend sieht das Gesetz wie bisher bei den elektronischen Medien eine direkte Medienförderung vor: Inhalte der SRG und anderer Anbieterinnen sind auf nationaler, sprachregionaler oder regionaler Ebene bereitzustellen und aus der Abgabe für elektronische Medien zu finanzieren. Denn in der kleinräumigen und mehrsprachigen Schweiz ist es nicht möglich, solche Angebote allein mit Werbung und Sponsoring zu finanzieren.

Die Finanzierung demokratierelevanter Medien ist infolge des digitalen Wandels schwierig geworden. Die jüngste Publikation der Stiftung Werbestatistik Schweiz zeigt, dass die Onlinewerbung 2017 eine Umsatzsteigerung erfahren hat und unterdessen den grössten Anteil des Schweizer Werbemarktes ausmacht. Diese Gelder fliessen allerdings nicht in publizistische Inhalte, sondern zu Suchmaschinen, zu Onlineverzeichnissen und Rubrikenmärkten. Die Werbeumsätze der gedruckten Presse, und in geringerem  Masse auch von Fernsehen und Radio, sind demgegenüber rückläufig. Laut Expertenmeinungen fliessen beträchtliche finanzielle Mittel ins Ausland zu internationalen Konzernen wie Google und Facebook.

Mehr Demokratie


Die Bundesverfassung lässt im Bereich der elektronischen Medien Raum für die direkte Medienförderung. Für eine direkte Medienförderung der gedruckten Presse gibt es hingegen keine Verfassungsgrundlage. Da Presse nur indirekt gefördert werden kann, zum Beispiel über verbilligte Posttaxen, wird diese Förderung nicht im neuen Gesetz geregelt, sondern bleibt wie anhin im Postgesetz bestehen. An diesen Leitplanken orientiert sich das Gesetz.

Der Löwenanteil der «Abgabe für elektronische Medien», wie die heutige Empfangsgebühr neu heisst, geht auch künftig an die SRG. Daneben werden andere Medienanbieterinnen, die eine Service-public-Leistung erbringen, mit insgesamt maximal 6 Prozent der Medienabgabe entschädigt. Diese 6 Prozent werden auf Radio, Fernsehen und neu auch Onlinemedien verteilt. Damit wird der Fächer weiter geöffnet. Es wird ein Impuls gesetzt, um den Wettbewerb unter den Anbieterinnen zu stimulieren. So können neue Angebotsformen leichter entstehen und damit zur Medienvielfalt beitragen.

Auch eine indirekte Medienförderung gibt es weiterhin: Für indirekte Fördermassnahmen stehen neu maximal 2 Prozent des Gesamtertrags der Abgabe für elektronische Medien zur Verfügung. Damit werden wie bisher die Aus- und die Weiterbildung von Medienschaffenden unterstützt. Neu können auch nicht gewinnorientierte Selbstregulierungsorganisationen wie der Presserat oder Nachrichtenagenturen Geld erhalten – wodurch man die Qualität des Schweizer Journalismus stärken will. Darüber hinaus können künftig auch innovative IT-Lösungen gefördert werden, um die Entwicklung und den Betrieb digitaler Infrastrukturen zu beschleunigen.

Mit Augenmass regulieren


Das neue Gesetz will einerseits die Medien fördern, andererseits aber auch nur wo notwendig und so wenig wie möglich regulieren. Das Kernstück der Regulierung betrifft die SRG: Sie bekommt als nationale Service-public-Anbieterin einen umfassenden Leistungsauftrag und muss die Bereiche Information, Kultur und Bildung in allen Amtssprachen und in hoher Qualität abdecken. Weiter soll sie Angebote in den Sparten Unterhaltung und Sport bereitstellen, verbunden mit der Auflage, sich in diesen Sparten von den kommerziellen Medienanbieterinnen deutlich zu unterscheiden. Auf welchen Kanälen die SRG in welcher Form präsent sein wird, ist ihr weitgehend selbst überlassen. Damit wird die unternehmerische Freiheit der SRG grösser. Es gibt keine Beschränkung, wie viel Fördermittel sie für das Onlineangebot verwenden darf. Allerdings müssen nach wie vor Audio- und audiovisuelle Angebote klar im Zentrum stehen.

Damit für die anderen Medienanbieterinnen neben der SRG genug Raum zur Entfaltung bleibt, werden ihr auch künftig Einschränkungen auferlegt. So bleiben beispielsweise die Radio- und Onlinewerbeverbote bestehen, und neu kann der Bundesrat bei den Werbeeinnahmen der SRG einen Einnahmedeckel vorsehen. Weiter kann er die Summe, die die SRG aus der Abgabe für elektronische Medien erhält, plafonieren und festlegen, wie viel davon diese für Informationsleistungen verwenden muss.

Dies zeigt: Die SRG befindet sich also trotz oder gerade wegen ihrer Stärke in einem engen Regelkorsett. Allerdings will der Bundesrat verhindern, dass das Unternehmen keinen Entwicklungsspielraum mehr sieht. Aus diesem Grund halten sich zusätzliche Regulierungen an einem Ort und Deregulierungen an anderen Orten die Waage.

Zusammenarbeit und Innovation


Das neue Bundesgesetz legt einen Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit der verschiedenen Anbieter. So wird die SRG zu mehr Kooperation verpflichtet. Der Bundesrat kann ihr vorschreiben, einen Teil des Unterhaltungs- und Sportangebots gemeinsam mit anderen Medienunternehmen herzustellen. Neu wird die SRG beispielsweise auch verpflichtet, tagesaktuelle Informationsbeiträge als «shared content» anderen Medien zur Verfügung zu stellen.

Weiter setzt der Bundesrat im Gesetzesentwurf auf Innovation. Sie ist sowohl bei der SRG als auch bei regionalen Anbieterinnen ein Kriterium für den Abschluss von Leistungsvereinbarungen. Die Medien sollen die digitale Herausforderung annehmen, sich weiterentwickeln und mit ihren Service-public-Angeboten ein möglichst grosses Publikum erreichen. Mit der Unterstützung von innovativen IT-Lösungen erhofft sich der Bundesrat einen zusätzlichen Technologieschub im Medienbereich. Ziel ist es, dass die Medienunternehmen in einem hart umkämpften Markt weiterhin einen qualitativ hochstehenden, aber auch für ein breites Publikum sichtbaren Journalismus anbieten können. Das erachtet der Bundesrat für eine funktionierende Demokratie als zentral.

Staatsferne Medienaufsicht


Wo öffentliche Mittel zur Medienförderung gesprochen werden, braucht es eine Kontrolle über deren Verwendung. Bisher waren für die Vergabe der direkten und indirekten Medienförderung sowie für die Aufsicht über die entsprechenden Medienanbieterinnen weitestgehend der Bundesrat, das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) und das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) zuständig. Mit Blick auf die verfassungsrechtlich verankerte Medienfreiheit erweist sich die erwähnte Zuständigkeit jedoch als problematisch. Im Gegensatz zur Schweiz ist die Regulierungsbehörde in praktisch allen europäischen Ländern unabhängig. Die heutige Zuständigkeitsordnung steht auch im Widerspruch zu entsprechenden Empfehlungen des Europarats.[2] Nicht zufällig wurde daher auch im Nationalrat die Schaffung einer unabhängigen Aufsichtsbehörde gefordert.[3]

Vor diesem Hintergrund schlägt der Bundesrat im Gesetzesentwurf eine Kommission für elektronische Medien (Komem) als unabhängige Regulierungsbehörde vor. Diese soll künftig namentlich für die Erteilung der SRG-Konzession, den Abschluss von Leistungsvereinbarungen mit anderen Medienanbieterinnen, die Aufsicht über die Einhaltung der publizistischen Leistungsaufträge sowie die Vergabe der indirekten Medienförderung für die elektronischen Medien zuständig sein.

Obwohl der Bundesrat damit auf mehr Staatsferne setzt, gibt er nicht alle wichtigen Steuerungsinstrumente zu den elektronischen Medien aus der Hand. So legt er etwa die Abgabenhöhe und die Verteilung auf die verschiedenen Verwendungszwecke fest und definiert die Werbe- und Sponsoringbeschränkungen der SRG. Um eine mögliche Einflussnahme auf die Inhalte zu vermeiden, bleibt die Aufsicht über die Inhalte der Medienangebote bei der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen bzw. für elektronische Medien (UBI) bestehen.

Der Gesetzesentwurf hat – verglichen mit dem Status quo unter dem Bundesgesetz über Radio und Fernsehen – geringe Auswirkungen auf die Volkswirtschaft und die Unternehmen. Auch die Haushalte werden nicht stärker belastet. Insgesamt werden für die Förderung im Mediensektor voraussichtlich finanzielle Mittel im heutigen Umfang zur Verfügung stehen, und es gibt einige administrative Entlastungen. Beispielsweise entfällt die Melde- und Berichterstattungspflicht von Medienanbieterinnen ohne Leistungsauftrag.

Unter das neue Gesetz fallen nicht alle elektronischen Medien, sondern nur Angebote jener Medienanbieterinnen, die eine Leistungsvereinbarung oder eine Konzession (SRG) haben. Kleinere Neuerungen, die aber im Vernehmlassungsverfahren durchaus umstritten sein könnten, sind etwa die Deregulierung der Radios ohne Leistungsvereinbarung. So können solche Radios beispielsweise künftig politische Werbung ausstrahlen. Ganz grundsätzlich wird das Subventionierungssystem deutlich vereinfacht, und viele Einzelsubventionen werden aufgehoben. Dafür wird die Rechenschaftspflicht der Medienanbieterinnen gegenüber der Öffentlichkeit gestärkt. Nun wird sich zeigen, in welchem Masse dieser Gesetzesentwurf auf Anklang stösst.

  1. Bundesrat (2016): Bericht zur Überprüfung der Definition und der Leistungen des Service public der SRG unter Berücksichtigung der privaten elektronischen Medien. 17. Juni 2016. []
  2. Empfehlung des Ministerrates vom 23. Dezember 2000 und dessen Deklaration vom 26. März 2008. []
  3. Postulat 16.3630 der Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen NR vom 29. August 2016. []

Zitiervorschlag: Bernard Maissen (2018). Technologischer Wandel verlangt nach neuem Mediengesetz. Die Volkswirtschaft, 20. September.